Seit über zwanzig Jahren werde ich gebeten, Texte zu schreiben oder bestehende Texte zu redigieren. Ich habe Reden und Beiträge analysiert und bewertet (hier zum Beispiel) sowie Gutachten für Publikationen und Loseblattsammlungen erstellt. In meinen Schreibwerkstatt-Seminaren und Schulungen zum Thema „Journalistisches Schreiben“ fragen Teilnehmerinnen und Teilnehmer regelmäßig mich und – was ich immer sehr begrüße – auch untereinander nach Rückmeldung zu ihren Texten. Sie wollen wissen, wie ihre Beiträge auf andere Menschen wirken, ob die formulierte Botschaft ankommt, ob Außenstehende den Inhalt verstehen und Argumentationen nachvollziehen können.
Und wenn sie dann zu hören bekommen: „Ich verstehe nicht, was du mir sagen willst“, dann mag die Enttäuschung im ersten Moment groß sein, aber im Ergebnis stellen wir dann immer wieder fest: Feedback ist etwas Herrliches. Es bewahrt uns vor desaströsen Kommunikations-Erlebnissen und -Ergebnissen. Einfach weil mir rechtzeitig jemand sagt: So nicht!
Und selbst wenn der Text schon verbreitet, die Rede schon gehalten und das Interview schon gegeben ist, kann ein (auch kritisches) Feedback mir im Nachhinein helfen, es beim nächsten Mal besser zu machen. Frei nach dem Motto aus dem Empfehlungsmarketing: „Wenn Sie zufrieden waren, sagen Sie es weiter. Wenn nicht, sagen Sie es mir.“
Damit das klappt, muss man wissen, was Feedback ist und wie es funktioniert. Denn das ist vielen gar nicht klar. Ich habe selbst schon die Erfahrung gemacht, dass man mich um Analyse (= Zerlegen) eines Textes oder um Feedback zu einer Rede gebeten hat, in Wirklichkeit aber wohl vor allem auf Bestätigung und Bauchpinseln aus war. Das wäre dann aber kein Feedback.
Was Feedback ist – und was nicht
Ein gutes Feedback erfüllt mindestens drei Kriterien: Es ist persönlich-subjektiv, sachlich-ehrlich und konstruktiv-kritisch (an dieser Stelle wird bestimmt jemand sagen, dass das falsch sei – aber dazu später mehr).
1. Persönlich und subjektiv
Ein Feedback ist immer eine Ich-Botschaft. Es heißt also nicht „Hier hast du etwas falsch gemacht“ oder „Das ist so nicht gut“, sondern immer „Ich finde das gut …“ oder „Mich spricht das nicht an …“ oder „An dieser Stelle verstehe ich den Übergang im Text nicht …“. Feedback gibt keine Fakten oder Allgemeinbotschaften wieder, sondern die jeweils eigene persönliche Sicht der Betrachter, die ich um ihre Meinungen bitte.
Und damit sind wir bei des ersten Kriteriums zweitem Teil: Ein Feedback ist eine Meinung. Es ist keine Wahrheit, die verkündet wird. Darum kann ich einen Text drei Leuten zum Lesen geben und drei unterschiedliche Bewertungen erhalten. Darum sind sich auch Juroren von Politiker- oder Unternehmer-Reden und selbst Gutachter bei Gericht nicht immer einig. Das liegt in der Natur menschlich-subjektiver Eindrücke und Schlussfolgerungen, die ich mit einem Feedback abfrage. Das ist kein Beinbruch. Ich muss nur damit umgehen können. Was uns zum zweiten Punkt führt:
2. Sachlich und ehrlich
Klar freue ich mich, wenn mir Menschen sagen oder schreiben, dass sie meine Texte für ganz große Kunst und absolut lesenswert halten. Ich freue mich aber auch, wenn mir jemand sagt: „An dieser einen Stelle, das würde ich anders schreiben“ oder „Ich finde, hier springst Du im Text, da kann ich nicht folgen“. Das ist doch klasse, dass mir jemand sagt, wenn es etwas zu verbessern gibt und mich nicht im Unklaren oder noch schlimmer selbstverliebt und betriebsblind, wie ich bin, ins Verderben laufen lässt.
Auch ein negatives oder kritisches Feedback ist keine Kritik an der Person. Ich bin kein schlechter Mensch, nur weil mir Rezipienten sagen, dass sie meinen Redeauftritt oder meinen Textbeitrag für nicht gelungen halten. Feedback bezieht sich immer auf die Sache. Darum darf – und muss! – ich auch jemand Befreundetem sagen, dass bei aller persönlichen Freundschaft an dieser oder jener Stelle in der Sache noch Verbesserungspotenzial steckt. Die Auseinandersetzung in der Sache (bedeutet übrigens dasselbe wie Analyse: Auseinandernehmen, Zerlegen und Betrachten in allen Einzelheiten) darf dem persönlichen Miteinander nicht schaden. Sollte das dennoch die Gefahr sein – und auch das ist zutiefst menschlich –, dann am besten jemand anderen um ein Feedback bitten.
3. Kritisch, aber konstruktiv
Dass ein Feedback in der Sache zum Zerwürfnis im Persönlichen führt, passiert ja vor allem dann, wenn die erbetene Rückmeldung – allen gesteckten Erwartungen zum Trotz – nicht mit Jubeltönen und Hymneklängen aufmarschiert, sondern mit vielleicht unerwarteter Kritik. Die darf auch mal sprachlich zugespitzt sein (das muss ich hier schreiben, weil meine eigenen Analysen und Bewertungen gerne mal etwas feuilletonistisch zugespitzt daherkommen), ist aber umso leichter verdaulich, je besser sie mit nachvollziehbaren Begründungen und konstruktiven Vorschlägen gewürzt ist.
Und so sage und schreibe ich dann auch schon mal, dass die Wirkung einer Rede verpufft, weil der entscheidende Satz zu lang ist oder der Redner beim Auftritt die Nachdenkpause fürs Publikum vergessen hat. Ich zeige auch meinen Seminar-Teilnehmern, an welchen Stellen ihre Texte vielleicht etwas verquast wirken und wie man die Sätze umstellen und dadurch die Botschaften aus meiner Sicht klarer machen kann. Noch besser – ich habe es oben schon geschrieben – finde ich es, wenn die Teilnehmer(innen) sich untereinander Feedback zu ihren Texten geben und dann gemeinsam an Verbesserungen arbeiten. Das geschieht meist in einer guten Arbeitsatmosphäre und mit einem extrem freundlichen Umgangston. Beleidigte habe ich dabei noch nicht erlebt, immer nur sehr Dankbare, die etwas für sich und ihre Arbeit am Text mitnehmen konnten.
So verstehe ich ein richtiges Feedback. Das ist natürlich keine verbriefte Wahrheit, sondern meine persönliche Sicht. Andere mögen es anders sehen oder meine Formulierungen verbessern, verschönern oder verständlicher machen wollen. Sehr gerne, ich freue mich über Feedback!