Mega-Deal: Pokern um Monsanto

CEO-Zweikampf

Es wäre der größte Deal in der Geschichte der Deutschland AG: Für 62 Milliarden Dollar will Bayer den US-Konkurrenten Monsanto übernehmen. Wenige Wochen im Amt steht Werner Baumann, seit Mai im Chefsessel des Leverkusener Pharma- und Pflanzenschutzkonzerns, kurz davor, deutsche Wirtschaftsgeschichte zu schreiben. Die Übernahme, größer als einst der Chrysler-Kauf durch Daimler, würde Bayer auf einen Schlag zum weltgrößten Anbieter von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut machen – kein Konzern hätte mehr Einfluss auf die Ernährung der mehr als sieben Milliarden Menschen.

Doch der Deal ist riskant: Das Angebot sei zu hoch, warnen Finanzinvestoren. Andere sehen in Monsantos miserablem Ruf – das Unternehmen wird von Kritikern gerne als „bösester Konzern der Welt“ betitelt – ein beträchtliches Reputationsrisiko. Zugleich wehrt sich Monsanto mit aller Kraft gegen die Übernahme – da werden Preise in die Höhe getrieben und sogenannte „Giftpillen“ vorbereitet.

Bislang schaut Kurt Bock, Chef des Erzrivalen BASF, bei dem tiefgreifenden Umbruch seiner Branche nur zu und weist alle Übernahmephantasien weit von sich. Doch auch bei ihm wächst der Druck, seinen Konzern neu aufzustellen. Welcher der beiden Manager wird sich am Ende mit seiner Strategie durchsetzen: der nüchtern zurückhaltende BASF-Chef oder der risikobereite Bayer-CEO? Die Positionierung der beiden Konzernchefs wird auch über den künftigen Erfolg der beiden Konzerne entscheiden.

Wie ist ihr Bild in der Öffentlichkeit?

Auch wenn sie eine gegensätzliche Strategie verfolgen, sind sich Bock und Baumann erstaunlich ähnlich. Beide sind von Haus aus Finanzexperten und haben zunächst als Controller und später als Finanzvorstand in ihren Konzernen Karriere gemacht. Beide haben länger als Manager in den USA gelebt. Doch während Baumann erst vor wenigen Wochen die Nachfolge des erfolgsverwöhnten Marijn Dekkers an der Spitze der Leverkusener antrat und damit einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wird, ist der BASF-Chef seit vielen Jahren eine feste Größe unter den deutschen Spitzenmanagern.

Seit er 2011 den Vorstandsvorsitz bei BASF übernahm, sammelt Bock Ämter: Präsident des Verbandes der Europäischen chemischen Industrie; Leiter des Weltchemieverbands ICCA; ab September soll er auch an der Spitze des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) stehen. In den wichtigen Politik- und Wirtschaftszirkeln in Berlin ist er ebenso zu Hause wie in den internationalen Machtzentren.

Dabei scheut sich der BASF-Chef nicht, auch bei politisch brisanten Themen Flagge zu zeigen. Vor der Brexit-Abstimmung in Großbritannien warnte er sogar per Bild-Zeitung vor den negativen Folgen eines EU-Austritts. Trotzdem ist Kurt Bocks Bild in der Öffentlichkeit merkwürdig blass. Er „agiere wie ein Verwalter“, schreibt das Manager Magazin. Andere Medien bezeichnen den 58-Jährigen als „stets nüchtern“ und „unterkühlt“. Das Ergebnis: Selbst für eine interessierte Öffentlichkeit ist der BASF-Chef bis heute ein unbeschriebenes Blatt, viele kennen ihn nicht einmal. Bei einer Umfrage unter Politikern im Jahr 2014 konnten fast dreiviertel der Befragten den Namen Kurt Bock nicht der BASF zuordnen – immerhin das neuntgrößte Unternehmen in Deutschland. 

Werner Baumann muss sein Bild in der Öffentlichkeit und seine Positionierung dagegen erst noch finden. Als Finanzvorstand und Strategiechef stand er bei Bayer bisher in der zweiten Reihe – was wohl auch seinem Naturell entspricht. Der neue Konzernchef bezeichnet sich als eher introvertiert und zurückhaltend. Er sei „kein großer Freund davon, die große Bühne zu haben.“ Im Kampf um Monsanto, der sich immer mehr zum medialen Nervenkrieg entwickelt, wird Baumann deshalb über seinen eigenen Schatten springen und die Öffentlichkeit ebenso wie seine Mitarbeiter von dem Deal überzeugen müssen.

Wer hat die bessere Medienpräsenz?

BASF-Chef Bock hat für einen Dax-CEO eine durchschnittliche Medienpräsenz, seit vielen Jahren bewegt er sich im unteren Mittelfeld. Im aktuellen „CEO Communication Monitor“ mit den Ergebnissen des ersten Halbjahrs 2016 steht er unverändert auf Platz 20, allerdings mit einer deutlich negativen Tonalität. Die zuletzt schleppenden Geschäfte des Chemieriesen und Gewinnwarnungen wurden von den Medien kritisch begleitet.

Werner Baumann konnte im gleichen Zeitraum eine deutlich größere Medienpräsenz einfahren und ist derzeit einer der zehn CEOs, über den die Medien am häufigsten berichten. Zumindest bis zum Halbjahr verzeichnete er dabei eine ausgeglichene Tonalität, was angesichts der Monsanto-Debatte schon als Erfolg zu verbuchen ist. Bislang ist dies jedoch nur eine Momentaufnahme: Der Bayer-Chef wird zeigen müssen, ob er sich langfristig eine Medienpräsenz und positive Reputation aufbauen kann.

Wo treten sie auf?

Auf hochkarätigen Kongressen ebenso wie in der Berliner Politik ist Kurt Bock ein regelmäßiger Keynote-Speaker. Dabei überrascht der BASF-Chef auch mit Auftritten wie beim Wirtschaftskongress der Grünen-Bundestagsfraktion – vor Jahren für einen Vertreter eines Chemie-Konzerns noch undenkbar. Auch beim Weltwirtschaftsforum in Davos zeigte er sich. Allerdings: Im Gegensatz zu seinen Kollegen aus der Autoindustrie oder anderen Branchen, die neuerdings gerne bei den digitalen Trendkongressen wie DLD oder Republica auftreten, spricht Bock kaum zu digitalen Zukunftsthemen. Statt als Vordenker wirkt er deshalb oft wie ein Industrieboss aus der Vergangenheit.

Der neue Bayer-Chef ist dagegen bisher kaum auf den großen Podien zu sehen gewesen. Spätestens nach der 100-Tage-Frist, in der sich neu angetretene CEOs traditionell mit öffentlichen Auftritten und Interviews zurückhalten, wird man ihn jedoch öfter sehen. Gelegenheit für gemeinsame Gespräche werden Bock und Baumann bei den Baden Badener Unternehmergesprächen haben, einem hochkarätig besetzten Gesprächszirkel. Dort sitzen die beiden Manager im Vorstand.

Wer berät sie?

Wie bei Großakquisitionen üblich, hat sich Bayer für die Übernahmeschlacht um Monsanto gleich eine Reihe von Beratungsunternehmen mit ins Boot geholt. Neben Hering Schuppener und deren globaler Partner Finsbury soll auch der langjährige Dienstleister Brunswick ein Mandat in Leverkusen haben. Die Positionierung von Baumann als neuer Bayer-CEO wird dabei ein wichtiger Baustein der gesamten Kommunikationsstrategie sein. Für die Steuerung seiner Kommunikation vertraut Baumann auf Michael Preuss. Der bisherige Abteilungsleiter ersetzte Herbert Heitmann, der seit 2013 erfolgreich das Image von Marijn Dekkers gesteuert hatte.

Einen Wechsel gibt es auch bei BASF: Mit Elisabeth Schick verließ Ende Juni eine der dienstältesten Kommunikationschefinnen bei einem Dax-Konzern ihren Posten. Schick hatte vor 23 Jahren als Volontärin bei BASF begonnen und die Positionierung von Jürgen Hambrecht und später Kurt Bock verantwortet. Neue Leiterin der Kommunikation ist Anke Schmidt, eine langgediente Kommunikationsexpertin, die sich in den Konzernstrukturen bestens auskennt.  

Bisheriger Höhepunkt?

Vergangenes Jahr feierte die „Aniliner“, wie sich die BASF-Mitarbeiter selbst nennen, ihr 150-jähriges Firmenjubiläum. Für Kurt Bock, in der Vergangenheit schon mal als „CFO des Jahres“ geehrt, waren die ausgedehnten Feierlichkeiten sicher ein Höhepunkt seiner Manager-Karriere. Und das nicht nur, weil mit Angela Merkel und Helmut Kohl gleich zwei Kanzler an der Zeremonie teilnahmen.

Für Werner Baumann ist die Ernennung zum CEO, gerade nach der außerordentlich erfolgreichen Zeit von Dekkers, bislang der größte Erfolg seiner Manager-Karriere. Der begeisterte Heimwerker hat die „Dealmaschine“ (Börsenzeitung) aufgebaut, mit der Bayer in der Vergangenheit höchst erfolgreich und geräuschlos Firmen übernommen und integriert hat. Wenn seine Maschine auch bei Monsanto funktioniert, kann Baumann seine Karriere mit dem bislang größten Firmenkauf in der Geschichte Deutschlands krönen.        

Bisheriger Tiefpunkt?

2016 ist für die bislang erfolgsverwöhnten BASF ein denkbar schlechtes Jahr. An allen Fronten stehen die Zeichen auf Sturm: Im wichtigen chinesischen Markt kühlt sich die Wirtschaft rapide ab. Das Ölgeschäft, in der Vergangenheit stets ein wichtiger Ausgleich für die Chemiesparte, liegt durch den niedrigen Ölpreis am Boden. Im Kerngeschäft, der Chemie, sinken die Margen. Nach Gewinnwarnung und schlechten Zahlen werden immer öfter auch Zweifel an der Unternehmensführung und -kultur in Ludwigshafen laut. Bilanz attestiert ein „veraltetes Kombinatsdenken“ und einen Chef, der „vor Ideenlosigkeit sprüht“. Schlechter könnte es für Bock derzeit kaum laufen.

Tiefschläge Baumann: bislang keine. Der Bayer-Chef kann für seinen Konzern weiter Rekordzahlen vermelden, auch dank der starken Pharma-Sparte. Allerdings: Wenn der Monsanto-Deal scheitern sollte, wird auch Baumann schnell Gegenwind bekommen.

Sieger im CEO-Zweikampf…

…ist Werner Baumann. Der neue Bayer-Chef profitiert vor allem von seinem Vorgänger. Der Konzern ist exzellent aufgestellt und genießt eine enorme Reputation. Wenn Baumann, wie bisher, keine gravierenden Fehler macht und die Monsanto-Übernahme gelingt, wird Bayer auch künftig das Vorzeigeunternehmen seiner Branche sein. Eine erfolgreiche CEO-Positionierung sollte dann kein Problem mehr sein.

Schwieriger wird es dagegen für Kurt Bock. Zwar genießt BASF auch weiterhin ein hohes Ansehen. Doch für viele scheint der Konzern ebenso wie der CEO auf der Stelle zu treten: Die Kommunikation und Außendarstellung wirken brav und konservativ, fast schon angestaubt. Wenn Kurt Bock nicht den Anschluss an die junge, dynamische Manager-Generation verlieren will, muss er sich und seinen Konzern neu erfinden.

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