Ankommen mit Abstand

Nick Marten über seinen Jobwechsel

Tuuut, tuut. Laut tuckerte die batteriebetriebene Eisenbahn langsam in den sichtbaren Bereich der Videokonferenz. Der vierjährige Lokführer hatte nur einen Augenblick nicht aufgepasst. Das Spielzeug sprang von den Gleisen. Nächster Halt: Papas Homeoffice. Während ich mich gerade einer weiteren Runde neuer Kolleg:innen vorstellte, spürte ich die Unruhe näherkommen. Eine wildgewordene Eisenbahn, ein entsetzter Lokführer und ich im neuen Job.

So lernten mich ein paar meiner neuen Kolleg:innen kennen. In meiner neuen Rolle als Leiter der Kommunikation bei gehalt.de und in meiner Rolle als Vater von zwei kleinen Kindern. Virtuell im Videochat. Distanziert und doch sehr persönlich. Verständnis- und humorvoll waren die Reaktionen der neuen Kolleg:innen. Trotzdem sehen optimale Rahmenbedingungen für den Start in einen Job wohl anders aus. Glücklicherweise konnte ich in den ersten Wochen wenigstens einige Arbeitsstunden am neuen Arbeitsplatz verbringen. Allein im Geisterbüro. Die einzigen Gespenster, die es ab meinem ersten Tag zu vertreiben galt, waren Sorgen, Gerüchte und Hörensagen rund um die wirtschaftlichen Folgen der Krise für unser Unternehmen. Um dem zu begegnen, brauchten wir schnelle, durchdachte und fokussierte interne Kommunikation.

Genau darauf kam es ab dem ersten Tag an. Dieser startete mit einem Strategietermin mit der Unternehmensleitung: Budgetkürzungen, Einstellungsstopp und weitere Sparmaßnahmen standen auf der Agenda. Alle Ergebnisse sollten am nächsten Tag der Organisation kommuniziert werden. Eine schwierige Situation. Erwartungsvolle Blicke wanderten zu mir. So also fühlen sich Fußballer:innen beim Elfmeterschießen. Eigentlich eine gute Möglichkeit, direkt einen Treffer zu erzielen – nur daneben gehen sollte es nicht.In einer ersten Spätschicht konzipierten wir daraufhin ein neues internes Informationsformat. Nur etwas später hielt ich meinem neuen Chef, unserem CEO Philip Bierbach, das virtuelle Mikrofon unter die Nase und löcherte ihn mit Fragen. Vor den Augen aller Mitarbeiter:innen. Nach 60 Minuten, einem Fragenhagel und positivem Feedback war klar: Erster Elfmeter verwandelt.

Rückkehr ins Büro

Weitere Kommunikationsanlässe folgten im Wochentakt. Ein Highlight war etwa die interne Kampagne zur stufenweisen Rückkehr an den Arbeitsplatz. Mit „#BackToOffice – Anflug aufs Büro“ kommunizierten wir das Hygienekonzept, eine neue Sitzordnung und die wechselnden Dienstschichten vor Ort im Flughafenstil. Mit persönlicher Boardingkarte, Handgepäck, Sicherheitshinweisen, Gate-Markierungen, selbstgemalten Plakaten und reichlich Tomatensaft begrüßten wir die Kolleg:innen zurück im Büro. Die Rahmenbedingungen für den neuen Arbeitsalltag gelangten damit spielerisch zur Zielgruppe.

Das Ankommen im Ausnahmezustand war also ein einmaliges Erlebnis. Einerseits weil ich in Zukunft seltener neue Arbeitskolleg:innen in ihren Wohnzimmern kennenlernen werde. Andererseits weil ich statt mit digitaler Kommunikation und dem Faible für Daten-PR, Social CEO und Corporate Influencern mit klassischer Kommunikation punkten konnte. Und natürlich mit der Eisenbahn in meiner Videokonferenz. Die war nicht nur ein Ausbrecher, sondern ein echter Eisbrecher.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe CORONA UND DIE ZUKUNFT. Das Heft können Sie hier bestellen.

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