Der Weg zur inklusiven Sprache

Kommunikationsmanagement

Anfang Oktober fand eine DPRG-Onlineveranstaltung zum Thema „Geschlechtergerechte Sprache in der Unternehmenskommunikation“ statt. Ein Nischenthema, möchte man meinen. Die Veranstaltung fand jedoch einen enormen Zuspruch. Etwa 190 Menschen aus Unternehmen, Beratungen und Hochschulen sowie Selbstständige diskutierten mit. Auch auf dem Kommunikationskongress zeigten Gespräche, dass dieses Thema viele umtreibt.

Wir alle erleben, dass Sprache sehr sensibel wahrgenommen wird. Missglückte Formulierungen führen zu Kritik in den Sozialen Netzwerken. Obwohl es häufig nur kleine Änderungen in der Ausdrucksform sind, ist das Thema sehr kontrovers. Denn: Anders als zum Beispiel im Corporate Design betrifft die Sprache nahezu alle Mitarbeitenden im Unternehmen. Und jeder hat eine Meinung dazu, denn es geht um eine individuelle und persönliche Ausdrucksform. Die Emotionalität des Themas konnte ich bei der Umsetzung der neuen Empfehlungen für gendergerechte Sprache mit dem Gendersternchen in der Landeshauptstadt Hannover selbst erleben.

Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem Unternehmen auf folgende Fragen für sich eine Antwort finden müssen: Wie wollen wir unsere Stakeholder angemessen adressieren, und welche Wirkung erzielen wir mit unserer Sprache? Jede Organisation sollte sich mit dem Thema professionell und ideologiefrei auseinandersetzen – unabhängig davon, welche Entscheidung letztendlich getroffen wird. Dabei geht es um weit mehr als um Gendersternchen, Doppelpunkt oder Beidnennung. Das Ziel von Kommunikation sollte immer sein, dass die Zielgruppen einen verstehen. Zugleich sollte die Sprache in einem Unternehmen Diskriminierungen und Stereotype vermeiden. Der hier vorgestellte Prozess zeigt auf, wie man sich im Sinne eines strukturierten Kommunikationsmanagements mit dem Thema befassen kann.

Corporate Language Change (CLC)

Der Ansatz des hier vorgestellten Corporate-Language-Change (CLC)-Modells ist eine Vorlage für eine systematische Beschäftigung mit dem Thema geschlechtergerechter, aber auch inklusiver und diskriminierungsfreier Sprache – entstanden aus der Erfahrung und Reflexion mit der kommunikativen Begleitung. Er zeichnet den Weg von der Analyse bis zur Umsetzung auf.

1. Grundsätzliche Auseinandersetzung: Wissensbasis und Analyse

Zu Beginn bedarf es einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit dem Thema Sprache im Unternehmen. Sprachwandel vollzieht sich in der Gemeinschaft der Sprachteilnehmenden, das gilt auch für Organisationen. Es wird immer unterschiedliche Meinungen und Vorlieben geben. Um ins Gespräch zu kommen, sollte zunächst durch eine externe Einordnung eine Wissensbasis aufgebaut werden (Externer Impuls). Es ist wichtig, alle relevanten internen Akteure einzubeziehen und einen Überblick über den aktuellen Stand des Unternehmens zu ermitteln.

Gibt es beispielsweise schon Richtlinien oder einen gelebten Umgang mit dem Thema im Unternehmen? Darüber hinaus hilft ein Blick auf den Marktkontext, den Wettbewerb und externe Stakeholder einer Positionsbestimmung (Stakeholder und Status quo). Entscheidend ist, die Bereitschaft zum Wandel bei der Unternehmensführung, aber auch bei Führungskräften und Mitarbeitenden einzuschätzen. Eine wichtige Schablone für die Entscheidungsfindung ist dabei der Abgleich mit Unternehmenszielen und -werten (Audit).

2. Der individuelle Weg: Entscheidungsfindung

Erst in der zweiten Phase kann ein individuelles Konzept zum diskriminierungsfreien Umgang mit Sprache entwickelt werden, das gleichermaßen eine Storyline beziehungsweise Argumentation formuliert und in individuellen Sprachempfehlungen münden kann. Dies muss nicht eine konkrete verbindliche Gender-Richtlinie sein, sondern kann auch eine allgemeine Positionierung oder Haltung kommunizieren.

Jede Form zur Vermeidung des generischen Maskulinums als Norm hat ihre Vor- und Nachteile. Die Beidnennung bedeutet beispielsweise mehr Text, der Genderstern wird für die Sichtbarmachung des „dritten Geschlechts“ favorisiert und der Doppelpunkt ist lesefreundlicher, hat aber eigentlich in der deutschen Orthografie eine andere Bedeutung. Man muss sich außerdem entscheiden, in welcher Form man eine Sprachumstellung kommuniziert: als proaktiven Kommunikationsanlass des gesamten Unternehmens, als Pilotprojekt oder als sanften Übergang.


Das Corporate-Language-Change (CLC)-Modell zeigt auf, wie die Einführung und Umsetzung einer geschlechtergerechten Sprache in der Unternehmenskommunikation gelingt.

Das Corporate-Language-Change (CLC)-Modell zeigt auf, wie die Einführung und Umsetzung einer geschlechtergerechten Sprache in der Unternehmenskommunikation gelingt.


3. How to: Information und Enabling

Ein wesentlicher Aspekt eines Wandels in der Unternehmenssprache sind Schulungen und Beratung, also die Befähigung von Mitarbeitenden, die Alternativen in Formulierungen anzuwenden. Auch die Definition von Rollen und Aufgaben ist in einem Sprachwandelprojekt sehr empfehlenswert. Hier sollte die Unternehmenskommunikation Vorbild sein, aber bestenfalls auch Mitarbeitende einbeziehen, die den Prozess treiben. Begleitend kann eine transparente interne Kommunikation Vorbehalte und Unsicherheiten nehmen, die wahrscheinlich sind. Wichtig ist besonders: das Aufzeigen des „Reason Why“, also die Gründe und Argumente für eine Umstellung deutlich zu machen.

4. Der Launch: Implementierung und Kommunikation

In der vierten Phase erfolgen die Umsetzung in den definierten Kanälen sowie eine permanente Evaluation und Weiterentwicklung. Sprache ist lebendig, der Sprachalltag komplexer, als es Empfehlungen abbilden können. Parallel ist es in jedem Fall empfehlenswert, die externe Kommunikation gut vorzubereiten. Die Kommunikation sollte alle Stakeholder und Kanäle berücksichtigen und sich auch auf kritische Stimmen argumentativ vorbereiten (Issues- und Krisenmanagement). Ein gut funktionierendes digitales Community-Management ist hier die Voraussetzung (Digitale Reputation).

Zu einer Prognose, in welcher Form sich gendergerechte Sprache durchsetzen wird, lassen sich auch die Expert*innen nicht hinreißen. Zu bedenken ist: Je stärker sich die Sprache vom generischen Maskulinum als Norm entfernt, desto weniger wird die Formulierung „generisches Maskulinum“ als geschlechtsübergreifend verstanden.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe DIVERSITY. Das Heft können Sie hier bestellen.

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