Kommunizieren in einer Multi-Krisen-Welt

Interne Kommunikation

Kommunikator*innen müssen eine Vielzahl von Herausforderungen meistern, und zwar oft alle gleichzeitig: Multi-Krisen, Stellenabbau, politische Unsicherheit – die Welt ist globaler und komplexer geworden, die Anzahl der Themen nimmt kontinuierlich zu. Einfache Antworten gibt es an vielen Stellen nicht mehr. Hinzu kommen gesellschaftliche Entwicklungen, die auch die Arbeitswelt stark beeinflussen, wie etwa der Wunsch vieler Mitarbeitenden nach einem sinnerfüllten Leben oder die Komplexität des hybriden Arbeitens.

Unternehmen begegnen all dem mit unterschiedlichen Rezepten. Internationale Expansionen, Strategiewechsel, Übernahmen, Restrukturierungen, Kulturwandel stehen dann auf der Liste, häufig parallel angegangen und nicht immer für die Belegschaft nachvollziehbar. Gravierende Veränderungen müssen dann oftmals ad hoc und unter Druck nach innen kommuniziert werden. Dazu gehören nicht selten paradox klingende Szenarien, wie etwa dieses:

„Trotz unserer insgesamt guten Ergebnisentwicklung werden wir in Deutschland bis 2025 X.000 Stellen abbauen. Gleichzeit stocken wir unsere Belegschaft in Asien um 20 Prozent auf. Mit diesen Maßnahmen wollen wir auch künftig unsere Wettbewerbsfähigkeit erhalten.“

Wie bitte?

Was der Kommunikation jetzt hilft

Die Rolle der Kommunikation besteht darin, die Entscheidungen des Managements nach innen und außen zu erläutern und nachvollziehbar zu machen. Dabei gilt es, Veränderungen einzuordnen und zu erklären, die an so mancher Stelle paradox erscheinen mögen. Verständnis aufbauen, Vertrauen bewahren und trotzdem klar sein – wie gelingt der Spagat, eine Organisation trotz schlechter Nachrichten insgesamt zu stärken und beisammenzuhalten?

Auf diesen Punkten liegt der Fokus:

  • Vertrauensbasis schaffen – und zwar zum Vorstand respektive der Geschäftsleitung.

Eigentlich ohnehin die Basis für eine erfolgreiche Unternehmenskommunikation, aber dennoch nicht in allen Organisationen selbstverständlich. In der Praxis ist die Angst des C-Levels, dass Interna zu früh durchsickern, oft groß und führt zu Closed-Shop-Prozessen. Die Fachleute aus der Kommunikation werden erst kurz vor Toresschluss hinzugezogen und dürfen Management-Floskeln noch in Form bringen – um dann im Freigabeprozess leider viel zu oft wieder bei nichtssagenden Aussagen zu enden.

Nutzen Sie jede Gelegenheit, um die oberste Führungsebene von Ihren kommunikativen Kompetenzen zu überzeugen und sich auf eine gemeinsame Haltung zu einigen: So kommunizieren wir, das ist unser Stil, das ist unser Zeitplan. Sie helfen Ihrem Management, durch eine offene und authentische Kommunikation Vertrauen in der Belegschaft aufzubauen. Dazu brauchen Sie selbst eine solche Vertrauensbasis.

  • Zusammenhänge verstehen

Tiefgreifende Veränderungen im Unternehmen haben immer auch eine politische Dimension. Es gibt Abhängigkeiten, unterschiedliche Interessen, verschiedene Ebenen, verdeckte Zusammenhänge und eine große Verantwortung auf Seiten der Entscheider*innen. Um passende Botschaften für die Kommunikation zu formulieren, müssen wir diese Zusammenhänge verstehen und damit auch ein Gespür bekommen, wie wir Entscheidungen und Entwicklungen beschreiben können, um sowohl der Unternehmensleitung als auch den Mitarbeitenden gerecht zu werden.

Seien Sie daher nicht nur nah an der Geschäftsführung, sondern haben Sie auch immer ein Ohr an der Belegschaft. So können Sie sicher sein, die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu kennen und in der Kommunikation aufgreifen zu können. Und erarbeiten sich kontinuierlich ein Vertrauensfundament, das Ihnen in besonders kritischen Momenten zugutekommt.

  • Kompetenzen erlernen

Wenn paradoxe Nachrichten kommuniziert werden müssen, ist passendes Storytelling Gold wert. Damit kann ich die Perspektive, mit der Menschen auf meine Botschaften schauen, lenken und trotzdem wahrhaftig bleiben. Das braucht Übung, ist aber praktischerweise ohnehin ein wichtiges Werkzeug in der Kommunikation.

Achten Sie darauf, dass Ihre Botschaften nach innen als auch nach außen funktionieren und in sich konsistent sind. Denn Mitarbeitende nehmen nicht nur die Informationen des eigenen Unternehmens wahr, sondern auch die Berichterstattung in den Medien oder den Widerhall in sozialen Medien. Und natürlich gilt immer die Regel zu beachten, dass die Kommunikation erst nach innen und dann nach außen erfolgt.

  • Führungskräfte first

Die Führungskräfte sind Ihre wichtigsten Multiplikatoren und deshalb sollten sie kommunikativ gut gerüstet sein, wenn die Fragen der Mitarbeitenden auf sie zukommen. So haben Sie die Möglichkeit, für Stabilität zu sorgen (auch bei sich selbst), und Ängste zu nehmen. Investieren Sie ausreichend Zeit in die Ausarbeitung der Unterlagen für Ihre Führungskräfte. Sie gewinnen wertvolle Botschafter, die Ihre Storyline nahbar an ihre Teams vermitteln.

Widersprüche annehmen

Wenn Sie diese Punkte mit Leben füllen, wird Ihnen auch in schwierigen Situationen nicht der Blutdruck nach oben schnellen. Ruhe hilft, Fehler zu vermeiden und auf den Punkt hin eine gute Leistung zu bringen.

Und so paradox es klingen mag: Wir müssen Widersprüche annehmen, um sie kommunikativ aufzulösen. Das umfasst auch die Widersprüche in uns selbst als Kommunikator*innen. Denn wir sind häufig nicht nur die Überbringer der Botschaften, sondern auch selbst Betroffene von Veränderungen.

Um es mit dem Kommunikationspsychologen Friedemann Schulz von Thun zu sagen: „Kommunikation soll idealerweise stimmig sein, das heißt zum einen authentisch und wesensgemäß, sodass Mensch und Kommunikation zusammenpassen. Zum anderen aber auch zugleich rollen-, situations- und systemgerecht.“ Besonders die Auseinandersetzung mit der Rolle, so sagt der Experte, „wird zum A und O einer klaren und stimmigen Kommunikation.“

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