Versicherungs-CEOs unter Digitalisierungsdruck

Kolumne: CEO-Zweikampf

Die beiden Männer könnten unterschiedlicher kaum sein: Seit seinem Antritt im Mai vergangenen Jahres präsentiert sich Allianz-Chef Oliver Bäte als Veränderer und unermüdlicher Antreiber. Geradezu einen „missionarischen Eifer“, beobachtet das Manager Magazin. Die Digitalisierung sieht Bäte als Zäsur für das 126 Jahre alte Unternehmen. In seiner neuen Strategie bleibt deshalb kein Stein auf dem anderen. Auch äußerlich markiert Bäte diesen Umbruch: Auf der Hauptversammlung präsentierte er sich in roten Sneakers zum modisch geschnittenen Anzug – in der bis heute konservativen Versicherungsbranche war das eine kleine Revolution. „Der neue Allianz-Chef liebt den großen Auftritt, anders als der fast Reh-scheue Hintergründler Michael Diekmann“, beobachtete der frühere Handelsblatt-Chefredakteur Bernd Ziesemer.

Fast wie der komplette Gegenentwurf wirkt dagegen Münchener Rück-Chef Nikolaus von Bomhard. „Runde Brille, hohe Stirn, leise, eindringliche Stimme, keine Skandale, keine Gehaltsexzesse – das Sinnbild des seriösen deutschen Topmanagers“ So beschreibt das gleiche Magazin von Bomhard, der seit zwölf Jahren an der Spitze des größten Rückversicherers der Welt steht und im April seinen Posten an den Vorstandskollegen Joachim Wenning abgibt. Während Bäte die Disruption und Veränderung zum Markenzeichen seines Führungsstil gemacht hat, steht von Bomhard für eine Politik der „ruhigen Hand“. Die Anlagepolitik seines Hauses bezeichnet er selbst als „stockkkonservativ“.

Doch so unterschiedlich die beiden Manager sind, sie kämpfen mit den gleichen Problemen. Die anhaltende Niedrigzinsphase droht die bewährten Geschäftsmodelle auszuhebeln, weil mit den eingelegten Kundengeldern keine Rendite mehr zu erwirtschaften ist. „Fassungslos und entsetzt“ sei er über die Geldpolitik von EZB-Chef Draghi, erklärt von Bomhard. Von einem „brutalen Druck“ spricht Bäte. Gleichzeitig bereiten sich von den großen Internetkonzernen wie Google bis zu Fintech-Startups darauf vor, die Geschäfte der Versicherer anzugreifen. Die Branche, die in der Vergangenheit nicht gerade durch Veränderungswillen und Agilität aufgefallen ist, steht vor einem Umbruch.

Wie ist ihr Bild in der Öffentlichkeit?

Durch ihre Positionierung bieten die beiden Manager zwei komplett unterschiedliche Antworten auf diese Herausforderungen. Von Bomhard präsentiert sich als personifizierte Seriosität. Dem aus Gunzenhausen in Mittelfranken stammende Topmanager ist jede Art von Selbstdarstellung fremd. Er sehe sich als „erster Diener des Unternehmens“, wie er es einmal fast preußisch formulierte. Dass er gelegentlich mit dem Fahrrad statt mit der Dienstlimousine ins Büro fährt, wirkt da schon fast abenteuerlich. Das Signal, das von Bomhard an Investoren wie Mitarbeiter sendet: Ich stehe für die Kontinuität einer Traditionsbranche, die alle Herausforderungen überstehen wird.

Genau gegensätzlich positioniert sich Bäte. Der 51 Jahre alte frühere McKinsey-Partner hat in dem Münchener Konzern mit seinen 142.000 Mitarbeitern so viele Veränderungen losgetreten, dass Medien bereits vom „größten Versuchslabor der Republik“ schreiben.

„Allianz goes Google“ titelte ein Wirtschaftsmagazin und machte sich über Bätes amerikanischen Management-Stil lustig. „Bei aller Umtriebigkeit und Gestaltungskraft haftet Bäte allerdings auch etwas Unstetes und Sprunghaftes an“, schreibt die Wirtschaftswoche. Die Süddeutsche Zeitung berichtet über „wachsende Spannungen“ im Verhältnis zwischen Zentrale und den bislang mächtigen Landesgesellschaften, die unter Bäte um ihren Einfluss fürchten. Trotzdem sendet der Allianz-Chef mit seiner Positionierung eine klare Botschaft: In einer Branche, die durch die Digitalisierung vor einem radikalen Umbruch steht, bin ich der Mann, der die Allianz erfolgreich durch diese Veränderung führt.

Wer hat die bessere Medienpräsenz?

Wenn der Vorstandsvorsitzende der Allianz oder der Münchener Rück sich äußert, hat das in den deutschen Medien nach wie vor Gewicht. Beide haben keine Probleme, mit ihren Botschaften durchzudringen. Im aktuellen Medienpräsenzranking des CEO Communication Monitor des ersten Halbjahres liegen sie im oberen Drittel (Bäte Platz 18; von Bomhard Platz 24). Allerdings ist die Tonalität der Berichterstattung über den Allianz-Chef etwas negativer.

Im Gegensatz zu von Bomhard versucht Bäte eine deutlich breitere Zielgruppe zu erreichen: So kann man in der Bunte über Promi-Feste mit dem Allianz-Chef auf Sylt lesen. Im Frühjahr gab Bäte einem Youtuber ein Exklusivinterview. Noch schlägt sich diese Strategie allerdings nicht in den Imagewerten nieder. Im CEO-Image Ranking des Manager Magazins liegt von Bomhard mit Platz 11 noch klar vor Bäte (Platz 64).

Wo treten sie auf?

Die konservative Positionierungsstrategie von Bomhards zeigt sich auch in seinen Auftritten. Den Münchener Rück-Chef sieht man neben den üblichen Branchentreffen bei renommierten Veranstaltungen wie dem Convoco Forum im Salzburger Mozarteum, der Münchener Sicherheitskonferenz, dem Welt-Wirtschaftsgipfel und am Rande des Weltwirtschaftsforums in Davos. Auch bei einer CSU-Klausurtagung stand der Manager als Redner auf dem Programm.

Allianz-Chef Bäte nutzt ähnliche Anlässe für externe Auftritte, unterstreicht aber auch seine Positionierung als digitaler Stratege. Auf der diesjährigen Cebit war der Versicherungsmanager einer der Keynote-Speaker. 

Wer berät sie?

Fast ein Vierteljahrhundert steuerte bei der Allianz Emilio Galli Zugaro die Unternehmenskommunikation und auch die Positionierung gleich mehrerer CEOs – kein anderer Kommunikator eines Dax-Konzerns hat das zuletzt geschafft. Seit einem Jahr setzt Bäte setzt auf eine Frau als oberste Kommunikatorin: Sabia Schwarzer, zuvor für den Konzern in den USA und Asien tätig. Auch sonst holt sich der Allianz-Chef gerne Rat: Die Beratertrupps von McKinsey sind Berichten zufolge in der Zentrale unübersehbar. Der Internet-Milliardär Oliver Samwer unterstützt öffentlichkeitswirksam bei Digitalisierungsfragen. Der Allianz-Chef ist zudem Mitglied in dem verschwiegenen Netzwerk der Similauner und zählt dort Kasper Rorsted zu seinen engeren Gesprächspartnern. Beide sitzen auch im Kuratorium der Baden-Badener Unternehmergespräche.

Nicht in die Karten schauen lässt sich dagegen Nikolaus von Bomhard, dessen Kommunikationschef seit 2008 Christian Lawrence ist. Über weitere Berater wird, wie im Konzern üblich, diskret geschwiegen.

Bisheriger Höhepunkt?

„Einen besseren Start hätte sich Oliver Bäte an der Spitze des Allianz-Konzerns kaum wünschen können“, schrieb die Süddeutsche Zeitung vor kurzem. Die Aussage bezog sich zwar vor allem auf die aktuellen Geschäftszahlen: Trotz der Marktturbulenzen wird Oliver Bäte mit der Allianz voraussichtlich einen ordentlichen Jahresgewinn abliefern. Er kann jedoch insgesamt zufrieden sein, weil ihm die guten Konzernzahlen die nötige Ruhe für den Umbau verschaffen. In der noch jungen CEO-Karriere ist das durchaus ein Höhepunkt.

Für von Bomhards Karriere ist es schwer, den einen Höhepunkt zu benennen. Seine langjährige Position als einer der angesehensten DAX-Chefs ist vielleicht seine größte Leistung.   

Bisheriger Tiefpunkt?

Der Tiefpunkt hat bei von Bomhard vier Buchstaben: Ergo. Obwohl er den Gesamtkonzern mehr als eine Dekade erfolgreich führte, scheiterte seine Politik der ruhigen Hand bei der Erstversicherungstochter Ergo. Trotz zahlreicher Reformbemühungen sind die Kosten zu hoch und der Gewinnbeitrag zum Gesamtkonzern zu klein.

Bäte: Bisher hat der Allianz-Chef sich keinen offensichtlichen Fehltritt geleistet.

Sieger im CEO-Zweikampf…

…ist Oliver Bäte, wenn auch nur mit sehr geringem Abstand. Beide CEOs sind für ihre Aufgaben und Konzerne gut positioniert: Von Bomhard als erfolgreicher Bewahrer, der für die Seriosität und Vertrauenswürdigkeit der Rückversicherungsbranche steht. Bäte als mutiger Veränderer, der Deutschlands derzeit wichtigsten Finanzkonzern für die Veränderungen durch die Digitalisierung fit macht.

Eine zurückhaltende „Weiter so“-Positionierung des neuen Allianz-Chefs wäre für den Versicherungskonzern sicher die falsche Option gewesen. Bäte soll und muss die Allianz verändern, dafür darf er den Konzern auch ein bisschen vor sich hertreiben. Allerdings muss er aufpassen, dass er dabei nicht übersteuert und die Mitarbeiter verliert. Von Bomhard kann bei der Münchener Rück auf eine beachtliche Lebensleistung zurückblicken, hinterlässt aber auch einen Konzern mit vielen Baustellen.

 

Weitere Artikel