„New Normal“ und die Narrative des Neustarts

Sponsored Article

Die Pandemie will überwunden werden. Wir alle warten darauf. Ungeduldig. Wobei Corona auch für etwas Positives gesorgt hat: Selten gab es so viel Gestaltungswillen wie in der aktuellen Krise. Es wird deutlich, dass wir große Veränderungen wirklich bewirken können, wenn wir nur wollen. Ablesbar ist das aktuell an der Debatte um das „New Normal“. Die Abkehr vom „Weiter so“. Viele Interessengruppen streben einen Neustart an, manche Politiker gar einen „Neustaat“. Was wir uns bewusst machen müssen: All jenen Visionen unterliegen große Erzählmuster. Und jeder, der mit Politik, Produkten, Services oder Innovationen zu tun hat, ist Narrativen ausgesetzt – ob man will oder nicht.

Der Neustart als deutsches Narrativ

Das Narrativ des „Neustart“ übertrifft derzeit die Terminologie der Krise: zum Beispiel in der Diskussion um den Neustart in den Schulen. Oder wenn es darum geht, wieder Zuschauer zu Bundesligaspielen zuzulassen. Unter dem Label „Neustart Kultur“ hat die Bundesregierung ein milliardenschweres Zukunftsprogramm für den Kultur- und Medienbereich aufgelegt. Es liegt auf der Hand: während wir zu Beginn der Pandemie auf Sicht gefahren sind, bedarf es nun Planung und Perspektive für die Zukunft. Eine Änderung der Sichtweise ist angesagt. Dabei wäre es hilfreich, einen Blick auf vergangene Neustarts in diesem Land zu werfen. Wenn es um den Wiederaufbau, das „Auferstehen aus Ruinen“ und die damit verbundenen Narrative geht, sind wir in Deutschland so etwas wie Weltmeister. Das Erzählmuster der Stärke Deutschlands, gestärkt aus der Krise hervorzugehen, prägt uns. Der Bogen dazu lässt sich weit spannen – vom Wunder von Bern über die Wiedervereinigung und die blühenden Landschaften bis zur Wirtschaftskrise. Es könnte so etwas wie das deutsche Narrativ sein.

Wobei der Begriff „Narrativ“ irreführend ist. Er wird in der öffentlichen Debatte manchmal widersprüchlich verwendet. Oftmals bedeutet er einfach „Geschichte“ und wird synonym mit Begriffen wie „Erzählung“ und „Narration“ verwendet. Dementgegen sollten Narrative als das gesehen und verwendet werden, was sie im Grunde sind: sinnvolle, suggestive Erzählmuster. Wir verwenden Narrative als Musteranordnungen oder Schablonen für Inhalt und Form, um etwas in einer Erzählung konkret zu machen.

Die optimale „Flugbahn“ eines Narrativs

An dieser Stelle kommt die Kommunikation ins Spiel. Denn Narrative sind auch Erzählmuster, nach denen wir als Individuen unser Leben ausrichten. Im Gegensatz zu anderen Erzählmustern sind Narrative sinnstiftend, weil sie beeinflussen, wie ein bestimmtes reales Ereignis wahrgenommen und interpretiert wird. Erzählungen dienen als narrative Handlungs-, Beziehungs- und Identitätsmodelle, die Wege und Mittel des vorausschauenden Umgangs miteinander beschreiben. Dieses vorausschauende Merkmal von Erzählungen kann auch als „Trajectory“ – also Flugbahn – einer Erzählung beschrieben werden. Durch Narrative klassifizieren wir nicht nur aktuelle und vergangene Ereignisse, sondern spielen auch mögliche Zukunftsszenarien durch. Etwa das „New Normal“.

Wäre es nicht eine noble und vor allem faszinierende Aufgabe für uns Kommunikationsprofis, die „Trajectory“ des Neuanfangs zu erkennen, quasi zu „enttarnen“? Hier können alle in unserer Disziplin – Theoretiker und Praktiker, Wissenschaftler und Kreative, Digitale und Analoge – zusammen einen echten Zukunftsbeitrag liefern. Wer die zugrundeliegenden Narrative versteht, kann auch mit ihnen arbeiten und sehr schnell erkennen, wenn sich ein Erzählmuster ins Negative dreht. Der Neustart zum „New Normal“ ist bislang noch positiv besetzt und ein Gegen-Narrativ zur Pandemie. Lassen Sie uns daran mitwirken, dass es so bleibt.

 

Weitere Artikel