Katastrophe als Krise

Krisenkommunikation

Am 27. Juli 2021 explodierte ein Tanklager im Entsorgungszentrum Bürrig in Leverkusen. Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass vermutlich eine chemische Reaktion beim Abfall die Ursache war. Sieben Menschen starben. Maximilian Laufer ist seit 2020 Pressesprecher bei Currenta. Das Unternehmen betreibt den Chempark, in dem sich die Explosion ereignete.

Herr Laufer, wo waren Sie in dem Moment, als es im Chemiepark explodierte?

Maximilian Laufer: Ich war zu Hause im Homeoffice in Langenfeld. Das ist etwa 15 Kilometer von der Anlage entfernt. Die Druckwelle war auch dort noch zu spüren. Die Gläser haben im Schrank gewackelt. Dann rief mich die Kollegin an, die Krisenbereitschaft hatte. Sie informierte mich, dass es in unserem Entsorgungszentrum eine Explosion gegeben hatte. Ich setzte mich sofort ins Auto.

Wie schnell schalteten Sie auf Krisenmodus?

Bereits auf der Fahrt gingen erste Medienanfragen ein. Druckwelle, Rauchfahne und Einsatzwagen waren weithin wahrnehmbar. Die Bevölkerung wurde über Sirenen und die Warn-App Nina gewarnt. Ich erinnere mich noch an eine Fußgängerbrücke, unter der ich herfuhr. Da standen Menschen, die sich die Rauchsäule über dem Tanklager anschauten. Es war klar, dass wir es mit einem Großereignis zu tun hatten, das uns als Kommunikatoren besonders herausfordern würde.

Der Krisenstab war schon eingerichtet, bevor Sie im Büro ankamen?

Currenta verfügt über eine hervorragende Kriseninfrastruktur. Wir richteten direkt neben dem Krisenstab mit einem etwa zehnköpfigen Team ein Kommunikationslagezentrum ein, in dem alle Informationen zusammenliefen. Von hier aus koordinierten wir in den nächsten Wochen die Kommunikation nach innen und außen.

Was galt es zu beachten?

Wir wollten ansprechbar sein und das hohe Aufkommen an Anfragen möglichst umfassend beantworten. Das war ein ziemlicher Kraftakt. Wir haben die Außenkommunikation auf ein paar wenige Ansprechpartner gebündelt, die bestmöglich von innen unterstützt wurden. Als Pressesprecher war ich für viele Medienkolleg*innen der erste Ansprechpartner. Für die erste Pressekonferenz richteten wir dann im Besucherempfang in unserer Zentrale in Leverkusen das Medienzentrum ein.

Hielten sich die Journalisten an Absprachen?

Die Zusammenarbeit lief fast immer fair und kollegial. Die Journalist*innen hatten Verständnis, dass der unmittelbare Einsatzort für Medien ein Tabu war. Die Kamerateams haben in der Nähe genügend geeignete Alternativen für Schalten und Aufzeichnungen gefunden.

Nach der Explosion wurden Menschen vermisst. Später wurden insgesamt sieben Tote gefunden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen drei Mitarbeiter*innen. Vor welchen Herausforderungen stehen Sie als Kommunikatoren?

Wir haben von Anfang an erklärt, was vor Ort geschieht, was die Einsatzkräfte gerade tun. Wir arbeiten mit bestätigten Informationen, die gegengecheckt und verifiziert werden müssen. Erst dann können wir zuverlässig kommunizieren. Das führte auch schon mal zu Spannungen, weil es ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit gibt, in einer solchen Lage schnell informiert zu werden. Es muss eben schnell und akkurat zugleich sein – Falschinformationen sind in der Krise Gift. Hinzu kam, dass es bei so einem Ereignis eine Vielzahl weiterer Akteure gibt: Stadt, Polizei, Staatsanwaltschaft, Behörden – das geht weit über die Unternehmenskommunikation hinaus.

Die Explosion hat das Vertrauen der Bürger aus der Umgebung erschüttert. Was tun Sie, um es zurückzugewinnen?

Wir verstehen die Sorgen und Fragen unserer Nachbar*innen. Ihr Vertrauen ist die gesellschaftliche Betriebserlaubnis unserer Standorte. Deshalb ist es wichtig, dass wir alle Entwicklungen und Erkenntnisse vermitteln – und zwar so schnell es geht. Gerade in den ersten Tagen nach dem Ereignis war das eine Riesenherausforderung. Unsere Social-Media-Aktivitäten und die eigens entwickelte Informationsseite www.currenta-info-buerrig.de, die wir kurz nach dem Ereignis eingerichtet haben, waren dazu sehr ­wichtig.

Wie gehen Sie mit verunsicherten Mitarbeitern um?

Auch hier entsteht Vertrauen durch Information. Wir informieren unsere Mitarbeiter*innen über die aktuellen Erkenntnisse vor allem über unsere Mitarbeiter-App. Regelmäßige Videostatements der Geschäftsführung sind ein weiterer wichtiger Bestandteil. Genauso wie regelmäßige Mailings und die stetige Aktualisierung der Informationsseite zum Ereignis.

Und Transparenz reicht aus, um Sicherheit zu geben?

Sicherheit gehört zu unserer Unternehmenskultur. Sie ist die Grundlage für unser unternehmerisches Handeln. Wenn es Fehler gegeben hat, werden wir daraus lernen. Da darf es keinen Zweifel geben. Wir werden offen damit umgehen, weil wir nur so Vertrauen zurückgewinnen können.

Wann sind Sie zuletzt durch den Chemiepark gelaufen?

Unsere Unternehmenszentrale liegt im Herzen des Leverkusener Chemparks. Ich fühle mich da sehr sicher. Auch weil ich weiß und täglich erlebe, wie Sicherheit in unserem Unternehmen gelebt wird. Aber diesen schwarzen Tag wird bei uns keiner vergessen. Das wird unser Unternehmen für immer prägen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #HiddenChampions. Das Heft können Sie hier bestellen.

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