Wie sich der PR-Beruf verändert hat

European Communication Monitor

Spätestens seit Twitter (heute X) 2007 auf der Bildfläche erschien, wurde klar: Das Berufsbild des PR-Profis wandelt sich fundamental, und das rasant. Wie sich Aufgaben, Rollen und Schlüsselthemen von Kommunikator*innen seither konkret verändert haben, hat der „European Communication Monitor“ in seiner aktuellen Ausgabe zusammengefasst.

Relevanz von Big Data wurde früh erkannt

Dazu analysierten die Autor*innen um Ansgar Zerfaß von der Universität Leipzig Daten von fast 40.000 Kommunikator*innen aus 50 Ländern, die zwischen 2007 und 2022 an der jährlich erschienenen Studienreihe teilgenommen haben. Vor allem zwei Themen standen demnach immer schon ganz oben auf der Kommunikationsagenda: Aufbau und Erhalt von Vertrauen sowie Verknüpfung von Geschäftsstrategie und Kommunikation.

Wenn man bedenkt, dass Facebook (2004), Youtube (2005), Twitter (2007) und Instagram (2010) schon einige Jahre existierten, überrascht es, dass die europäischen Kommunikator*innen die Digitalisierung erst 2014 als Schlüsselthema auf ihre Agenda setzten. Zumindest laut Studie treibt Kommunikationsprofis seither die Frage um, wie der Geschwindigkeit und der Informationsflut in einer digitalisierten und globalisierten Welt zu begegnen sei. Big Data und algorithmusbasierte Kommunikation wurden bereits 2016 von jedem vierten Befragten in Europa als strategisches Schlüsselthema genannt – sechs Jahre, bevor ChatGPT veröffentlicht wurde.

An Bedeutung gewann in den vergangenen 15 Jahren auch der Themenkomplex Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung: Wurde er zwischen 2013 und 2018 noch von weniger als einem Fünftel der Befragten als Priorität angegeben, gehört er seit 2020 zu den wichtigsten drei strategischen Themen. Darüber hinaus erfuhren in der jüngeren Vergangenheit die Themen Diversität und Inklusion einen Aufschwung, vor allem in der internen Kommunikation und beim Employer Branding.

Mediales Machtgefüge hat sich verschoben

Besonders gravierend zeigt sich der Einfluss der Digitalisierung in Hinsicht auf die Vermittlung von Kommunikation, einer Kernaufgabe von professionellen Kommunikator*innen. Lange Zeit prägten Massenmedien wie Zeitungen, Radio und Fernsehen die öffentliche Agenda. Mit dem Zeitalter des Internets und der sozialen Medien verschob sich das Machtgefüge, Organisationen und ihre Stakeholder wurden nun selbst zu Medien- und Meinungsmachern. Die klassische Presse- und Medienarbeit verlor somit allmählich an Relevanz. Waren Printmedien der Studie zufolge 2007 noch der wichtigste Kanal, um Zielgruppen zu erreichen, lag er 2020 auf dem letzten Platz. Social Media hingegen spielten 2007 noch kaum eine Rolle, heute ist eine Kommunikation ohne soziale Medien nicht mehr denkbar.

Doch das ist nicht die einzige Verschiebung: Heute sind der Studie zufolge alle Kanäle wichtig und werden je nach Bedarf verwendet – „Omnichannel-Kommunikation“, also das Kommunizieren auf allen verfügbaren Kanälen, hat sich etabliert. Organisationen schreiben eigene Blogs, produzieren Videos und Podcasts, kommunizieren über Instagram und Tiktok und vermitteln ihre Botschaften über Multiplikator*innen wie klassische Medien oder Influencer.

Die Grafik zeigt, wie sich die empfundene Relevanz von Kommunikationskanälen zur Ansprache von Stakeholdern, Gatekeepern und weiteren Zielgruppen zwischen 2007 und 2020 verschoben hat. © ECM

Die Grafik zeigt, wie sich die empfundene Relevanz von Kommunikationskanälen zur Ansprache von Stakeholdern, Gatekeepern und weiteren Zielgruppen zwischen 2007 und 2020 verschoben hat. © ECM

PR und Marketing unter einem Dach

All das hatte auch Einfluss auf die Kommunikationsstrukturen in Unternehmen. Da im Print-Zeitalter klar zwischen Redaktion und Werbung getrennt wurde, war auch die Unternehmenskommunikation entsprechend gegliedert: Public Relations auf der einen, Marketing auf der anderen Seite. Diese Dichotomie weicht immer mehr dem sogenannten Peso-Modell, wonach Inhalte zwischen „paid“, „earned“, „shared“ und „owned“ unterschieden und unter dem Dach eines Chief Communication Officers auf allen internen wie externen Kanälen orchestriert werden.

Die Funktion des Gatekeepers, die traditionell Journalist*innen zukam, nehmen immer mehr die Mitarbeiter*innen einer Organisation ein. Kommunikationsskills werden somit generalisiert und heute von allen erwartet, sodass Kommunikator*innen neue Rollen einnehmen: sie werden laut den Studienautor*innen immer mehr zu Coaches und Trainer*innen, nicht nur für das Top-Management ihrer Organisation, sondern für jeden, der Teil dieser ist.

Neue und altbekannte Probleme

Die Digitalisierung wird Kommunikationsprofis in ganz Europa auch weiterhin auf Trab halten. Zuletzt hatten nur rund 6 Prozent der Befragten angegeben, sämtliche Kernaktivitäten digitalisiert und eine weit fortgeschrittene digitalisierte Arbeitsumgebung (CommTech) etabliert zu haben.

Gleichzeitig steht das Thema Cybersicherheit heute schon weit oben auf der Agenda von europäischen Kommunikationsabteilungen. Mit der Etablierung von Remote Work und digitalen Arbeitsformaten nutzen mehr Menschen auch private Geräte zum Arbeiten, gleichzeitig sind Phishing-E-Mails und Malware laut Studienautor*innen häufiger im Umlauf. Die Sorge von Kommunikator*innen, Ziel von Cyberattacken zu werden, bei denen Websites und Social-Media-Accounts gehackt, Informationen geleakt oder für die Kommunikation relevante Infrastrukturen gestört werden könnten, ist groß wie nie.

Doch auch altbekannte Probleme bleiben ein Thema in Kommunikationsabteilungen, etwa der Gender-Gap. Eine Längsschnittstudie, die die ECM-Macher*innen mit seit 2007 gesammelten Daten erstellt haben, zeigt auf, dass in drei von vier europäischen Kommunikationsabteilungen und -agenturen mehr Frauen als Männer beschäftigt sind – doch nur eine von zwei Führungskräften ist weiblich und die wird noch immer schlechter bezahlt.

Neue Kompetenzen und Aufgaben

Neue Plattformen, neue Technologien und neue Arbeitsweisen erfordern auch neue Kompetenzen. Eine wesentliche Herausforderung für Kommunikationsprofis wird nach Einschätzung der Studienautor*innen sein, Desinformation zu überwachen und zu bekämpfen. Das Aufkommen autonomer KI-gestützter Kommunikation macht darüber hinaus konkrete und anwendbare ethische Leitlinien erforderlich, damit das wesentliche Ziel – der Aufbau und Erhalt von Vertrauen – auch in Zukunft erreicht werden kann. Weitere Ergebnisse der Studie finden Sie hier.

Zur Studie: Der European Communication Monitor (ECM) wird jährlich von der EUPRERA, dem europaweiten Verband der Kommunikations- und PR-Wissenschaftler (European Public Relations Education and Research Association), sowie dem EACD als internationalem Verband der Kommunikationsdirektoren (European Association of Communication Directors) durchgeführt. Unterstützt wird das akademische Forscherteam von Cision sowie der Kommunikationsagentur Fink & Fuchs. Leiter der Studie ist Professor Ansgar Zerfaß, Inhaber des Lehrstuhls für Strategische Kommunikation an der Universität Leipzig. Weitere Informationen finden Sie hier.

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