Schlesinger tappt in die Fotofalle

RBB-Krise

Die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger hat der „Zeit“ ein ausführliches Interview gegeben. „Ich habe die Wut der Leute unterschätzt“, lautet die Überschrift des Gesprächs. Bebildert sind die Print und Online-Version mit zwei Fotos. „Patricia Schlesinger, 61, fotografiert am 1. September 2022 in Berlin“ ist die Bildunterschrift des Aufmacherfotos, das vor der Bezahlschranke steht, weshalb es auch bei der Google-Suche und bei der Verlinkung in sozialen Netzwerken wie Twitter erscheint.

Das Foto entstand während des Gesprächs. Die Interviewte musste also damit rechnen, dass der Fotograf auch Motive aufnimmt, die sie nicht im besten Licht erscheinen lassen. Die finale Fotoauswahl trifft die Redaktion. Will man als interviewte Person unvorteilhafte Bilder vermeiden und eine Botschaft senden, muss man über längere Zeit Gestik und Mimik unter Kontrolle haben und wissen, wie man Inhalte mithilfe der Körpersprache akzentuiert. Dafür gibt es Medientrainings.

Schlesinger ist in den Augen der Öffentlichkeit in den vergangenen Wochen von der RBB-Intendantin zu einer Persona non grata geworden. Die Berliner Generalstaatsanwaltschaft ermittelt gegen sie. Der RBB hat sich von ihr distanziert genauso wie die Führung der ARD. Finanziell dürfte sie weich landen. Ihr Image ist dafür stark beschädigt.

Viele der Vorwürfe haben etwas mit Luxus zu tun: der Audi 8 mit Chauffeur auch für private Fahrten, die teilweise recht kostspieligen Dinner bei ihr Zuhause, die teure Büroausstattung, Massagesessel und Massagesitze, die Bonuszahlungen und das Gehalt von mehr als 300.000 Euro jährlich – der öffentliche Eindruck ist, dass Schlesinger richtig abkassieren und es sich gut gehen lassen wollte. Über Beziehungen sollte auch ihr Mann nicht zu kurz kommen, so ein Vorwurf.

Vermeintlich bodenständig

Medien sind nicht frei davon, einen Spin erzeugen und ein bestimmtes Bild von einer Person kreieren zu wollen. Die Clickbaiting-Mechanik erfordert Zuspitzung. Man überzieht. Würde man als Redaktion weit verbreitete Assoziationen mit Schlesinger noch einmal betonen wollen, sucht man ein Motiv, das die frühere Journalistin eher als luxusorientierte Abkassiererin denn als altruistische Person mit Helfersyndrom aussehen lässt. Um die Vorwürfe der Ausrichtung der beruflichen Tätigkeit am persönlichen Vorteil nicht weiter zu unterstreichen, wäre es wiederum die Aufgabe Schlesingers und die ihrer Berater oder ihres Medienanwalts, darauf zu achten, eben nicht als kalkulierende High-Society-Lady auf aktuellen Fotos aufzutauchen – es sei denn, der Eindruck ist gewollt.

Das scheint nicht der Fall zu sein. Offenbar sollte das Gespräch Bescheidenheit vermitteln. Für das Interview hatte sich Schlesinger eine schöne kleine Anekdote zurechtgelegt. „Was bedeutet Luxus für Sie?“, fragten die „Zeit“-Interviewer. Schlesinger: „Muss nicht sein. Ich bin aufgewachsen mit dem Satz: ‚Fühl dich in der Jugendherberge wohl, und wisse, wie du dich im Fünfsternehotel zu benehmen hast.‘” Total down-to-earth.

Patricia Schlesinger in der "Zeit"© Screenshot "E-Paper"/Gene Glover für "Die Zeit"
Schlesinger in der Zeit© Screenshot E PaperGene Glover für Die Zeit

Die Bildsprache des Interviews zeigt das Gegenteil. Zu sehen ist eine leicht neben die Kamera blickende Patricia Schlesinger, die mit dem auf dem Ledersofa abgelegten Arm den Eindruck erweckt, als ob sie alles unter Kontrolle hat und maximal kalkuliert vorgeht. Fotografieren ließ sie sich als taffe und berechnende Business-Frau, die alles tun würde, um ein Ziel zu erreichen. „Jetzt gucken Sie mal wie nach einem erfolgreich vertuschten Mord – ja genau so danke“, twitterte der Journalist und Kommunikationsberater Hendrik Wieduwilt anlässlich des Fotos.

Das Bild konterkariert die Ausrichtung des Gesprächs, in dem Schlesinger vor allem versucht zu betonen, dass ihr übel mitgespielt wurde, weil Informationen durch Durchstechereien an die Öffentlichkeit gelangt seien. Es ist die Opferrolle gepaart mit Ablenkung. Hinzu kommt die in der Krisenkommunikation von bekannten Persönlichkeiten – siehe Boris Becker und Fynn Kliemann – oft verwendete Strategie, dass sie sich gar nicht um alles hätte kümmern können, weil sie Wichtigeres zu tun hatte. Keine Zeit, zu viel Arbeit. Stets im Einsatz für den RBB und die Gebührenzahler.

Der Massagesessel im Büro war halt da, weil „in der Intendanz zwei Menschen Bandscheibenvorfälle hatten und sich aber sehr schnell wieder ins Büro gesetzt haben“. Die Massagesitze im Auto hätte sie nie gebraucht: „Überflüssiger Klimbim“. Der präferierte Holzboden im Büro wurde unverhofft zu einem italienischen Eichenparkett. Hinzu kommt die schon bekannte Wortakrobatik, dass die Networking-Dinner bei ihr zuhause stattgefunden hätten, um Kosten zu sparen, obwohl längst Belege aufgetaucht sind, dass Ausflüge in Berliner Szenerestaurants nicht teurer gewesen wären.

Kommunikationsberater Hasso Mansfeld assoziiert mit dem Aufmacherfoto noch etwas anderes: „Das Bild zeigt eine Pose. Es ist das Genre-Bild der Femme fatale. In lässiger Körperhaltung versucht sie, den Eindruck zu geben, Herrin der Lage zu sein“, sagt er. Eine Mitverantwortung für das missglückte Foto sieht er bei Schlesingers Beratern. „Offenbar wurde sie von denen, die ihr zur Seite stehen, in der Opferrolle bestärkt. Dabei wäre genau das Gegenteil erforderlich gewesen. Nicht Extroversion, sondern Introversion hätte auf das Bild gemusst: eine nachdenkliche, in sich gekehrte Frau, die gerade prüft, an welcher Stelle sie die Fehler gemacht hat.“ Mansfeld sieht in dem Foto einen untauglichen „Versuch, die Selbstachtung nach all den negativen Dingen aufrechtzuerhalten, die über sie hereingebrochen sind. Es ist der fortgesetzte Selbstbetrug, der durch das Bild diejenigen, die es betrachten, auf genau die Fährte lockt, von der man sie eigentlich fernhalten möchte“.

Überraschende Antworten gibt es in dem Gespräch ebenfalls. Frage der „Zeit“: „Wenn Sie jetzt auf den Straßen unterwegs sind und erkannt werden, wie reagieren die Leute?“ Antwort von Schlesinger: „Es gibt einige, vor allem Frauen, die sagen: ‚Halten Sie das bitte durch‘.“ Das klingt reichlich zurechtgebogen. In die aktuelle Lage hat sie sich schließlich selbst gebracht.

Wahrscheinlich sollten die Berlinerinnen und Berliner der Ex-Intendantin einfach dankbar dafür sein, dass sie „das legendäre Mittagsmagazin nach Berlin geholt“ hat. Das fiel Schlesinger als erstes auf die Frage ein, was sie erreicht habe.

 

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