Länder vermeiden emotionale Impf-Kommunikation auf Twitter

Analyse

Die aktuelle Kampagne der Bundesregierung zum Impfen ist von Kommunikationsfachleuten überwiegend kritisch aufgenommen worden. Viele hätten sich eine kreativere Kampagne gewünscht. Risiken in der Impf-Kommunikation zu vermeiden, scheint aber auch das Credo einer Mehrheit der Gesundheitsministerien der Länder auf Twitter zu sein.

Zu diesem Ergebnis kommt das Heilbronner Unternehmen 100 Worte, das mit einer KI-Lösung im Januar dieses Jahres knapp 10.700 Tweets der Behörden von Bund und Ländern zur Impfkampagne analysiert hat. Darüber hinaus untersuchte es die Twitter-Kommunikation der Gesundheitsministerien in Österreich, der Schweiz, Großbritannien und Italien.

Neutrale Wortwahl und Informationsweitergabe im Fokus

Demnach setzen die Ministerien in zehn der 16 Bundesländer in Deutschland auf einen risikovermeidenden Kommunikationsstil. Das heißt, sie nutzen eine neutrale Wortwahl und ordnen Risiken ein, statt Versprechen und Prognosen aufzustellen. Besonders das Gesundheitsministerium Baden-Württembergs geht in puncto Kommunikation rund um die Impfung auf Nummer sicher. Die Behörde wählt der Studie zufolge vorwiegend Worte, die die Sicherheit betonen, beispielsweise „verlässlich“ oder „detailliert“.

Grafik: 100 Worte/Datawrapper
Die Risikobereitschaft in der Wortwahl der deutschen Gesundheitsministerien auf Twitter. Werte kleiner Null stehen für eine schwache Ausprägung. (c) 100 Worte/Datawrapper

Risikofreudig kommuniziert hingegen das Ministerium in Hamburg, gefolgt von Hessen und Schleswig-Holstein. Die Behörden ziehen Postings über Lösungsvorschläge zur Eindämmung der Pandemie der reinen Informationsweitergabe vor. Ausdrücke wie „fortschrittlich“ und „ermöglichen“ sind häufig in den Tweets der drei Landesministerien zu finden.

Nur zwei Länder appellieren an die Gemeinschaft

Allein Hessen und Mecklenburg-Vorpommern setzen mittels einer emotionalen Sprache auf das sogenannte Beziehungsmotiv: Mit der Aufforderung zum Zusammenhalt schaffen sie ein Gefühl von Verbundenheit und Gemeinschaft. Charakteristisch dafür sind Bezeichnungen wie „gemeinschaftlich“ oder „mithelfen“. Ziel einer solchen Kommunikation ist es laut Studienautor*innen, der Bevölkerung Unterstützung und Vertrauen seitens der Behörden zu vermitteln. Auf dem Twitter-Kanal von Thüringens Gesundheitsministerium ist das Beziehungsmotiv hingegen am schwächsten ausgeprägt, ähnlich niedrig ist die Quote beim Saarland und Bremen.

Der Twitter-Kanal des Gesundheitsministeriums von Sachsen-Anhalt setzt durch dominante Wortwahl als einzige Behörde in Deutschland auf das sogenannte Machtmotiv. Dieses kann eingesetzt werden, um Einfluss auszuüben, unter anderem durch Ausdrücke wie „überzeugend“ und „etabliert“. Im Saarland sowie in Thüringen und Bremen ist dieses Motiv am geringsten ausgeprägt.

Unser Nachbar Österreich sowie Italien setzen in ihrer Twitter-Kommunikation auf das sogenannte Leistungsmotiv: Sie demonstrieren die hohe Sicherheit des Impfstoffs, um die gesetzten Ziele zu erreichen. Gleichzeitig appellieren sie an den Zusammenhalt in der Pandemie. Das Schweizer Gesundheitsministerium hingegen nutzt wie das deutsche einen neutralen Kommunikationsstil auf Twitter: Die Wortwahl ist risikoarm und hat niedrige Macht-, Beziehungs- sowie Leistungsmotive. Großbritannien verzichtet ebenfalls auf gewagte Formulierungen und hat ein geringes Beziehungsmotiv, das Macht- und das Leistungsmotiv ist auf dem Twitter-Kanal jedoch präsent.