Flächen wie gemacht für Kommunikation

Agenturen

Florian, seit einigen Monaten sitzt ihr in diesem spektakulären neuen Gebäude, das für eine Agenturgruppe sicher auch die Chance bietet, sich intern mal kräftig durchzuschütteln. Zugleich sucht momentan die Agenturszene nach tragfähigen neuen Modellen für eine komplexer werdende Kommunikationswelt. Inwiefern hängt beides zusammen? Ist dieser neue Bürobau zugleich auch ein Schritt in Richtung der Agentur der Zukunft?

Florian Haller: Ich möchte doch stark hoffen, dass er das ist. Jedenfalls spiegelt der Bau unsere Kultur der Zusammenarbeit wider. Für uns als Agenturgruppe gilt es, umfassende Lösungen für unsere Kunden im Sinne eines End-to-End-Ansatzes zu finden. Wir gestalten ganzheitliche Customer Journeys vom ersten Kontakt bis zum Kauf – und zum Wiederkauf. Um Kunden auf dieser langen Strecke zu begleiten, muss eine Agentur heute sehr viele unterschiedliche Skills mitbringen, diese aber auch miteinander verzahnen. Spezialisierung plus Verzahnung und Kollaboration – das ist auch die Haltung dieses Hauses. Früher reichte es, einen großen kreativen Aufschlag für den Kunden zu inszenieren und diesen dann in die entsprechenden Medien zu bringen. Ein halbes Jahr später checkte man anhand der Nielsen-Daten den Erfolg. Durch die Digitalisierung können wir heute sehr viel genauer und in Real Time sehen, was mit unseren kommunikativen Impulsen geschieht. Dafür brauchen wir eine Struktur, die flexibel ist, schnelles Reagieren ermöglicht, aber auch die Chance zur Spezialisierung bietet.

Wie stehst du zur Frage der Zentralisierung, auch in Zeiten von Homeoffice?

Eine starke attraktive Firmenzentrale als Ort der Begegnung ist wichtig. Die jungen Kolleg*innen wollen ja wieder ins Büro kommen. Aber dafür brauchen sie spannende unique Angebote.

Viele Agenturen gründen eigene Töchter speziell für Key Customers. Widerspricht das nicht dem Aufbau einer eigenen Architektur?

Gar nicht, denn die sitzen ja nicht komplett beim Kunden. Wir betreuen zum Beispiel BMW über unser Customized-Agency-Konzept „The Marcom Engine“. Die Einheit sitzt bei uns mit einer zentralen Steuerungseinheit hier in München und darüber hinaus in unseren Offices in den europäischen Märkten.

Ist dieses Modell die Lösung für alle Kunden?

Nein, nicht für alle. Aber es bietet für viele Kunden einfach koordinative Vorteile.

Kommen wir zurück zu diesem Gebäude. Was war ausschlaggebend für die Entscheidung, hierher umzuziehen?

Im Kern stand die Idee, der strukturellen Veränderung unserer Arbeit in den letzten Jahren architektonisch zu begegnen. Die früher isolierten unterschiedlichen Einzeldisziplinen arbeiten heute enger vernetzt miteinander. Unser altes Gebäude war zu silomäßig strukturiert. Mit unserem neuen House of Communication schaffen wir jetzt einen Raum, der offen ist, transparent und agil. Wir sind damit in unserer neuen kommunikativen Realität angekommen.

Leistet das Gebäude das?

Das Feedback der Kolleg*innen ist jedenfalls einhellig positiv. Unsere Teams sehen: Dies sind Flächen, gemacht für Kommunikation. Wir bilden die Firmenstrukturen im Raum ab. Man sitzt mit denen zusammen, mit denen man auch in Teams zusammenarbeitet. Aber die Arbeit läuft absolut agil. Teams können sich jederzeit spontan neu zusammensetzen. Und dann spielt die räumliche Aura eine Rolle. Wir wollten so etwas wie eine Wohlfühlatmosphäre schaffen. Das beginnt schon mit vermeintlichen Kleinigkeiten wie einem effizienten Akustikschutz. Hier gibt es keine Geräuschbelästigung. Die Architekt*innen haben überall familiäre Ecken geschaffen, in die man sich auch mal zur vertraulichen Abstimmung zurückziehen kann. Es gibt eine sehr gute Cafeteria. Und es gibt viel Kunst im Gebäude.

Klingt alles gut. Aber vieles von dem, was du sagst, nehmen auch andere zeitgemäße Büroarchitekturen für sich in Anspruch. Nun geht es in der Corporate Architecture aber ja auch immer um den Unternehmensgeist, die Haltung, die sich räumlich transportiert. Wie viel Serviceplan steckt in diesem Bau?

Die starke Betonung von Vernetzung, vernetztem Denken und kreativem Arbeiten ist sehr „serviceplanesk“. Dies ist eben ein House of Communication. Dieser Begriff steht für unser Unternehmen. Viele Details hier spiegeln unsere Philosophie wider. Nimm den Vorstandsbereich, in dem wir sitzen. Die Türen sind aus Glas. Wir lassen die Kolleg*innen an uns ran. Und wir sitzen alle um diesen großen Tisch. Wir praktizieren das offene Arbeiten ohne feste Plätze also auch bei uns selbst. Und dann spielt die Kunst eine ganz große Rolle für unsere Identität. Das passt zu unserem Geschäft, weil die Kunst der Werbung so verwandt ist. Diese Brücke schlagen wir hier im Gebäude, und wir fördern viele Projekte mit spannenden Künstlern.

Hast du dafür ein Beispiel?

Zum Beispiel haben wir in Berlin mit Jonathan Meese gerade ein Projekt realisiert, eine hängende Skulptur mit Lianen an der Decke. Meese rekurriert auf das Tarzan-Jane-Motiv. Das Projekt ist auf die Architektur unseres dortigen Bauhaus-Gebäudes abgestimmt. Hier in München haben wir regelmäßig Kunstgespräche: die Art Talks. Wir machen immer wieder Performances mit weniger bekannten Künstlern. Das Programm kuratiert unser Kollege Tommy Schmidt, selbst Künstler.

Die Betonung des Verhältnisses von Kunst und Werbung finde ich spannend. Mitunter hat man heute den Eindruck, dass in unseren durchdigitalisierten und datengetriebenen Zeiten der Kunstaspekt in der Kommunikation verloren geht. Es dreht sich alles um Effizienz und Messbarkeit.

Zu genau dem Thema habe ich Anfang des Jahres auf dem DLD Munich eine Keynote gehalten. Natürlich ist die datengetriebene Kommunikation wichtig. Das macht Kampagnen besser, weil sie effizienter werden. Aber: Was man dabei schnell vergisst, ist die Kraft der menschlichen Fantasie, der Emotionen. Es geht nicht nur um Bits und Bytes – auch wenn es hierzu natürlich auch andere Stimmen im Markt gibt. Wir sind keine reinen Tech-Companies.

Für Serviceplan ist dieses Gebäude ein Stück Corporate Architecture. In eurer Beratung ist Corporate Architecture wo möglich ein Element im Kanon der Kommunikation. In der Lehre gilt sie als Teil der Corporate Identity, auch wenn man hinterfragen kann, ob das Konzept dort richtig verortet ist. In jedem Fall – wie siehst Du als Kommunikationsprofi die Funktion der Corporate Architecture?

Ich halte sie für ein zentrales Tool. Sonst hätten wir selbst hier auch nicht so viel investiert. Auch wir stehen im War for Talents, müssen die besten Leute für uns gewinnen. Dafür braucht es ein attraktives Zuhause, ein inspirierendes Umfeld. Und, ein zweiter Aspekt: Unternehmen und Marken wollen ja immer für etwas stehen. Der Ausdruck dieser Positionierung im Raum wird weiterhin unterschätzt. Gerade in virtuellen Zeiten gibt es hier eine Gegenbewegung. Menschen flüchten geradezu ins Analoge und Anfassbare.

Hast Du im Bereich Corporate Architecture ein Lieblingsgebäude?

Da fällt mir zuerst der Vierzylinder von BMW ein. Das ist herausragende Architektur, die die zentrale Idee des Unternehmens schön zum Ausdruck bringt. Dort herrscht auch heute noch eine coole Arbeitsatmosphäre.

BMW war in dem von Karl Schwanzer realisierten Bau auch Bauherr. Das galt für Euch hier nicht, das Haus ist gemietet. Ein Problem?

Nein. Der Projektentwickler, das Münchner Unternehmen R&S Immobilienmanagement, ist unser Nachbar. Die hatten große Freude daran, eine Kreativagenturgruppe als Single Tenant zu haben. Sie sind – wie wir – ein Familienunternehmen. Sie waren deshalb auch offen für unsere Gedanken, die nicht nur auf die reine Optimierung von Quadratmetern abzielten. Sie haben sich gemeinsam mit uns Gedanken darüber gemacht, wie die Agentur von morgen aussieht. Wir sind auch zusammen um die Welt gereist und haben uns herausragende Bürobauten angeschaut, um uns inspirieren zu lassen.

Wo wart ihr zum Beispiel?

Wir haben uns unter anderem die Zentrale von AKQA in London angeschaut, aber auch andere Agenturen.

Und künftig kommen Agenturen auf architektonischer Inspirationssuche zu Euch?

Klar, sie sind auf jeden Fall eingeladen.

In der Umsetzung dieses Gebäudes habt ihr mit verschiedenen Architekturbüros zusammengearbeitet, mit RKW, mit KAAN aus Rotterdam und mit Henn Architekten. Wie lief die Zusammenarbeit?

Einer unserer wichtigsten Partner war Henn Architekten, die für den Innenausbau verantwortlich waren. Das zentrale Thema stand schnell fest: Wie macht man aus drei einzelnen Gebäude-Würfeln ein integriertes Haus. Die Idee war der iTrack, der die Teile durch zwei Brücken miteinander verbindet.

Auch die Deckenkunst dient der Verbindung, oder?

Genau, unser Lichtteppich. Die Buchstaben reflektieren Begriffe aus unserer Kommunikationswelt. Für die Deckenkunst und die Signaletik im Haus hat das Designbüro Uebele für uns eine eigene Schrift entworfen. Auch weitere Designelemente betonen die Gemeinsamkeit: der lange Tisch in der Cafeteria, das Sofa im Eingang.

Das orangefarbene Sofa dürfte das längste in München sein.

Womöglich. Vor allem aber drückt es unsere Kultur aus.

Das tut auch, du erwähntest es, die Kunst.

Absolut. Dies ist die private Sammlung von meinem Vater und mir.

Ich kenne auch die Situation in der alten Zentrale noch. Verglichen damit kommt die Kunst hier erstmals richtig zur Geltung.

Ja, ein Riesenunterschied. Hier kann die Kunst durch den Raum atmen und wird durch die Beleuchtung besser inszeniert.

Hier am Standort München befindet sich eure Zentrale. Gab es auch mal die Überlegung, die Zentrale zu verlegen? Nach Berlin oder London zum Beispiel?

Nein. Ich liebe München. Hier ist unser größter Standort. Die Stadt hat viel zu bieten: talentierte junge Menschen, herausragende Universitäten. Auch die hohe Lebensqualität wird immer wichtiger im War for Talents.

Wir sind hier im Kunstpark Ost – dem heutigen Werksviertel. Früher saßt ihr direkt an der Brienner Straße, also noch zentraler. War das intern eine Diskussion?

Nein. Die Frage war eher, ob wir nicht ganz aus der Stadt wegziehen – ins Umland. Klar sind da die Gewerbesteuern niedriger, die Mietkosten auch. Man kann damit viel Geld sparen. Aber wir sind davon schnell weggekommen. Der eigenen Position im Kampf um Talente erweist man damit einen Bärendienst. Kreative Leute, die in der Stadt wohnen, wollen nicht erst mal eine Dreiviertelstunde rausfahren und abends wieder rein. Außerdem glaube ich: Kreative Berufe gehören unter die Menschen. Ich habe nie verstanden, warum zum Beispiel Medienhäuser aus der Stadt rausziehen.

Stimmt, sie sollten sich eher inspirierende Orte suchen und nicht in ihrem eigenen Saft schmoren, auch um nicht nur noch selbstbezogene Mediendiskurse zu führen. Hier im Kunstpark Ost herrscht eindeutig eine kreative Atmosphäre. Dennoch weiß ich, dass ihr euch auch mit anderen Standorten befasst hattet, in München etwa mit dem Karl, einem Neubau von David Chipperfield.

Richtig. Ich hatte das Areal hier zunächst gar nicht auf dem Zettel. Aber es gefiel mir sofort. Wir sind super an den Öffentlichen Nahverkehr angebunden. Wir haben uns auch Schwabing Nord angeschaut, wo etwa Amazon sitzt. Aber da ist es nach Feierabend vergleichsweise menschenleer. Hier im Werksviertel geht es lebendig zu. Das tut dem Agenturleben gut.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Medien. Das Heft können Sie hier bestellen.

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