Lange Sätze, Schachtelsätze, Wortungetüme und nicht erklärte Fachbegriffe – die Kommunikation der Bundesregierung zur Corona-Pandemie ist oft unverständlich. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung der Universität Hohenheim. Die Forschenden analysierten alle 1.362 Pressemitteilungen der Bundesregierung, die im Zeitraum März 2020 bis Januar 2021 mit Corona-Bezug erschienen sind.
„In Krisenzeiten suchen Menschen Informationen und Orientierung“, sagt Studienleiter Frank Brettschneider, stellt jedoch fest: „Informationen zur Corona-Pandemie und zu den staatlichen Schutzmaßnahmen sollten besonders verständlich sein. Sie sind es aber nicht.“
Mittels einer Analyse-Software, die überlange Sätze, Fachbegriffe und zusammengesetzte Wörter in Texten erkennt, klopften der Wissenschaftler und sein Team die Pressemitteilungen nach dem sogenannten Hohenheimer Verständlichkeitsindex (HIX) ab. Demnach erreichen die Mitteilungen der Bundesregierung im Schnitt eine Verständlichkeit von 7,4 Punkten – bei einer Skala von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich) Punkten wird es den Leser:innen also recht schwer gemacht, Informationen aufzunehmen. „Anzustreben ist ein Wert von 14“, sagt Brettschneider. Das ist in etwa vergleichbar mit der Verständlichkeit von Politik-Beiträgen in überregionalen Zeitungen oder von Hörfunk-Nachrichten.
Verkehrsministerium am verständlichsten
Mit einem durchschnittlichen Wert von 9,7 Punkten schneidet das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur am besten ab. Den letzten Platz belegt das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (HIX= 4,9). Formal am verständlichsten sind die Pressemitteilungen des Bundes zum Themenbereich „Kitas, Schule und Uni“ (HIX= 8,4). Thematisch am unverständlichsten sind die Pressemitteilungen zum Themenbereich „Soziales und Alltag“ (HIX= 7,0).
Vor allem Fremd- und Fachwörter, die nicht erklärt werden, zusammengesetzte Wörter sowie lange „Monster- und Bandwurmsätze“ sind den Forschenden zufolge ein Problem. „Schachtelsätze mit 40 bis 50 Wörtern sind keine Seltenheit“, hat Kommunikationswissenschaftlerin Kerstin Keller beobachtet. „Dabei gilt: Ein Gedanke, ein Satz.“ Oft fänden sich aber vier oder fünf Gedanken in einem Satz, was die Aufnahme der Informationen erschwere.
Zudem seien Begriffe wie „Corona Matching Fazilität“, „Point-of-Care-Antigentest“ oder auch „Letalität“ und „Provenienzforschung“ ohne Vorwissen nur schwer verständlich. Einen ähnlichen Effekt hätten Wortzusammensetzungen wie „WissZeitVG-Befristungsdauer-Verlängerungs-Verordnung“ oder „lebensmittelkennzeichnungsrechtlich“. Und nicht alle Corona-Wortschöpfungen seien selbsterklärend, wie zum Beispiel „CoronaCare“ oder „Covid-19 Evidenz-Ökosystem“.
Insgesamt, so stellen die Forschenden fest, sei die Verständlichkeit der Pressemitteilungen seit März 2020 nicht besser geworden. Sie schwankte auf Monatsbasis zwischen 6,9 und 8,4 Punkten.
Über den „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“
Das Fachgebiet für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim untersucht seit 15 Jahren mithilfe einer speziellen Software die formale Verständlichkeit von öffentlichen Texten, darunter Wahlprogramme, Medienberichterstattung, Kundenkommunikation von Unternehmen, Verwaltungs- und Regierungskommunikation sowie Vorstandsreden von Dax-Unternehmen. Die Software berechnet verschiedene Lesbarkeitsformeln sowie Textfaktoren, die für die Verständlichkeit relevant sind, zum Beispiel Satzlängen, Wortlängen, Schachtelsätze. Daraus ergibt sich der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“, der die Verständlichkeit von Texten auf einer Skala von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich) abbildet.