Im Western sind die Spielregeln klar: Der Sheriff gehört zu den Guten. Und die Bösen werden am Ende zur Strecke gebracht – gerne auch im Rahmen eines epischen Shootouts. Im Wirtschaftsleben sind die Dinge aber längst nicht so eindeutig. Zwar gibt es dort auch Staatsanwälte, die sinistre Wirtschaftsbosse jagen. Die Beispiele mehren sich aber, in denen sie dabei maßlos über das Ziel hinaus schießen. Die Vorverurteilungen der betroffenen Unternehmen und Manager durch die Öffentlichkeit nehmen sie dabei gerne in Kauf.
Ende April endete in München der Prozess gegen fünf Top-Manager der Deutschen Bank mit einem Freispruch. Der Shootout blieb aus. Im Gegenteil: Die verantwortliche Oberstaatsanwältin geriet selbst in die Kritik der Medien: Sie habe sich verrannt, sehe den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, neige zu Verschwörungstheorien und sei unfähig zur Korrektur eines einmal eingeschlagenen Irrwegs. Nun hat die Bankenbranche in den Medien nicht gerade den Ruf besonderer Vertrauenswürdigkeit. Wenn die Medien, die sich in diesen Tagen selber gerne als Investigatoren inszenieren, statt den Managern deren Chefankläger ins Visier nehmen, dann lässt das aufhorchen. Denn es ist kein Einzelfall. Die Götter in Schwarz haben in letzter Zeit einige Falten in ihren Roben hinnehmen müssen. Vom Prozess gegen Porsche-Chef Wedeking (Stuttgart) über den Laborunternehmer Schottdorf (Augsburg) bis zum Kunstsammler Gurlitt (München) – in vielen Fällen musste die Staatsanwaltschaften herbe Kritik von den Medien einstecken.
Gefestigte Feindbilder
Nur allzu gern haben sich die schwarzen Jäger in den vergangenen Jahrzehnten als hochspezialisierte und vertrauenerweckende Profis in Sachen Wirtschaftskriminalität inszeniert. Allen voran die Staatsanwälte der „Big Four“ (Bochum, Frankfurt, Stuttgart, München I). Nach der Finanz- und Bankenkrise setzte sich aber gelegentlich der Eindruck durch, dass man es hier eher mit Selbstprofilierung als mit erfolgreicher juristischer Aufarbeitung von wirtschaftlichen Fehlentwicklungen zu tun hat.
Viele PR-Profis können ein Lied davon singen, wie schwierig es ist, gegen das Meinungsdiktat von Staatsanwälten mit „relativ gefestigten Feindbildern“ (Georg Meck, FAZ) anzukämpfen. Es gehört zu den herausragenden Erlebnissen eines Pressesprechers, wenn er einen Dialog mit Journalisten führen muss, die Klageschriften oder Gutachten und deren Bewertung unter dem Mantel der Verschwiegenheit längst von der zuständigen Staatsanwaltschaft bekommen haben. Das Durchstechen solcher Informationen überschreitet die Auskunftspflicht der Ermittlungsbehörden bei weitem – und erinnert mehr an „Angriffsschlachten“ und bewusstes Spiel über die Bande der Medien. Unvergessen ist hier der Fall des Deutsche-Post-Managers Zumwinckel, in dem Kamerateams zur Live-Berichterstattung der Razzia vor das Privathaus bestellt wurden. Hier sollte über die Medien Druck auf Steuersünder ausgeübt werden. Dass mit solchen Aktionen die ganze Finanz- und Wirtschaftselite gleich mit in Sippenhaft öffentlicher Vorverurteilungen genommen wurde, war dabei nachrangig.
Es gehört zu den schwarz-weißen Lebenslügen mancher Staatsanwälte, dass sie das Gute vertreten und in einem Kampf vor Gericht gegen das Böse antreten. Dabei ist ihre Rolle klar definiert: Die Staatsanwaltschaft muss nach §160 StPO nicht nur belastende, sondern auch entlastende Umstände erforschen und diese später gleichermaßen berücksichtigen. Dass hier eine Fürsorgepflicht gegenüber Beschuldigten besteht, scheinen manche völlig zu vergessen. Die Jagd auf Wirtschaftsstraftäter ist ein schwieriges und für das demokratische Miteinander äußerst wichtiges Geschäft. Es erfordert einen klaren Kopf und gewiefte Fachleute, Fingerspitzengefühl im Umgang mit den Medien und Augenmaß in der Wahl der Mittel. Hilfssheriff und Revolverhelden sind hier fehl am Platz. Aber wer weiß: In München hat die Staatsanwaltschaft Revision gegen das Urteil eingelegt. Vielleicht kommt es ja doch noch zum High Noon.