Das Team gewinnt

Leadership bei Adidas und Allianz

Sie sollen inspirieren, motivieren, coachen und am besten Visionäre sein – die Erwartungen an Führungskräfte sind heute deutlich andere als noch vor etwa 20 Jahren. „Damals war es Durchsetzungskraft, die eine Führungskraft erfolgreich machte. Heute ist Führung auf Augenhöhe gefragt“, sagt Roland Geschwill, Mitbegründer und Geschäftsführer der Managementberatung Denkwerkstatt für Manager. Empathie ist eine Kompetenz, die Mitarbeiter von ihren Chefs heute einfordern.

Man könne nicht gleichzeitig Torwart, Vorstopper und Torschütze sein, sagt Jan Runau, Leiter der Unternehmenskommunikation von Adidas. Er sei auf die Expertise seiner Mitarbeiter angewiesen. „Man muss Leute haben, die extrem gut sind. Experten in ihrem Spezialbereich wie digitale Kommunikation. Dann habe ich sehr großes Vertrauen in die jeweiligen Mitarbeiter.“ 80 Personen verantworten die interne und externe Kommunikation von Adidas. Die Hälfte des Teams arbeitet von der Konzernzentrale in Herzogenaurach aus. Die weiteren Mitarbeiter verteilen sich auf Schanghai, Portland, Boston und Panama. Die Firmensprache ist Englisch. Mit mehr als 23 Milliarden Euro Umsatz 2019 ist Adidas hinter Nike der zweitgrößte Sportartikelhersteller der Welt. Seit 28 Jahren ist Runau für Adidas tätig.

In der Zusammenstellung eines funktionierenden Teams sieht der 54-Jährige seine wesentliche Aufgabe. Die Kriterien: „Neben einer sehr guten fachlichen Kompetenz sollten meine Mitarbeiter teamfähig sein, die Leidenschaft zum Sport und zur Marke teilen, vor allem aber hundertprozentig zuverlässig sein.“ Zur Orientierung gibt Runau Leitlinien vor: „Ich kommuniziere meinem Team, wofür ich stehe und was ich erwarte.“ Ehrlichkeit gehöre dazu. Lügen seien ein Tabu.

Als Team gewinnen

Runaus Team ist recht jung und besteht zu etwa 70 Prozent aus Frauen. Mit seinen Leuten vor Ort trifft er sich wöchentlich, um sich zu besprechen: „Wer macht was? Zu welchem Thema?“ Außerdem trifft er einmal in der Woche einzelne Mitarbeiter in sogenannten Coffee-Chats – „egal aus welchem Bereich oder welcher Hierarchie-Ebene“. Genauso hält er es mit den internationalen Teams in Nordamerika und Asien. Mit ihnen kommuniziert er regelmäßig via Web-Konferenztools. Ein- bis zweimal im Jahr fliegt er in die jeweiligen Länder.

Runau erwartet von seinen Mitarbeitern Teamspirit: „Es gibt nichts Schöneres, als im Team zu gewinnen.“ Er wählt einen Vergleich aus dem Tennis. Der Kommunikator steht selbst regelmäßig auf dem Court: „Tennis an sich ist ein eher brutales Spiel. Man spielt alleine auf dem Platz und gewinnt oder verliert. Lieber als Einzel spiele ich Doppel oder Mixed. Weil Tennis dann ein Teamsport wird. Das ist die Philosophie, die wir hier bei Adidas im Kommunikationsteam versuchen umzusetzen. Es geht darum, als Team zu gewinnen.“ Das funktionierte gut im vergangenen Jahr. Das Magazin „Wirtschaftsjournalist“ wählte Runau zum vierten Mal zum „Unternehmenssprecher des Jahres“. „Das war ein Teamerfolg. Da sind wir gemeinsam zur Preisverleihung gegangen und haben dort gefeiert“, erklärt Runau. Die Auszeichnung kam in den Social Media kürzlich häufiger zur Sprache, nachdem Adidas aufgrund der Coronakrise angekündigt hatte, Mietzahlungen für seine Läden zurückhalten zu wollen, und einige Tage trotz massiver Kritik sprachlos wirkte.

Runau steht zu seinem Team – auch wenn es Fehler macht. „Fehler, die das Team macht, sind auch meine Fehler. Da muss man sich nach außen immer vor sein Team stellen. Intern muss man natürlich besprechen, was man hätte besser machen können.“ Er selbst verlangt von sich Ehrlichkeit und geht mit eigenen Fehlern offen um. „Jeder sollte sich vor Augen führen: ‚Was sind meine Werte? Was hat mich zu meiner Führungsposition überhaupt gebracht?‘“ Der Umgang mit eigenen Schwächen sei wichtig, um authentisch zu bleiben, erklärt Managementberater Geschwill. „Eine Führungskraft kann durchaus sagen, dass er oder sie bestimmte Sachen nicht kann oder Dinge falsch eingesetzt hat. Das wird von den Leuten ernstgenommen.“

Schöner als Misserfolge sind natürlich Erfolge. Zwar wollten sich Mitarbeiter wohlfühlen und Spaß bei der Arbeit haben, „aber sie wollen auch Erfolg und Leistung bringen. Das bestärkt“, erklärt Roland Geschwill. Teamevents könnten dazu beitragen, eine positive Gruppendynamik und Vertrauen herzustellen. Bei Adidas liegt es nahe, den Teamgeist regelmäßig mit gemeinsamen Sportsessions wie Fußball-, Tennis- oder Softballtrainings zu fördern. Bei der Organisation hält sich Runau zurück: „Mir kommt es darauf an, dass die Mitarbeiter selber daran mitbeteiligt sind und weniger die Führungskräfte.“ Anders verhält es sich, wenn der Kommunikationschef zum Grillen nach Hause einlädt. „Das organisiere und bezahle ich selber, weil es mir wichtig ist.“ Er gebe damit Vertrauen und Wertschätzung an seine Mitarbeiter zurück.

Offen mit Fehlern umgehen

Für Sabia Schwarzer, Global Head of Communications and Responsibility bei der Allianz, ist ein offener Umgang mit Fehlern und Schwächen die Basis für eine konstruktive Zusammenarbeit. Seit 2015 verantwortet die Deutsch-Inderin von München aus das globale Kommunikationsteam mit insgesamt 300 Mitarbeitern. 50 davon arbeiten in München selbst. Vorher war Schwarzer 14 Jahre lang Kommunikationsverantwortliche für die Allianz in Nordamerika.

Sie besitzt den Ruf, die Kommunikation der Allianz, die wie kaum ein anderes Unternehmen für die verkrustete Deutschland AG stand, seit 2015 ordentlich umgekrempelt zu haben. „Strategisches Denken wurde selten angewandt, oft wurden auf Anfragen anderer Abteilungen Texte geschrieben“, erinnert sie sich. Ihre Mission: Die Kommunikationsabteilung müsse die Zukunft der Allianz abbilden.

Schwarzer setzte von Anfang an auf Transparenz und Offenheit, kommunizierte auch schmerzhafte Veränderungen direkt. „Ein Teil der Mitarbeiter fühlte sich ermutigt, Dinge auszuprobieren. Andere waren resigniert und hatten Angst davor, ihre Jobs zu verlieren. Das hatte ich unterschätzt.“ Innerhalb eines Jahres strukturierte sie ihre Abteilung um. Erst jetzt, viereinhalb Jahre später, sei die Stimmung in dem mittlerweile auf die Hälfte reduzierten Team viel besser. „Es fällt gerade wirklich kein Ball hinten runter“, betont Schwarzer.

Mit einem Gesamtumsatz von mehr als 134 Milliarden Euro im Jahr 2019 ist die Allianz der weltweit größte Versicherungskonzern. Das Unternehmen will trotzdem nahbar sein – für Kunden, Stakeholder und Mitarbeiter. „Ich helfe dem Unternehmen und Meinungsmachern wie meinem Chef, eine Stimme zu finden: ‚Wer bin ich? Was macht mich aus? Was macht den Konzern besonders? Was sind die Themen, die uns besonders am Herzen liegen?‘“, definiert Schwarzer ihre Rolle als Kommunikationschefin.

Dass sich Technologie und Herz nicht ausschließen, zeigt sich aktuell während der Coronakrise. Wie die Kommunikationsabteilung von Adidas arbeitet das Team der Allianz während der Kontaktbeschränkungen vom Homeoffice aus. Updates gibt es täglich via Videokonferenz. Die Kommunikationschefin fragt und moderiert. Morgens zum Check-in: „Was sind die Themen heute? Wer macht was? Wie geht es euch eigentlich? Wie geht es euren Teams?“ Abends gibt es eine weitere Konferenz zum Check-out, wenn das Team gemeinsam den Tag analysiert.

Mit den globalen Teams korrespondiert Schwarzer jeden Abend via E-Mail und Whatsapp. Man bringt sich auf den aktuellen Stand. Hier tauscht sich Schwarzer mit zehn Ansprechpartnern verschiedener Teams aus, die sie normalerweise einmal im Quartal persönlich trifft, um sich über Strategien, Kampagnen, Content und andere Themen abzustimmen. Internationalität ist bei der Allianz Standard. Schwarzer selbst wurde in Deutschland geboren, lebte bis zum zwölften Lebensjahr in Pakistan. Dann ging es wieder nach Deutschland.

Unterschiedliche Denkweisen

Schwarzer versucht, in ihrem Team Raum für unterschiedliche Denkweisen zu lassen, um so die Kreativität zu fördern. Ihre Assistentin sei als gelernte Heilpraktikerin beispielsweise bei Themen wie „Work Well“ eine hervorragende Impulsgeberin. Damit jeder die Chance hat, Ideen zu präsentieren, installierte sie eine Art Ritual. „Ich lege meinem Team drei Vorschläge vor, dann geht es reihum und jeder kann seine Ideen und Einwände liefern“, erklärt Schwarzer. Dabei kritisiere das Team auch die Ideen ihrer Chefin. „In dem Moment freue ich mich zwar weniger darüber, bin aber froh, dass sich meine Leute trauen, Einwände zu bringen. Wir sind hier offen.“

Sabia Schwarzer weiß, dass ihr Verhalten maßgeblich für den Zusammenhalt ihres Teams ist. Sie sieht sich in einer Vorbildrolle: „Meine Leute beobachten genau, wie ich mich verhalte, wie ich kommuniziere, wie ich mit anderen im Team umgehe, ob ich alle gleich behandele. Wie ich mit Kritik und Dissonanzen umgehe. Da hängt viel von mir ab.“ Die Kommunikatorin versucht, offen mit Problemen und privaten Sorgen umzugehen. „Eine Fassade aufrechterhalten kann ich gar nicht. Ich bin immer sehr dankbar, wenn sich meine Mitarbeiter im Gegenzug öffnen und sich auch nicht verstellen müssen.“

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe CORONAKRISE. Das Heft können Sie hier bestellen.

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