Frau Schaller, die Wirtschaftsjournalist*innen in Deutschland haben Sie kürzlich zur Unternehmenssprecherin des Jahres 2021 gewählt. Wie wichtig ist Ihnen diese Auszeichnung?
Schaller: Ich empfinde es nicht als Wahl meiner Person. Die Auszeichnung geht auf das gesamte Team zurück. Den Erfolg haben wir gemeinsam erarbeitet. Darüber habe ich mich sehr gefreut, klar.
Journalisten mögen es nicht, wenn Unternehmen ihre Berichterstattung rechtlich angreifen. Kann man aus der Auszeichnung schließen, dass Sie gegen Journalisten selten vorgehen?
Ich bin kein Fan davon, sofort Rechtsabteilungen oder externe Medienanwälte einzuschalten. Ein Gespräch ist meistens der vernünftigere Weg – auch im Sinne der persönlichen Beziehungspflege. Ich kläre kritische Punkte daher gerne unter zwei. Meine Erfahrung zeigt mir, dass sich so Probleme ausräumen lassen. Wenn etwas falsch berichtet wurde, korrigieren es die Journalisten.
Was sind für Sie rote Linien, bei denen Sie rechtlich aktiv werden und gegen Berichterstattung vorgehen?
In meinen zweieinhalb Jahren bei der Deutschen Post gab es keine Situation, bei der das der Fall gewesen wäre. Das Problem sind nicht falsche Tatsachenbehauptungen. Wenn etwas nachweislich falsch ist, wird es von Medien richtiggestellt. Das Problem sind die Grauzonen, bei denen Thesen und Meinungen an die Stelle sachlicher Berichterstattung treten. Aber als Kommunikatoren müssen wir es aushalten, dass Journalisten Dinge auch mal so aufschreiben, wie wir es nicht gerne lesen.
Sind Pressesprecher und Unternehmen zu empfindlich geworden?
Natürlich freut sich ein Unternehmen nicht über alles, was es über sich in der Zeitung liest. Aber gefallen oder nicht darf nicht das Kriterium sein. Wenn etwas inhaltlich falsch ist, besteht ein berechtigter Wunsch des Unternehmens, es richtigzustellen. Denn alles, was einmal online steht, ist nicht mehr wegzubekommen. Es ist auch nicht im Sinne des Mediums, etwas Falsches zu verbreiten.
Sie haben mehr als 20 Jahre Berufserfahrung. Haben Sie das Gefühl, dass heute häufiger falsch berichtet wird als in der Anfangsphase Ihrer Karriere?
Ganz eindeutig: Nein! Das kann ich auch für die Deutsche Post DHL klar sagen. Es wird aber anders berichtet. Die Schlagzeilen sind zugespitzter. Soziale Medien erhöhen den Druck auf Printmedien, die auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen sind. Während der Pandemie hat man sehr deutlich gesehen, wie stark Kommunikation teilweise von Social Media getrieben wurde.
Wo ist die Rechtsabteilung bei der Deutschen Post strukturell im Unternehmen angesiedelt?
Die Rechtsabteilung ist genauso wie wir als Unternehmenskommunikation direkt dem Vorstand unterstellt. So wie auch Public Policy oder Investor Relations.
Sie waren vorher bei der Deutschen Bank, die in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von rechtlichen Auseinandersetzungen hatte. Wie läuft in einer solchen Situation die Zusammenarbeit zwischen Rechtsabteilung und Kommunikation ab?
Ich war fast 18 Jahre bei verschiedenen Banken beschäftigt und generell gilt dort, dass Kommunikation und Rechtsabteilung bei Litigation-Themen sehr eng zusammenarbeiten. Klar kann es auch mal zwischen den Abteilungen knirschen. Kommunikatoren wollen gern schnell reagieren – zum Beispiel um durchgedrungene Informationen einzufangen. Juristen deklinieren Formulierungen gerne akkurat durch. Das benötigt Zeit, die wir nicht immer haben. Da hilft es, sich vorab gemeinsam Szenarien und Statements zurechtzulegen. Ein weiteres Thema ist die Sprache: Juristen setzen sie ganz anders ein. Unsere Aufgabe als Kommunikation ist es, komplexe juristische Sachverhalte in einfach verständliche Sprache zu übersetzen. Das wissen die Kollegen aus der Rechtsabteilung auch zu schätzen.
Wer hat bei Rechtsstreitigkeiten am Ende den Hut auf? Juristen oder Kommunikation?
Bei Litigation gibt es rechtliche Grenzen. Vieles kann ad-hoc-pflichtig sein und ist damit aktienrechtlich relevant. Zudem gibt es häufig Verschwiegenheitspflichten. Darauf müssen wir als Kommunikationsabteilung Rücksicht nehmen. Am Ende würde ich mich immer an die Guidance der Rechtsabteilung halten. Diese weiß aber auch, dass wir in der Öffentlichkeit nicht gewinnen, wenn wir nur schweigen. „Kein Kommentar“ ist fast nie eine Lösung.
Unternehmen führen rechtliche Auseinandersetzungen häufig, weil sie einen finanziellen Schaden verhindern wollen. Allerdings verlängern Prozesse eine Kommunikationskrise. Unternehmen stehen moralisch am Pranger. Wie wichtig ist bei Litigation-PR der Faktor Reputation?
Wenn Sie als Unternehmen öffentlich am Pranger stehen, haben Sie eine Vorverurteilung. Wer gibt bei David gegen Goliath schon einem Großkonzern Beifall? Reputationsverluste schlagen sich in sinkenden Aktienkursen oder ausbleibenden Aufträgen nieder. Wenn Kunden keine Geschäfte mehr mit ihrem Unternehmen machen wollen, hat dieses ein großes Problem. Unser gemeinsames Ziel ist also der Schutz der Reputation. Dafür müssen wir nicht nur im Gerichtssaal, sondern auch in der Öffentlichkeit überzeugen.
Sie haben mal gesagt, Sie würden Krisen lieben. In jedem Krisenkommunikationsratgeber steht, die Salamitaktik sei der falsche Weg. Sieht die Realität nicht so aus, dass die Salamitaktik der Standardweg ist?
Die Gretchenfrage ist, ob es sich um eine Krise handelt, die an die Öffentlichkeit getragen wird, oder ob sie intern zu managen ist. Wenn etwas nach außen geht, finde ich es immer sinnvoll, schon am Anfang mit einer eigenen, umfassenden Geschichte rauszugehen, um den Sachverhalt abzuräumen und die Deutungshoheit zu behalten. Sonst haben Sie jeden Tag ein Medienecho. Im Angesicht einer Krise bin ich für zügige, aktive Kommunikation.
Wie ist es bei Litigation-Themen? Wenn man da am Anfang alles auf den Tisch legt, kommt es einem Schuldeingeständnis gleich.
Eine öffentliche Entschuldigung zu Beginn eines Prozesses kann in der Tat wie ein Schuldeingeständnis im juristischen Sinne wirken und den Fall ungünstig beeinflussen. Daher ist Zurückhaltung gefragt. Wir können Prozesse kommunikativ begleiten und ihre reputationsschädigende Wirkung abschwächen. Fakten lassen sich nicht ändern, aber ihre öffentliche Wahrnehmung durch Einordnung positiv beeinflussen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #HiddenChampions. Das Heft können Sie hier bestellen.