Mit diesem Beitrag starten wir unsere neue Kolumne „Diversity Insights“, die ab jetzt mit Beiträgen wechselnden Autor*innen erscheint. Die Kolumne beleuchtet die vielfältigen Facetten des Themenbereichs Diversity, Equity and Inclusion (DEI) und bietet verschiedenen Perspektiven einen Raum.
Viele Unternehmen haben sich vorgenommen, diverser zu werden. Sie wollen Mitarbeitenden einen Ort bieten, in dem sie diskriminierungsfrei arbeiten und somit ihr Potenzial voll ausschöpfen können. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Was sind typische Vorbehalte, Hemmnisse und Schwierigkeiten? In diesem Kolumnenbeitrag beleuchte ich die klassischen Hürden auf dem Weg zu mehr Diversity & Inclusion in Unternehmen und führe Erklärungsansätze an, die helfen sollen, diese zu überwinden.
D&I − das sind doch Frauenförderung und Pride-Month-Aktivitäten?
Viele Unternehmen werden sichtbar, wenn sie sich im Juni für geschlechtliche Vielfalt in ihrer Kommunikation einsetzen. Sie kooperieren mit CSD-Paraden, zeigen LGBTIQ-Initiativen und flaggen die Kommunikation in Regenbogenfarben. Das sind sichtbare Zeichen einer Haltungskommunikation, die wichtig sind, aber nur einen Teil zeigen. Schauen wir uns einmal die Begriffe genauer an: Diversity im Unternehmenskontext beschreibt die Vielfältigkeit der Belegschaft. Dabei geht es um viele Dimensionen und Faktoren. Inclusion ist das aktive Engagement der Organisation, ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem alle Mitarbeitenden erfolgreich zusammenarbeiten können. Wir haben es also mit einem Konzept zu tun, das die gesamte Belegschaft im Blick hat. In den USA hat sich zudem der Begriff „Belonging“ etabliert. Er beschreibt das Zugehörigkeitsgefühl von Mitarbeitenden zum Arbeitgeber und basiert auf den sozialen Grundbedürfnissen der Gruppenzugehörigkeit, Selbstwirksamkeit und Orientierung. Wer bereits länger im Berufsleben steht, kann sich selbst einmal fragen: Wie stark war das Belonging in verschiedenen Arbeitsstationen? Vermutlich unterschiedlich. Jeder Arbeitgeber sollte großen Wert darauf legen, dass gute Mitarbeitende bleiben wollen.
Warum D&I − Haben wir nicht wichtigere Themen?
Welches sind die drängendsten Themen in der Wirtschaft? Neben Inflation, Energiefragen und gesamtwirtschaftlicher Entwicklung wird der Fachkräftemangel angeführt. Hier sind wir beim Thema D&I. Wie halte ich Leistungsträger:innen, wie finde ich Mitarbeitende und fördere sie, wie arbeite ich erfolgreich in diversen Teams? Auf diese Fragen können wir mit professionellen D&I-Strategien und -Maßnahmen Antworten finden. Diversitätssensible Unternehmen sind wirtschaftlich erfolgreicher, haben eine größere Innovationskraft und sind attraktiver für viele Stakeholder, das belegen Studien. Wenn man genau in die aktuellen Geschäfts-, Nachhaltigkeits- und Kommunikationsstrategien schaut, findet man in jedem Unternehmen Ansatzpunkte, die D&I-Maßnahmen erfordern.
Wir sind eher traditionell aufgestellt und noch nicht so weit.
Einige Unternehmen sagen hinter vorgehaltener Hand: Wir sind eigentlich noch nicht so divers, wie wir gerne wären. Das mag stimmen, aber ist manchmal zu verkürzt gedacht. Haben Sie jüngere und erfahrene Mitarbeitende im Unternehmen? Ja. Arbeiten Sie international? Natürlich. Gibt es Mitarbeitende, die sich aus schwierigen Verhältnissen hoch gearbeitet haben? Mit Sicherheit. Sind Menschen nach Krankheiten wieder gut im Unternehmen angekommen? Die gibt es. Arbeiten bei Ihnen extrovertierte und introvertierte Personen in Teams gut zusammen? Diversität ist so vielfältig, wie die Menschen selbst. Eine Beschäftigung mit den Dimensionen von Vielfalt macht deutlich: In jedem Unternehmen gibt es Ansatzpunkte, etwas für D&I zu tun, individuelle Geschichten zu erzählen und (auch kleinere) Vielfaltsaspekte zu fördern.
D&I − das betrifft mich als Mitarbeiter nicht.
Dimensionen der Vielfalt © Annika Schach 2022
Die Denkweise, dass D&I sich an marginalisierte Gruppen richtet, greift zu kurz. Dann kommt es oft zu der Frage: What’s in it for me? Haben D&I-Strategien Nachteile für mich selbst? Daher ist es empfehlenswert, D&I-Strategien auf die Einzigartigkeit jeder Person auszulegen. Die Wertschätzung der Unterschiedlichkeit als Stärke sollte kommunikativ leitend sein. Ein Beispiel: Das Unternehmen Beiersdorf kommuniziert D&I-Aktivitäten unter dem Claim: „We care for your uniqueness“. Als Icon wird ein Fingerabdruck verwendet, der sehr gut die Einzigartigkeit jedes Menschen symbolisiert. Gute interne Kommunikation, Partizipation, Debattenfähigkeit im Unternehmen: Das sind die Erfolgsfaktoren für gelingende D&I-Aktivitäten.
Übergreifende Strategie entwickeln oder in Projekten starten?
Selbstverständlich ist es sinnvoll, durch eine umfassende Analyse und Strategie die geeigneten D&I-Maßnahmen für das Unternehmen zu entwickeln. Da dieser Unternehmensbereich oft strukturell noch nicht angelegt ist, es noch kein professionelles D&I-Management gibt oder Personen aus HR, Kommunikation und Strategie in Arbeitsgruppen das Thema treiben, kann das Bessere oftmals der Feind des Guten sein. Heißt: Kleinere Projekte, Initiativen von Mitarbeitenden oder einzelne Ideen für mehr Inklusion im Unternehmen sollten nicht ausgebremst werden − auch wenn es noch keine umfassende Strategie gibt. Dann braucht es für den Boost nur noch das Commitment der Führung, dieses Zukunftsthema als wichtig zu erachten und zu unterstützen.
In ihrem aktuellen Buch „Diversity & Inclusion in Strategie und Kommunikation“ beschäftigt sich Annika Schach mit den vielfältigen Dimensionen des Themenbereichs Diversität und Inklusion, von den Grundlagen über Strategie und Maßnahmen bis zur Unternehmenskommunikation.