Virtuelle Seminare für Pressearbeit – geht das?

E-Learnings - Webinare - Onlinekurse

Die Corona-Pandemie der vergangenen Monate und die damit verbundenen verschiedenen Maßnahmen von Kontakt- und Veranstaltungsverboten haben unter anderem dafür gesorgt, dass zahlreiche Weiterbildungs-Seminare abgesagt wurden. Auch solche, die sich an Pressesprecher, Redenschreiber, Mitarbeiter in PR-Agenturen und Pressestellen oder andere Kommunikatoren richten.

Nach einer kurzen Schockstarre, in der einige Seminaranbieter ihre Beschäftigten in Kurzarbeit geschickt haben, entdeckte der Markt plötzlich seine Begeisterung für virtuelle Seminare und Online-Schulungen. Zunächst als Alternative zu den abgesagten Veranstaltungen, dann aber mehr und mehr als neues, erweitertes Geschäftsmodell. Auch bei mir haben gleich mehrere Seminarträger angefragt, ob ich Online-Schulungen, Webinare oder ähnliches anbieten möchte. So sehr mich diese Nachfrage freut, beantworte ich solche Anfragen doch stets mit einiger Zurückhaltung und nicht ohne hin- und hergerissen zu sein.

Die Frage, die ich mir jeweils stelle: Kann die Vermittlung von Kommunikations-Kompetenzen im virtuellen Raum genauso erfolgreich und effizient stattfinden wie im Präsenz-Seminar? – Die sehr klare Antwort: Jein.

Was ein gutes Kommunikations-Seminar ausmacht, sind ja gleich mehrere Kriterien: Wissensvermittlung, Übung und Austausch – oft dargestellt in Methoden wie Vortrag, Einzel- und Gruppenübungen sowie Diskussionen.

Kommunikation ist keine Einbahnstraße

Natürlich kann ich über eine Webcam vom Schreibtisch in meinem Büro aus Seminar-Teilnehmern erläutern, was aus meiner journalistischen Sicht einen guten Text ausmacht und mit welchen Arbeitsschritten man den Weg zu einem guten Text erfolgreich beschreiten kann. Ich kann parallel zu meinen Erklärungen eine Präsentation abspielen, beispielhaft einige Texte und deren gelungene (oder nicht gelungene) Bausteine zeigen oder auf einem virtuellen Flipchart oder Whiteboard Stichworte festhalten. All das als komplett vorbereitete Schulung, bei Bedarf gegliedert in mehrere abrufbare Lektionen, oder als Live-Online-Seminar.

So weit, so gut. Doch Kommunikation ist eine komplexe Angelegenheit, sie besteht immer aus Senden und Empfangen. In einer früheren Kolumne hatte ich schon mal geschrieben: Kommunikation ist keine Einbahnstraße. Das gilt für das Thema des Seminars ebenso wie für seine didaktische Umsetzung. Sprich: Als Referent und Dozent muss ich den Teilnehmern meiner Veranstaltung nicht nur die Inhalte nahebringen, ich will auch sicher sein, dass sie angekommen sind. Das nennt man „vermitteln“. Dazu brauche ich den Kontakt zu allen Teilnehmern, und der erfolgt visuell.

Und damit sind wir bei einem ersten Problem, das die Grenzen virtueller Seminare aufzeigt: Ich kann nicht erörtern, Folien zeigen, auf einem digitalen Whiteboard Inhalte festhalten und zugleich ein Dutzend Mini-Monitore mit einem Dutzend abgebildeter Seminar-Teilnehmer im Blick behalten. Das muss man auch nicht, sagen Kollegen. Mein Anspruch ist da vielleicht anders. Ich möchte sehen, dass mir alle folgen und meine Ausführungen verstehen können.

Persönlicher Austausch fördert die Kreativität

Gleichzeitig will ich Interaktion zulassen. Der große Mehrwert eines Präsenz-Seminars gegenüber online abrufbaren Kursen ist die Interaktion, der Austausch aller Beteiligten untereinander – und die Kreativität, die durch diesen Austausch in Echtzeit und im direkten Miteinander ermöglicht wird. Natürlich ist die Interaktion streng genommen auch virtuell möglich. Aber wer schon einmal eine Online-Konferenz moderieren musste, weiß: Es ist eben doch nicht dasselbe wie bei einer Diskussion im realen Raum. Und manche Idee ergibt sich eben aus der lebendigen Diskussion, bei der man nicht der technischen Zeitverzögerung wegen ausreden lässt und die Wortmeldungen nach der Reihenfolge der erhobenen virtuellen Zeigefinger erfolgt.

Wolfgang Grebenhof, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), hat in einem Beitrag gesagt: „Gerade im Journalismus brauchen wir den kreativen Austausch.“ Wenn Teilnehmer in Seminaren zu Pressearbeit, Pressemitteilungen oder Pressestellen sitzen, dann ist das im Idealfall journalistisches Arbeiten in Echtzeit. Und das braucht den unmittelbaren persönlichen Austausch. Auch viele Lehrer bescheinigen mir nach dreieinhalb Monaten E-Learning oder auch Hybrid-Unterricht, wie es neuerdings heißt, dass all das ein Segen war, eine wichtige Hilfe, es hat den Präsenz-Unterricht aber nicht ersetzen können.

Teilnehmer profitieren auch von der Erfahrung anderer

Es gibt noch einen weiteren wichtigen Punkt, warum der Austausch der Seminarteilnehmer untereinander so wichtig ist: Sie können voneinander profitieren. Klar gebe ich bei Übungen und geschriebenen Texten Feedback. Wichtiger ist mir das Feedback der Teilnehmer untereinander. Das betrifft die Verständlichkeit und Lesbarkeit von Texten ebenso wie der Austausch an Erfahrung.

Eines der ersten Online-Seminare, die ich während des Corona-Lockdown gegeben habe, richtete sich an Menschen, die im Auftrag einer Friedensdienst-Organisation vor Ort Pressearbeit machen sollten. Einer der vorgesehenen Teilnehmer meldete sich am Tag vor Seminarbeginn ab: Er habe ja schon mal PR und Öffentlichkeitsarbeit gemacht, er brauche das nicht. Das war sehr schade. Denn unabhängig von der Frage, ob ein Mensch wirklich so schlau ist, dass er nicht doch noch etwas dazulernen könne (kann er bestimmt), hat er die übrigen Teilnehmer an seiner offenbar vorhandenen Erfahrung nicht teilhaben lassen.

Ich habe schon Seminare über Pressearbeit gegeben, an denen gestandene Pressesprecher aus Konzernen teilgenommen haben und zugleich Menschen, die sich ehrenamtlich in Pressearbeit für einen Tierschutzverein versuchen. Beide haben im lebendigen Austausch ungeheuer voneinander profitiert. Und das ist nun einmal haptisch am selben Ort einfacher als im virtuellen Raum. Und sei es in der Kaffeepause oder auf dem gemeinsamen Weg zum Mittagessen.

Online steigt die Versuchung und sinkt die Effizienz

Hinzu kommt, dass Online-Seminare – noch dazu am heimischen Schreibtisch, auf dem Sofa oder am Küchentisch (was einem in der ungewohnten Homeoffice-Phase eben gerade unter das Notebook kommt) – ein wenig darunter leiden, dass nicht alle im selben analogen Raum sind. Die Versuchung ist groß, trotz des laufenden Seminars Telefonkonferenzen zu führen, den Kühlschrank auf seinen ordnungsgemäßen Füllstand zu untersuchen, verträumt aus dem Fenster zu schauen oder sonstige Extrapausen einzulegen (Kamera und Mikro ausschalten, damit es hoffentlich niemand merkt).

Das ist alles menschlich und verständlich – und daher der große Haken neben all den Vorteilen (Einhalten von Corona-Maßnahmen, Einsparen von Reisekosten etc.), die virtuelle Veranstaltungen mit sich bringen. Daher bleibe ich beim Jein: Ja, virtuelle Seminare und Online-Schulungen können auch in einer Abstandsregeln-geplagten Kommunikationsbranche helfen, Wissen, Erfahrungen und Arbeitstechniken zu vermitteln. Ein Präsenz-Seminar ersetzen sie aber nicht.

 

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