Eigen-PR: Mensch, bist Du 'ne Marke!

Egomacher-Kolumne

Jeden Tag werden von der Industrie neue Markenprodukte entwickelt. Manager, Marketing- und PR-Verantwortliche sowie Pressesprecher haben die schwierige Aufgabe, diesen „toten Produkten“ eine Identität zu verleihen, so dass wir diese als Verbraucher annehmen oder wie im Fall von McDonald’s, diese sogar lieben. Die neue Marke muss sich im Markt verkaufen. Ein Produkt wird von den Verbrauchern durch seine schlüssige Markenführung gemocht oder verworfen. Wenn das Produkt keinen Zuspruch erhält, wird es sehr schnell wieder verschwinden. Wir bemerken die unzähligen Produkt-Flops nicht einmal. Die Marke hat uns einfach nicht erreicht.

Doch je stärker eine Marke bei uns verankert ist, umso mehr Attribute können wir von ihr benennen. Wir haben die Marke verinnerlicht. Den Kommunikationsstrategen gelingt dies durch eine klare Markenführung, Emotionalität, Penetration und Content Marketing auf allen relevanten Kanälen. Sagen Sie auch „Tempo“, wenn Sie eigentlich ein Taschentuch meinen? Verwenden Sie „Uhu“ und „Tesa“ als Synonyme für verschiedene Klebstoffe? Und „googlen“ Sie, wenn Sie etwas im Internet suchen? Mehr geht für eine Marke nicht, als für einen gesamten Produkttyp Pate zu stehen.

Auch wenn es für die meisten von uns schwierig ist, von Unternehmens- und Sachbeispielen auf uns Menschen zu schließen – die Marketingstrategien für Unternehmen und Produkte funktionieren auch bei uns. Teilweise eins zu eins, teilweise in abgewandelter Form. Aber wir können auf jeden Fall viel von den Management-, Marketing- und PR-Instrumenten der Industrie für uns lernen. Und diese für uns nutzen.

Der Markenkern als strategisches Instrument

An dieser Stelle möchte ich Ihnen ein Beispiel zum Aufbau eines Markenkerns anhand der Automobilwirtschaft geben. Die Systematik der Großkonzerne ist dieselbe, mit welcher Sie am Ende der Kolumne Ihren eigenen Markenkern aufbauen können.

Ein Blick hinter die Kulissen: Die Automobilindustrie arbeitet seit vielen Jahrzehnten sehr erfolgreich mit den verschiedenen Marketinginstrumenten: Mit der Entwicklung des Automobils stand dieses für Freiheit und Unabhängigkeit. Viele unserer Zeitgenossen sehen es immer noch als Statussymbol an. Andere sehen das Auto nur noch als einen Faktor der modernen Mobilität. Dafür stellen die großen Automobilkonzerne ihre Carsharing-Flotten bereit. Um den Fetisch „Auto“ gibt es ganze Glaubens- und Markenkriege.

Wenn wir auf Deutschlands Straßen schauen, finden wir dort derzeit mehr als 1.200 verschiedene Automodelle. Und alle diese PKW verfügen, sehr stark vereinfacht, über die gleichen Grundeigenschaften: Sie haben ein Lenkrad, vier Räder und einen Motor. Aber auch von der Technik, der Qualität und ihrem Verbrauch nähern sich die verschiedenen Modelle, je nach Baujahr, Klasse, Fahrzeugtyp und Preissegment, immer stärker an. Der Markt wird immer unüberschaubarer. Oftmals ist es nur noch die Marke, die den Käufer leitet. 

Der Aufbau eines Markenlabors bei BMW vor über zehn Jahren war kein Selbstzweck und auch keine Beschäftigungstherapie für gelangweilte Manager. Es standen knallharte wirtschaftliche Interessen des Konzerns dahinter: „Es geht um die Vermittlung der Marke nach innen“, so BMW-Manager Joachim Blickhäuser.

Die Systemspitze in München hat frühzeitig erkannt, dass eine Marke sehr viel mehr ist als ein Logo oder ein schöner Schriftzug. Jedes Jahr werden 10.000 Mitarbeiter im „BMW-Labor“ zur Marke geschult. Es reicht schon lange nicht mehr, die technischen Daten des Motors zu kennen. Vielmehr geht es um die Vermittlung der gesamten „BMW-Welt“. Die Marke muss von Mitarbeitern verstanden, angenommen und gelebt werden, damit sie ihre Wirkung bei den Kunden erzielen kann.

Andere Autohersteller haben eine solche klare Ausrichtung durch gezielte Kooperationen zeitweise vernachlässigt. Daimler litt lange an den Spätfolgen der geplatzten Traumhochzeit mit Chrysler. Das strategische Bündnis von Daimler und Chrysler zu DaimlerChrysler wurde für die Stuttgarter schnell zum Alptraum. Die gesamte Markenidentität war durcheinandergewirbelt. Die Manager mit dem Stern hat es viel Geld, Zeit und Kraft gekostet, den neuen integrativen Markenkern zwischen der deutschen Präzisionsarbeit und der amerikanischen Liebe für „big cars“ herauszuarbeiten und ihn dann wieder lautlos verschwinden zu lassen, als hätte es ihn nie gegeben.

Zusätzlich versuchte Mercedes-Benz durch den siebenfachen Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher sein schwächelndes Markenprofil wieder aufzupolieren. Nur leider hatte der alle Siege für Ferrari und nicht für Mercedes eingefahren. Und so schwenkten die treusten Schumacher-Fans auch nach seinem schweren Skiunfall vor dem Krankenhaus im französischen Grenoble stets die roten Ferrari-Fahnen und keine silbernen Mercedes-Flaggen. Die Geschichte lässt sich auch von Marketingexperten nicht umdeuten.

Zerbrechlicher Markenkern in stürmischen Zeiten

Mercedes-Benz war über Jahrzehnte mit weitem Abstand die wertvollste Marke Deutschlands. Doch dieser Abstand ist dahin. Ein Blick auf die aktuellen Markenwerte der Beratungsfirma Interbrand, welche regelmäßig das Ranking der „Best Global Brands“ erhebt, zeigt: Daimler erlebte in den vergangenen Jahrzehnten eine wahre Achterbahnfahrt seiner Marke. Das Ergebnis ist: Mercedes-Benz, der Erfinder des Automobils, liegt inzwischen hinter BMW auf Platz 12 mit 36,71 Milliarden US-Dollar Marken-Wert. BMW liegt direkt vor Mercedes-Benz auf Platz 11 mit 37,21 Milliarden US-Dollar Marken-Wert. Die wertvollsten Marken Deutschlands sind fast gleichauf. Erst auf Platz 26 kommt der Software-Riese SAP.

Ähnlich wie dem Management von Mercedes-Benz im Großen geht es uns in unserem Leben: Es gibt Ereignisse, die können uns in ähnliche Krisen stürzen und unsere Persönlichkeit erschüttern. Ergeben sich beispielsweise im persönlichen Umfeld Krisen nach Trennung, Scheidung, Tod des geliebten Partners oder Verlust des Arbeitsplatzes, müssen wir uns immer wieder neu finden und definieren. Der Daimler-Chef Dieter Zetsche hat dieses Meisterstück vollzogen: In der Formel 1 fahren die Silberpfeile von Sieg zu Sieg, die Autoproduktion läuft und die Modelle geben in Punkto Technik, Leistung und Design wieder den Ton an. Nur die Elektromobilität lässt zu lange auf sich warten.

Besonders schwierig wird es dann, wenn wir selbst nicht wissen, wer wir sind und wofür wir stehen. Dieses Phänomen ist auch in der Wirtschaft bekannt. Zurzeit kämpft die 100-Prozent-Tochter von General Motors, Opel, mit den lebenswichtigen Fragen eines Unternehmens: Wofür steht die Marke mit dem Blitz? Wer soll sich einen Opel kaufen? Und warum? In Rüsselsheim hat man bis heute keine Antworten auf diese Fragen gefunden. Opel-Vorstandschef Karl-Thomas Neumann gibt offen zu: „Unsere größte Baustelle ist die Marke. Wir müssen jünger, moderner und attraktiver werden.“

Die Aussage des CEO ist eine Offenbarung. Denn von einem Unternehmen mit einer großen Baustelle kann nur sehr wenig positive Ausstrahlung ausgehen. So ist auch die Stimmung in der Belegschaft schlecht. Die Mitarbeiter von Opel sind keine Botschafter für die Marke. Die negativen Nachrichtenbilder über den Standort in Rüsselsheim und die Werksschließung in Bochum mit dem Verlust von 3.000 Arbeitsplätzen haben bei den Mitarbeitern Spuren hinterlassen. Und auch den potenziellen Autokäufern bleiben diese Sorgen nicht verborgen. Schlimmer noch: Die ständig negativen Nachrichten wirken abschreckend auf die Mitarbeiter, ihre Familien, die Kunden und die potenziellen Käufer.

Wechselnde Markengesichter verwirren

Der Automobilkonzern erkannte das Problem und startete mit neuer Werbung den Gegenangriff. Das schlechte Image durch die Presse sollte durch fröhliche Werbebotschaften aufgebessert werden.

Erst war Steffi Graf das Gesicht der Marke. 2010 sollte die Gewinnerin des Eurovision Song Contests, Lena Meyer-Landrut, eine jüngere Zielgruppe ansprechen. Der Erfolg blieb aus. 2013 verpflichtete Opel Jürgen Klopp, den damaligen Fußballtrainer von Borussia Dortmund. Die Geschichte hätte funktionieren können, wenn man die Geschichte von Dortmund und Opel gemeinsam erzählt hätte. Ein Traditionsverein und ein Traditionskonzern, die sich mit viel Fleiß, Schweiß und Mut wieder ganz nach oben arbeiten. Doch diese Geschichte wurde nicht langfristig entwickelt und erzählt. Für Kunden bleibt ein Zerrbild einer Marke, die nicht weiß wofür sie steht: erst Steffi, dann Lena, dann Jürgen, zwischendurch auch mal Claudia Schiffer. Flickwerk statt Gesamtkonzept.

In der Marke sollte die gesamte Organisation, mit ihren Qualitäten, Werten und Eigenschaften sichtbar werden. Der Markenkern von BMW ist „Freude“. Das ist Anspruch und Verpflichtung zugleich. Wie schwierig es ist, eine Marke langfristig zu führen, zeigt der Vergleich zwischen BMW und Opel. Kein Opel-Mitarbeiter wird bei den Vorgaben von General Motors aus Detroit und der Abwicklung des Werks in Bochum „Freude“ verspürt und diese in die Familie, den Freundeskreis oder zu den Kunden getragen haben. Vielmehr werden die Sorgen wahrgenommen, die das Image ungünstig beeinflussen. Integrierte Markenführung im 21. Jahrhundert sieht anders aus.

Wofür stehen Sie? Was ist Ihr Markenkern?

Anhand von weltbekannten Marken lassen sich die Marketing-Techniken anschaulich erklären, da Sie deren Wirken und Wirkung kennen. Je nachdem, wie alt Sie sind, haben Sie davon mehr oder weniger selbst miterlebt. Seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts steht im Markenkern von BMW die „Freude“. Diesem Nukleus des Münchner Automobilbauers müssen sich die Markenprägung und die Produkte unterordnen. So wird jedes Produkt aus dem Hause BMW daran gemessen, ob es dazu geeignet ist, bei potenziellen Kunden Freude auszulösen. Tut es das nicht, wie beim wohl sichersten Motorroller mit Überschlagbügel, Dreipunktgurt und Airbag, dem C1, wird dieser vom Markt genommen. Der Markenkern, um den die Werte des Unternehmens angelegt sind, ist somit eine stetige Aufgabe für den Konzern.

Der Claim von BMW „Freude am Fahren“ schließt den Markenkern mit ein und verstärkt diesen dadurch. Er steht für Faszination und Innovation der Marke. Vermitteln möchten die Münchner ihre Einzigartigkeit in der Verbindung aus Sportlichkeit, anspruchsvollem Design, hoher Qualität und Emotion. Um dieses Ziel zu erreichen, werden alle unternehmensweiten Marketingmaßnahmen vor dem Hintergrund einer integrierten Markenkommunikation an dem Markenkern ausgerichtet.

Der US-amerikanische Kommunikationsmanager Al Ries ist ein klarer Verfechter des Markenkerns: „Wenn Sie das Potenzial einer Marke voll entwickeln wollen, müssen Sie Ihre Branding-Aktivitäten darauf konzentrieren, im Gedächtnis des Käufers ein Schlagwort zu erobern. Ein Wort, das auf Anhieb mit der Marke assoziiert wird.“

Das Beispiel von BMW soll Ihnen verdeutlichen, wie wichtig es ist, sich über den eigenen Markenkern klar zu sein und diesen nach außen sichtbar zu machen. Was für Unternehmen und Produkte gilt, hat genauso eine große Bedeutung für Personen. Dieses Prinzip gilt auch für Personenmarken. Sascha Lobo steht für das Lebenskonzept 2.0, Sabine Asgodom für Lebensmut, Angela Merkel für die Beständigkeit und Joachim Gauck für die Freiheit.

Mit welchem Wort und mit welchem Claim wollen sie wahrgenommen werden. Wenn Sie nicht wissen, wer Sie sind und wofür Sie stehen – woher sollen es die Anderen wissen? Treten Sie aus der grauen Masse hervor. Doch Vorsicht! „Anders zu sein“ alleine reicht nicht. „Anders sein“ ist kein Markenkern. Um mit dem Mediziner und Kabarettisten Eckart von Hirschhausen zu sprechen: „Du willst anders sein? Andere gibt es schon genug.“ Fazit: Seien Sie nicht anders, seien Sie Sie selbst. Schärfen Sie Ihr unverwechselbares Profil mit diesen drei Fragen:

  • Wofür stehe ich?
  • Was ist mein Alleinstellungsmerkmal?
  • Was ist mein Markenkern, den mir keiner nehmen kann?

 

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