Deutsche Bahn: Auf Reisen mit der Community

Influencer-Kampagne

21 Tage reiste Youtuberin und Bloggerin Vanellimelli durch Deutschland und nutzte dabei die Mobilitätsangebote der Bahn. Ihre Fans hatten sich im Vorfeld als Gastgeber beworben, um ihr persönliche Lieblingsorte zu zeigen. Den Trip dokumentierte Melanie täglich bei Youtube und ließ ihre Community am Ende über den besten Clip abstimmen.

Herr Appelt, welche Rolle ­spielen Communitys grundsätzlich für die Bahn?

Jens Appelt: Eine große. Ob bei Facebook, Youtube oder Instagram – wir betreiben auf fast jedem unserer Kanäle Community Management und interagieren mit dem Nutzer. Den Twitter-Pressekanal nutzen wir stattdessen eher zur reinen Information der User.

Warum ist Twitter für Sie eine Ausnahme?

Appelt: Der Pressekanal ist für uns Verteiler für exklusive News und Ankündigungen oder in Situationen, die potenziell krisenbehaftet sind. Wir behalten uns dort Dialog zwar vor, aber beantworten keine Fragen, sondern verweisen auf unsere anderen Social-Media-Kanäle, die für den Kundenservice geeignet sind.

Antje Neubauer: Für den Personenverkehr gibt es ja Twitter-Kanäle speziell für Kundenservice und Vertrieb. Sonst gäbe es doppelte Arbeit und eventuell konterkarierende Aussagen, das gilt es zu verhindern. Wir aus der Konzernkommunikation betrachten eher das große Ganze, das Team vom Personenverkehr kommuniziert zu Produkten und Angeboten.

Welche sind Ihre wichtigsten Kanäle in die Communitys?

Neubauer: Wir bevorzugen Youtube und Instagram, aber Facebook ist als Klassiker wegen seiner Relevanz im Markt nicht zu unterschätzen. Dort ist die Kommunikation allerdings aufwändiger, weil sehr pflegeintensiv.

Wie entstand die Strategie zur Kampagne „Mein ­abgefahrener Sommer“?

Neubauer: Wir haben geschaut, wo ­unsere Kampagnen und Maßnahmen erfolgreich sind, und mussten dann feststellen, dass wir nur bei jungen Frauen eine geringe Reichweite haben. Die DB mit ihrer Produktwelt stellt sich häufig eher maskulin dar. Es sind mehr Männer, die an Zügen und Schienen Spaß haben. Wir wollten mit der Kampagne weiblicher werden. Das war auch für mich persönlich interessant. Wir suchten also nach Themen und dem richtigen Kanal, um jüngere Frauen für die Bahn zu begeistern.

Und haben dann die Idee ­quasi rückwärts von der Wunschkundin aus entwickelt.

Neubauer: Genau. Und weil Bewegtbild bei uns gut funktioniert und in die Zeit passt, entstand die Kampagne gemeinsam mit Exit Media.

Wie kamen Sie auf die Protagonistin, die Fashion- und Life­style-Bloggerin Vanellimelli?

Neubauer: Die Auswahl war gar nicht so einfach: Was passt zu uns? Was ist authentisch? Wir hatten am Anfang mehr No-Gos als Must-Haves im Hinterkopf. Eine bekannte Beauty-Bloggerin hätte nicht zu uns gepasst. Wir dachten also eher an Influencer-Themen wie Reise und Mode. Am Ende war Vanellimelli ein Vorschlag der Agentur, weil Exit sowohl sie als auch die Deutsche Bahn schon länger kennt und so ein Verständnis für unsere Marke und den passenden Influencer hatte.

Wie lang war der zeitliche ­Vorlauf?

Appelt: Bevor die Bewerbungsphase für die Community anlief, hatten wir etwa eineinhalb Monate Vorlauf.

Neubauer: Alles in allem waren das drei Monate inklusive Strategie, Konzeption und Influencer-Auswahl, das war schon knackig.

An welchen Stellen der ­Kampagne war die Bahn-­Community direkt involviert?

Appelt: Als Erstes auf der Kam­pagnen-Webseite, wo sich jeder mit Youtube-Videos bewerben konnte, um Vanellimelli zu sich einzuladen. Die einzelnen Clips haben wir dann wiederum auf unseren Kanälen genutzt, um das Thema weiter zu pushen. Das Aufruf-Video lief nicht nur bei uns und brachte jede Menge Kommentare auf Facebook und Instagram, sondern auch auf diversen Reise­blogs von anderen Influencern mit jungem Publikum.

Neubauer: Und Melli nutzte natürlich auch ihre eigenen Kanäle. Wir gaben ihr eine große Freiheit, damit ihr Engagement glaubwürdig bleibt, sie konnte selbst entscheiden, was sie veröffentlicht, da gab es keine Vorgaben. Sie entschied selbst, womit sie sich wohlfühlt.

Es gab gar keine Vorgaben?

Neubauer: Wir haben lange darüber diskutiert und zum Beispiel keine KPI in ihrem Kanal verpflichtend gemacht, aber natürlich musste es eine verlinkende Kommunikation zwischen ihren Aktivitäten und unseren Kanälen geben. Sonst versteht man ja gar nicht, warum sie diese Reise überhaupt macht.

Appelt: Sie hat dann abends ihre Videos selbst produziert, die auf unserem konzerneigenen Youtube-Kanal zu sehen waren, und über eine Playlist auf ihrem Kanal eingebunden. Zusätzlich hat sie vor Ort Snapchat für die schnelle flüchtige Kommunikation genutzt, die wie üblich nach 24 Stunden wieder weg war, aber in ihrer Community rege genutzt wird.

Wie haben Sie die ­Blogger ­gefunden, in deren ­Communitys die Kampagne zusätzlich gestreut wurde?

Appelt: Wir haben sie über ein Agenturnetzwerk, Fachmedien und unsere Social-­Media-Profile angesprochen.

Wie viele Fans haben sich dann dafür beworben, Gastgeber für Vanellimelli zu werden?

Neubauer: Es gab mehr als 100 ernstzunehmende Kandidaten. Zwar waren es insgesamt mehr Bewerber, aber nicht jeder passte zur Kampagne.

Spielte deren Standort bei der Auswahl eine Rolle?

Neubauer: Nein, es zählte die Kreativität der Bewerbung. Erst danach musste jemand die komplizierte Routenplanung übernehmen.

Gab es dabei böse ­Überraschungen?

Neubauer: Wir haben unterschätzt, wie anstrengend es ist; Melli musste auch mal Pause machen. Sie war zum Beispiel zur Zeit des Amoklaufs in München. Das Video von dem Tag konnten und wollten wir zu dem Zeitpunkt nicht zeigen und haben es später veröffentlicht. Zwar waren Melli, ihr Kameramann und der Cutter nicht direkt betroffen, aber die ganze Stadt stand still, es herrschte Ausnahmezustand, alle waren emotional angeschlagen.

Und später gab es noch einen Tag, an dem sie einfach körperlich erschöpft war, ein wenig Ruhe und Schlaf brauchte. Immer unterwegs, immer andere Menschen, immer gut gelaunt bleiben – das strengt an. Zwar war das nicht geplant, aber da muss man als Auftraggeber ­natürlich flexibel sein.

Wie muss ich mir das vorstellen: Reist Melli allein mit ­ihrem Team, schneidet abends im Hotelzimmer den Clip und stellt ihn direkt online?

Neubauer: Fast. Sie produziert, wir schauen noch einmal kurz mit der Agentur drauf, und am nächsten Tag ist der Film online.

Appelt: Wir waren im täglichen Austausch mit der Agentur, die wir schon lange kennen und die auch viel Spaß hatte. Es gab Feedback, gegebenenfalls wurde der Videoschnitt angepasst, ebenso die Routenplanung. 

Wie war das Feedback auf die Kampagne aus der ­Community?

Neubauer: Die Kampagne wurde super angenommen. Es gab aber auch Bashing nach dem Motto „Ich stehe hier in Braunschweig, mein Zug kommt verspätet, und ihr beschäftigt euch mit sowas“. Damit hatten wir gerechnet und in diesen Fällen auf die Servicekanäle verwiesen. Wir haben uns sehr über weitere Reiseerlebnisse von Mitgliedern aus der Community gefreut, die schrieben, was man in den besuchten Orten noch so machen kann. Das war eine tolle Überraschung und hat das Team super motiviert.

Appelt: Die Hosts haben uns ihre Städte vorgestellt, das war toll und zum Teil auch sehr witzig. Aus der Community kam der Wunsch, dass Melli mal ihre Lieblingsorte zeigt. Darum lief am Ende der Kampagne ein Video aus Berlin außer Konkurrenz, wo sie genau das gemacht hat – das war das Ergebnis des Dialogs mit der Community. Außerdem wurde ich neugierig, ich kannte viele Orte vorher auch nicht.

Also zieht es Sie jetzt nach Kassel?

Appelt: (lacht) Ich sehe Kassel zumindest jetzt mit ganz anderen Augen. Auch Würzburg scheint ganz schön zu sein, da war Melli bei tollem Wetter Kart fahren. Und ich wurde durch die Kampagne daran erinnert, ich muss nach Dresden fahren.

Mit welchen KPI haben Sie den Erfolg der Kampagne ­gemessen?

Neubauer: Einer war die Anzahl unserer Youtube-Abonnenten: Dort hatten wir trotz Sommerlochs ein organisches Wachstum von knapp 20 Prozent auf 12.600. Auch bei den Klickzahlen tat sich viel: Früher waren 75 Prozent unserer Zuschauer männlich, das hat sich während der Kampagne gedreht auf 42 Prozent männliche und 58 Prozent weibliche. Auch das Durchschnittsalter ist während der Kampagne deutlich gesunken – wir haben unsere Ziele erfüllt.

War der kommunikative Kontrollverlust bei diesem Influencer-Projekt für Sie eine große Herausforderung?

Neubauer: Mein Großvater sagte immer: „Nur wer mutig ist, wird glücklich.“ Das Projekt war für unser Unternehmen schon mutig, wir würden Filme eigentlich nach anderen Parametern produzieren. Wenn Melli am Berliner Südkreuz steht und im Hintergrund der Zug eines Wettbewerbers einfährt, würden wir den eher nicht zeigen. In so einem Format müssen wir das aber tun, weil es die Realität ist, das muss man erlauben und sich freimachen von herkömmlichen Konzepten. Wir würden auch beim Abfilmen von Details die Dinge anders in Szene setzen, aber hier ging es um Mellis Perspektive. Diese Form von Mut lernen wir im Unternehmen gerade, das lässt uns mehr atmen.

War die Kampagne wie auch die „Zeit für mich“, in der sich Paare im Zug sagen, was sie aneinander lieben, mit dem Marketing abgestimmt?

Neubauer: Klar waren die Kollegen informiert. Eine engere Verzahnung wird es aber auf jeden Fall in der Zukunft geben.

Geht es mit Melanie und der Bahn weiter?

Neubauer: Wir denken gerade darüber nach, Vanellimelli in unsere App und das Printprodukt DB Mobil einzubinden, in die Rubrik „Mein liebstes Stück Deutschland“. So ver­quicken wir analog und digital, um die verschiedenen Zielgruppen zu verbinden und noch mehr Reichweite zu erzielen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Communitys. Das Heft können Sie hier bestellen.

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