Herr Kunze, Sie sind seit 2013 nicht nur verantwortlich für PR und Kommunikation, sondern auch Vice President Communications and Sustainability. Warum gehört Nachhaltigkeit bei Ihnen zum Bereich Kommunikation?
Kunze: Es gibt schon seit längerer Zeit keine Interviews, keine Statements und keine Konferenzen mehr ohne Fragen zur Nachhaltigkeit. Diese findet in allen Unternehmensbereichen statt: Personal, Flottenentwicklung und insbesondere im Produktbereich. In der Kommunikation fassen wir die Daten zusammen und versuchen, die wesentlichen Dinge zu reporten.
Sie sind seit 18 Jahren bei Aida. Wie hat sich das Thema im Laufe der Zeit verändert?
Kunze: Aida ist als Marke sehr auf den deutschsprachigen Raum zentriert. Da hat die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. 2007 haben wir den ersten Nachhaltigkeitsreport geschrieben. Die Kollegen aus dem Sales-Bereich sind da seit Jahren sehr aktiv. Es geht um die Weitergabe von Informationen an diejenigen, die unsere Reisen verkaufen – an Reisebüros zum Beispiel. Es ist unbestritten, dass die Sensibilität von Gästen bei diesem Thema steigt.
Wie sieht Ihre Pressearbeit zu dem Thema aus?
Kunze: Tatsächlich ist die Reiseindustrie in den vergangenen fast drei Jahren durch die Einschränkungen geprägt worden, die Corona mit sich gebracht hat. Darum war die schönste und wichtigste Botschaft, dass unsere Aida-Flotte im Wesentlichen wieder auf Fahrt sein kann und wir alle wieder da sind. Die wichtigste Nachricht ist Normalität. Das unterscheidet sich schon erheblich von den Nachrichten der letzten Jahre, in denen die Produktvielfalt, neue Schiffe, neue Features und neue Routen im Vordergrund standen.
Hat Corona Nachhaltigkeit ein Stück weit verdrängt?
Kunze: Tatsächlich war das Thema Nachhaltigkeit während der Coronapandemie nicht so präsent, weil wir ja auch teilweise unsere Schiffe stilllegen mussten. Aber ich glaube, allen war klar, dass das Thema wiederkommen wird. Die Fragen sind einfach wichtig, und auch diejenigen, die Kreuzfahrt-Fans sind, sind stark daran interessiert, wie die Reise weitergeht.
Wo sehen Sie die größten Baustellen, was die Nachhaltigkeit bei Kreuzfahrten angeht?
Kunze: Die Dekarbonisierung der Kreuzschifffahrt hängt im Wesentlichen davon ab, wie wir es schaffen, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten fossile Treibstoffe zu ersetzen. Die Nutzung von Landstrom während der Liegezeiten an Häfen ist ein wesentlicher Punkt, da hier fossile Energie durch grünen Landstrom ersetzt werden kann. Der Weg in die nicht fossile Zukunft besteht aus einem Potpourri aus Landstrom, großen Batterien an Bord und dem Testen von Brennstoffzellen. Wir haben die Entwicklung eines Zero-Emission-Schiffs als Branche fest im Blick. Aber generelle Fragen müssen noch beantwortet werden: Wie viel nachhaltige Treibstoffe werden für die Schiffe zur Verfügung stehen? Gibt es genug Infrastruktur, um die Schiffe damit zu versorgen? Und zu einem bezahlbaren Preis? Auch wenn noch ein bisschen Zeit ist, um die Zeitgrenzen zu erreichen – im Bereich Verkehr sind die Zeitspannen einfach riesig.
Aida hat aktuell zwölf Kreuzfahrtschiffe, zwei davon mit LNG-Antrieb. Das soll aber nur ein Zwischenschritt sein. Flüssigerdgas ist auch nicht emissionsfrei. Können Sie schon sagen, wie der nächste Schritt aussieht?
Kunze: Bei dieser Technologie wird der nächste Schritt sein, dass wir die fossilen Treibstoffe entweder durch biogene Treibstoffe oder synthetische Fuels ersetzen. Das ist die Notwendigkeit. Das ist die Brücke in die Zukunft der Schifffahrt generell.
Wie kommunizieren Sie Neuigkeiten im Bereich Nachhaltigkeit? Eher Schritt für Schritt, oder schauen Sie auch weiter in die Zukunft?
Kunze: Das hängt immer von demjenigen ab, der einem gegenübersitzt. Das mag ein Reisebüro sein, das einfach nur eine Seite mit unseren Nachhaltigkeitsbotschaften haben möchte. Oder aber jemand lädt uns ein, die technologischen Herausforderungen auf Expertenebene zu diskutieren. Das alles findet parallel statt. Manche Journalisten oder Gäste sind mit einer sehr kurzen Antwort zufrieden, NGOs oder Regierungsmitglieder wollen manchmal auch längere Antworten. In der Regel präsentieren wir aber schon den technologischen Weg, wie der Ersatz fossiler Treibstoffe für die Branche bis 2049 komplett gelingen könnte.
Die Kunden interessiert das Thema auch immer mehr?
Kunze: Das ist eine der am häufigsten gestellten Fragen. Im Moment sieht man nicht, dass das ein wesentliches Motiv für oder gegen Reisen ist. Aber das Interesse wächst konstant. Genau aus dem Grund veröffentlichen wir dazu klare Statements. Über die Dinge, die wir Schritt für Schritt erreicht haben, versuchen wir natürlich eine breite Öffentlichkeit herzustellen. Bei einem Anlauf in Rotterdam, als wir die Nutzung von Bio Fuels mit unseren normalen Maschinen gestartet haben, hatten wir zum Beispiel Videomaterial und entsprechende Grafiken. Das sind natürlich Highlights in der PR. Die muss man dann auch in die gesamte Kette des Vertriebs, der Mitarbeiter und der Supplier bringen.
Sie kommunizieren zum Beispiel auch, dass Sie bei Landausflügen Fahrräder aus Bambus einsetzen oder kürzlich in Rostock Bäume gepflanzt haben. So etwas ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein – aber gut für die Pressearbeit?
Kunze: Gute Nachrichten schaden ja nicht. Die werden auch gern aufgenommen. Mit den Bambus-Fahrrädern sind wir jetzt in der ganzen Flotte unterwegs. Es ist wichtig, dass wir anschaulich machen, was wir tun, auch wenn es nur ein kleines Puzzleteil ist. Natürlich nimmt eine Unternehmenskommunikation so etwas auf.
Aber lenkt das nicht von den großen Problemen ab?
Kunze: Wir berichten gleichermaßen über die Dekarbonisierung und über viele einzelne Steps bei der Nutzung von Landstrom, beim Einsatz neuer Treibstoffe, Brennstoffzellen und Batterien. Die Gewichtung von Nachrichten entsteht durch Journalisten. Wir haben jetzt auch Formate wie „Behind the scenes“, in denen man sich neue Technologien genau angucken kann. Aber in der Unternehmenskommunikation ist es wichtig, dass man die großen strategischen Dinge genauso gut und häufig kommuniziert wie die kleinen Dinge.
Und Journalist*innen greifen diese kleinen Themen gerne auf?
Kunze: Nicht alles ist für die „Tagesschau“ gedacht. Das ist klar. Mit einem neuen Schiff, das LNG-betrieben ist und von der Meyer Werft ausgeliefert wurde, kommt man in die „Tagesschau“. Aber wir sehen eine ganz klare Verlagerung der Kommunikationskanäle. Unsere Social-Media-Kanäle sind sehr groß. Da haben wir tolle Reichweiten. Wir haben ein eigenes Aida-Radio. Klar, ich nehme gerne einen gut gemachten Bericht in der „Tagesschau“, aber ich kümmere mich auch um jeden Kanal, den ich sinnvoll bespielen kann.
Was sind da gerade die relevantesten Kanäle für Sie?
Kunze: Wir arbeiten mit der klassischen Pressemitteilung und sehen, dass die teilweise gut funktioniert. Wir sind aber auch bei Linkedin sehr aktiv. Wir produzieren eigenen Content. Wir gehen auch gerne mit Journalisten auf Reisen und machen Tagungsbesuche zum Thema Technologie. Wir gucken natürlich bei der Auswahl unserer Gesprächspartner auf Relevanz und Reichweite, aber ich würde da nichts ausschließen. Unser neuester Social-Media-Kanal ist Tiktok. Die Kommunikation ist einfach sehr in Bewegung.
Machen Sie auch Lobbying? Fällt das in Ihren Bereich?
Kunze: Wir sind Mitglied in großen Organisationen, die den Tourismus und die Schifffahrt unterstützen. Das ist zum Beispiel der Deutsche Reiseverband und der Verband Deutscher Reeder. Wir sind auch im Bundesverband der Tourismuswirtschaft und in der Stiftung KlimaWirtschaft. Das sind die Lobbyverbände des Tourismus und der Schifffahrt. Da sind wir sehr aktiv mit dabei.
Auch Sie persönlich als Vice President Communications?
Kunze: Immer wieder, aber auch unser Präsident tritt dort auf und investiert viel Zeit in den Dialog, um unsere Interessen zu vertreten und Informationen weiterzugeben.
Ist Klima im Lobbying das wichtigste Thema?
Kunze: Das war schon immer wichtig. Bei einigen liegt der Fokus mehr auf Nachhaltigkeit, bei anderen mehr auf Wirtschaft. Bei der Stiftung haben wir uns ganz klar dem Klimaschutz verschrieben – aber aus Sicht einer Wirtschaftsvereinigung. Da geht es immer auch um ökonomischen Impact, um Arbeitsplätze und Investitionen. Das muss verbunden werden, damit wir diesen Weg der Transition auch wirklich beschreiten können und nicht Prozesse weltweit unterbrechen.
Sie streben an, bis 2050 klimaneutral zu werden. Genügt so eine Selbstverpflichtung oder wäre es nicht auch aus Ihrer Sicht besser, wenn es mehr Regulierung gäbe?
Kunze: 2050 ist ja erst mal ein allgemeines Ziel, zu dem sich auch der Weltverband der Kreuzfahrtindustrie bekannt hat. Ich habe das Gefühl, dass diese Selbstverpflichtung und die uns umgebenden Regulierungen teilweise sehr gut wirksam sind. Zu ferne Ziele dürfen es nicht sein. Die Branchen müssen sich committen – sicherlich auch in der Hoffnung, dass wir manchmal größere Schritte machen.
Hansjörg Kunze holte 1988 als Leichtathlet bei Olympia in Seoul eine Bronzemedaille für die DDR über 5.000 Meter. Später arbeitete er elf Jahre lang als Chefreporter für „Antenne MV“, bis er 2004 in die Kommunikation wechselte. Bei Aida Cruises, der Rostocker Zweigniederlassung von Costa Crociere, ist er seit 2012 Vice President PR & Communication. Seit 2013 ist er zudem Vice President Communications & Sustainability.
(Foto: DOMUSimages – Alexander Rudolph)
Hinweis: Am 5. Januar 2023 gab Aida Cruises bekannt, dass das Unternehmen zwei seiner Schiffe aufgrund der hohen Flüssiggaspreise statt mit LNG wieder mit Diesel betreiben wolle. Das Interview wurde vorher geführt.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Nachhaltigkeit. Das Heft können Sie hier bestellen.