Wenn der Betriebsrat nicht gefragt wird

Recht

Die Nutzung von künstlicher Intelligenz beschäftigt inzwischen auch die hiesigen Gerichte. In einer der ersten Entscheidungen in Deutschland hatte sich das Arbeitsgericht Hamburg vor einigen Wochen mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Betriebsrat bei der Einführung von KI mitbestimmungspflichtig ist.

Im konkreten Fall hatte ein Unternehmen seinen Beschäftigten gestattet, KI-Lösungen bei der Arbeit einzusetzen, die diese privat und aus eigener Tasche finanzierten. Der Betriebsrat wurde bei dieser Entscheidung nicht gefragt. Doch dieser war nicht begeistert, der Fall landete vor Gericht.

Worum ging es in dem Verfahren?

Das Unternehmen, ein global agierender Hersteller von Medizintechnik mit Sitz in Hamburg und rund 1.600 Mitarbeitenden, erlaubte es seinen Beschäftigten, ChatGPT am Arbeitsplatz zu nutzen. Die Nutzung erfolgte nicht über Accounts, die von dem Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wurden. Vielmehr benutzten die Mitarbeiter ihre eigenen, privaten Accounts, die sie selbst angelegt hatten und die auch von ihnen bezahlt wurden. Somit war die KI nicht auf Rechnern des Konzerns installiert, sondern wurde von den Beschäftigten nur via Webbrowser abgerufen.

Der Arbeitgeber hatte die Nutzung der Software gut vorbereitet. Er machte den zuvor gesperrten Webzugang zu ChatGPT frei und veröffentlichte Guidelines, Richtlinien und ein Handbuch im Intranet, die Vorgaben für den Einsatz von ChatGPT am Arbeitsplatz machten.

Der Konzernbetriebsrat war damit jedoch nicht einverstanden. Zum einen sah er in der Freischaltung des Internetzugangs zu ChatGPT auf den IT-Systemen des Arbeitgebers und der Bereitstellung von Unterlagen zum Einsatz der Software ohne seine Zustimmung eine grobe Verletzung seiner Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte.

Mitbestimmung bedeutet, dass die Wirksamkeit gewisser Entscheidungen des Arbeitgebers in sozialen und/oder personellen Angelegenheiten grundsätzlich von der Zustimmung des Betriebsrats abhängt. Mitwirkung bedeutet, dass der Betriebsrat die Entscheidungen des Arbeitgebers in wirtschaftlichen Angelegenheiten zwar nicht verhindern kann, er aber unter anderem über Maßnahmen zu unterrichten ist.

Zum anderen, so argumentierte der Betriebsrat, habe der Arbeitgeber keine Kontrolle darüber, wie seine Vorgaben zur Nutzung der KI befolgt würden oder wie diese von den Mitarbeitern eingesetzt werde. Durch den Einsatz von ChatGPT könnten darüber hinaus personenbezogene Daten verarbeitet sowie die Arbeitsschritte lückenlos überwacht werden und mitunter psychische Belastungen bei Arbeitnehmern verursachen.

Der Arbeitgeber hielt dagegen, dass durch die Nutzung der Software kein Überwachungsdruck entstehe, da er technisch keine Eingriffs-, Kontroll- respektive Zugriffsmöglichkeit darauf habe. Datenschutzbedenken seien durch eine ausführliche Bewertung in Form einer Datenschutzfolgen-Abschätzung und einer Richtlinie mit Handlungsempfehlungen ausgeräumt worden. Die freiwillige Nutzung von ChatGPT durch die Arbeitnehmer sei vergleichbar mit der Nutzung der Google-Suchfunktion.

Wie entschied das Arbeitsgericht Hamburg?

Das Arbeitsgericht Hamburg (Az. 24 BVGa 1/24) entschied zugunsten des Arbeitgebers. Dieser habe seinen Arbeitnehmern zu Recht ohne Mitbestimmung des Konzernbetriebsrats gestattet, ihre privaten, aus eigener Tasche bezahlten ChatGPT-Accounts und andere KI-Konten zur Erledigung ihrer Arbeit zu nutzen.

Ein Mitbestimmungsrecht des Konzernbetriebsrats folgt nicht bereits daraus, dass der genutzte Webbrowser regelmäßig Informationen über die Nutzung durch die Arbeitnehmer aufzeichnet. Dies stellt nach Ansicht des Arbeitsgerichts keine Besonderheit von KI-Tools dar, sondern folgt aus den Funktionsmöglichkeiten des Webbrowsers. Die Nutzung von ChatGPT über Webbrowser unterfällt daher der zuvor abgeschlossenen Webbrowser-Konzernbetriebsvereinbarung. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats folgt auch nicht daraus, dass Open AI Nutzungsdaten verarbeitet, da der Arbeitgeber keinen Zugriff auf diese Daten hat.

Ist der Beschluss des Arbeitsgerichts auf andere Fälle übertragbar?

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts betrifft den recht speziellen Fall, dass ein Arbeitgeber daraufsetzt, dass die Mitarbeiter ihre eigenen KI-Accounts zur Arbeit nutzen. Weitaus üblicher ist sicher der Fall, dass den Beschäftigten dazu vom Arbeitgeber abgeschlossene und finanzierte Zugänge zur Verfügung gestellt werden.

Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn die Mitarbeiter Firmen-Accounts nutzen würden?

Verpflichtet der Arbeitgeber seine Beschäftigten, KI-Tools über Webbrowser mittels Accounts zu nutzen, die er selbst eingerichtet hat und verwaltet, würde die rechtliche Beurteilung möglicherweise anders aussehen. Denn in diesen Fällen könnte der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Nr. 6 BetrVG haben. Danach besteht ein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der „Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“, wobei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ausreicht, dass diese Einrichtung zur Überwachung objektiv geeignet ist.

Dabei wäre zu berücksichtigten, dass der Arbeitgeber in solchen Fällen möglicherweise Zugriff auf die Nutzungsdaten der Beschäftigten über die Daten des Browsers hat. Bei ChatGPT kommt hinzu, dass dort die Möglichkeit besteht, auf die Historie der Eingaben in den Chatbot zurückzugreifen. Daher spricht einiges dafür, dass es sich dabei um eine mitbestimmungspflichtige Nutzung handelt. Allerdings bestehen hier technische und rechtliche Möglichkeiten, die Zugriffsmöglichkeiten einzuschränken. Eindeutig ist daher die rechtliche Situation auch in diesen Fällen nicht.

Wie können Arbeitgeber und Betriebsrat im Hinblick auf die Nutzung von KI zueinanderfinden?

Arbeitgeber und Betriebsrat sind gut damit beraten, sich rechtzeitig rechtlichen und technischen Rat einzuholen, den Umgang mit KI-Tools frühzeitig in Rahmenvereinbarungen zu umreißen und gemeinsam in Betriebsvereinbarungen zu konkretisieren.

Wer keinen Betriebsrat hat, tut trotzdem gut daran, die Nutzung von ChatGPT und Co. für die Mitarbeiter transparent zu regeln. Hier hilft es, eine KI-Richtlinie zu formulieren, die genau vorgibt, was im Unternehmen erlaubt ist – und was nicht.


Dieser Beitrag ist Teil der Themenreihe „How-to GenAI“, die sich mit dem Einsatz von generativer künstlicher Intelligenz in der Unternehmenskommunikation beschäftigt. Wöchentlich erscheinen an dieser Stelle Beiträge wechselnder Autor*innen zu theoretischen und praktischen Aspekten.

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