Erfolgsfaktor Beratungskompetenz

KOM fragt

KOM fragt: Wie wichtig ist es, dass Kandidaten bei der Besetzung von Führungspositionen in der Kommunikation eine Beraterpersönlichkeit mitbringen? Und wie lässt sich diese nachweisen?

Skills wichtiger als der Track Record

Philip Müller: Bei der Besetzung von Top-Positionen in der Kommunikation spielt die Beratungskompetenz der Kandidat*innen eine zentrale Rolle. Das Aussprechen von Handlungsempfehlungen, das Spiegeln von Verhalten, das stetige Vermitteln und Moderieren – derartige beratende Tätigkeiten zählen zu den ureigenen Aufgaben von Kommunikationsverantwortlichen im Umgang mit dem Vorstand und anderen Key-Stakeholdern im Unternehmen.

Auch in ihrer Rolle als Führungskräfte treten vorausschauende Kommunikationsleiter*innen zunehmend als Sparringspartner auf – und agieren dabei eher beratend als direktiv.

Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, müssen Stelleninhaber zuvor nicht auf Beratungsseite gearbeitet haben, auch wenn das tendenziell eher nützt als schadet. Skills sind hier wichtiger als der Track Record. Entscheidend sind:

  • Die passende Persönlichkeit: Wer erfolgreich beraten will, braucht nicht zuletzt Empathie und Identifikationsvermögen, Durchsetzungsstärke kombiniert mit Selbstreflexion, Problemlösungskompetenz und Frustrationstoleranz.
  • Das erforderliche Wissen: Wer auf die Agenda eines CEOs einzahlen will – was für Top-Kommunikator*innen unabdingbar ist –, muss diese Agenda kennen, verstehen und verinnerlichen. Genauso das Geschäftsmodell des Unternehmens und die Erwartungshaltungen weiterer zentraler Stakeholder.
  • Können: Wer einen Kommunikationsbereich verantwortet, sollte Reputationsmanagement beherrschen und kommunikationsstrategisch versiert sein. Nur wer über dieses fachliche Fundament verfügt, ist imstande und legitimiert, als Kommunikationsberater*in aufzutreten.

Was sind Indikatoren für Beratungskompetenz? Der Nachweis dieser Fähigkeiten ist nicht trivial. Was die Persönlichkeit betrifft, setzen nicht wenige Entscheider*innen auf einen persönlichen „Chemistry Check“; Assessments und diagnostische Verfahren können dabei helfen, dieses Bauchgefühl zu überprüfen. Wer im Bewerbungsgespräch mit potenziellen Stelleninhabern geschickt über Projekte und herausfordernde Situationen aus der Vergangenheit spricht, erhält einen durchaus aussagekräftigen Eindruck davon, wie stark beratend sie in der Vergangenheit tätig waren. Eine langjährige Zusammenarbeit mit demselben CEO oder das „Überleben“ mehrerer CEO-Wechsel sind Indikatoren dafür, dass die Person als Berater*in im Unternehmen geschätzt wird.

Unternehmen können maßgeblich dazu beitragen, dass neue Mitarbeiter*innen die ihnen zugedachte Beratungsrolle im gewünschten Maße ausfüllen: Es ist sinnvoll, die zentralen Stakeholder in die Auswahl einzubinden. Und es gilt, die Rolle so aufzusetzen, dass ein Angestellter sich das notwendige Wissen über die Organisation aneignen und das Können auf die Straße bringen kann. Ein professionelles Onboarding kann dabei helfen.

Philip Müller ist Managing Partner bei der PRCC Personal- und Unternehmensberatung.

Klare Empfehlungen aussprechen

Kirsten Altenhoff: Reputation wird immer bedeutender für den Unternehmenserfolg – und damit auch das kommunikative Handeln des Unternehmens und seiner Entscheider. Gleichzeitig werden die Einflussfaktoren sowie Hebel und Wirkungen von Unternehmenskommunikation komplexer. Ehemals klare Grundprinzipien sind kaum noch gültig. Vielfältige und sich teilweise kannibalisierende Interessen der Unternehmens-Stakeholder erfordern ständiges Monitoring. Daraus klare Kommunikationsstrategien sowie situative und schnelle Entscheidungen im Sinne des Gesamtunternehmens abzuleiten, ist die Kern- und Beratungsaufgabe der führenden Kommunikationsköpfe. Das gilt mehr denn je.

Gute Beratung durch Top-Kommunikatoren erfordert sowohl konzeptionell-analytische als auch empathische Fähigkeiten. Dazu braucht es Erfahrung und vor allem den Mut zu eindeutigen Empfehlungen. Komplexe Situationen analysieren und die Kompetenz, verschiedene Szenarien ableiten zu können, sind dabei ebenso wichtig wie die Wahrnehmung und Einbeziehung aller relevanten Akteure. Das reicht bis zur beratenden Unternehmensführung. Zuhören ist eine häufig unterschätzte Leadership-Kompetenz.

Beratung fällt leichter und wird glaubwürdiger, wenn jemand auf eigene Erfahrungen zurückgreifen kann. Die daraus resultierende Intuition und Sicherheit ersetzen zwar keine Analyse, aber helfen bei schnellem Entscheidungsbedarf enorm. Die Königsdisziplin der Beratung zeigt sich nicht nur im Aufzeigen verschiedener Handlungsalternativen, sondern drückt sich in einer klaren Empfehlung aus. Diese kann scheitern. Es erfordert also Mut und Rückgrat, sie einzubringen.

Der Nachweis dieser Kompetenzen erfolgt durch Fallbeispiele und Szenarien im Auswahlprozess und wird über die Art der Gesprächsführung sowie psychometrische Tests deutlich. Wie strukturieren und argumentieren Kandidatinnen und Kandidaten bei ihren Antworten? Wie analytisch stellen sie ihre Fragen? Darüber hinaus werden konkrete Praxisbeispiele aus der Vergangenheit sowie Referenzen herangezogen.

Beratungskompetenz kann gleichermaßen in Unternehmen, Verbänden, Agenturen oder Redaktionen erlernt werden – nicht nur in Führungspositionen. Ob Social Media Manager, Wirtschaftsredakteurin oder Pressereferent – in einer offenen Führungskultur sind aus jeder Perspektive Beratung und eigenständiges Denken gefragt. Die Beratungssystematik verstehen und üben, Coachings und Mentorings wahrnehmen, Interesse an komplexen Fragestellungen zeigen und vor allem: zuhören. Damit kann jede und jeder zum Beratungsprofi werden.

Kirsten Altenhoff ist Managing Partner bei der GK Unternehmens- und Personalberatung.

Echtes Interesse für das Unternehmensumfeld

Udo Lahm: In vielen Firmen und Organisationen wird die Unternehmenskommunikation als wichtige Beraterfunktion gesehen. Wie erklärt der Vorstand den Stakeholdern eine geplante Investition, den Strategieschwenk oder schwache Quartalszahlen? Was erwarten die Mitarbeiter*innen an Informationen? Wann gibt die Firmenleitung welche Nachrichten wie in die Öffentlichkeit?

Professionelle PR-Führungskräfte beherrschen nicht nur ihr Handwerkszeug. Sie verfügen vielmehr auch über ein ständig gepflegtes Netzwerk sowie stets aktuelle Daten aus der Medienanalyse. Sie wissen aus ihren zahllosen täglichen Kontakten und Gesprächen, welche Erwartungshaltung die wichtigsten Stakeholder haben und welche Befindlichkeiten die Öffentlichkeit. Nachhaltigkeitsthemen, gesellschaftliche Strömungen, wirtschaftspolitische Entwicklungen sowie Markt und Wettbewerb – derartige Rahmenbedingungen bestimmen, wie die Kommunikation gestaltet werden muss, damit sie dem Unternehmen einen Imagegewinn bringt.

PR-Manager*innen, die informiert der Geschäftsführung gegenübertreten, können die eigenen Vorschläge, Projekte und Warnungen fundiert begründen und werden bei der Entscheidungsfindung ernst genommen. Immer wieder gibt es PR-Verantwortliche, die genau auf diese Weise agieren und deshalb über Jahre und Jahrzehnte zu wichtigen und geschätzten Beratern für den Vorstand geworden sind. Sie bleiben deshalb oft auch nach Vorstandswechseln im Amt.

Für so eine Rolle braucht es keine nachweisbare „Berater-Erfahrung“, sondern ein waches und gelebtes Interesse für das Unternehmensumfeld. Die eigentliche Beratung des Vorstands ist dann wieder Handwerk: intelligente Aufbereitung der Fakten und Zitate, zielgruppengerechte Argumentation und geschickte Taktik im Umgang mit den Machtstrukturen der Organisation.

Auch Quereinsteiger*innen mit journalistischem Berufshintergrund können das. Durch ihre berufserprobte Neugierde und ihren Spürsinn für das Interesse der Öffentlichkeit sind sie hierzu sogar prädestiniert. Allerdings müssen sie zusätzlich das PR-Handwerk beherrschen – mit allen aktuellen Tools und Kommunikationskanälen. Der Arbeitsmarkt ist offen für Kommunikationspersönlichkeiten, die mit dem Vorstand über die wirklich wichtigen Themen gut informiert diskutieren können. Und die dann in der Lage sind, die Unternehmensziele und -botschaften in einer klugen Strategie intern wie extern zu vermitteln.

Udo Lahm ist Inhaber der Kommunikations- und Personalberatung comtract.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Beratung. Das Heft können Sie hier bestellen.

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