Welche Rolle können Corporate Influencer in einer Stiftung spielen? Kerstin Lohse-Friedrich, Leiterin Kommunikation der Robert Bosch Stiftung, beschreibt in einem Erfahrungsbericht, wie die Stiftung vorgegangen ist. Lohse-Friedrich berücksichtigt dabei Untersuchungsergebnisse von Ann-Kristin Gäckle, Bachelorstudentin International Business DHBW Stuttgart, die im Frühjahr 2022 ihre Bachelor-Arbeit über die Einführung des Corporate Influencer Programms geschrieben hat.
„Der Wunsch nach größerer Sichtbarkeit, gut vernetzte Kolleg*innen und gleichzeitig eine nahezu unüberschaubare Zahl an Projekten mit sehr unterschiedlichen Partnern in den verschiedenen Teilen der Welt – wie bringen wir das in der Kommunikationsarbeit zusammen? Diese Frage habe ich mir gestellt, als ich im vergangenen Jahr den Bereich Kommunikation der Robert Bosch Stiftung übernahm.
Nachdem die Stiftung die Zahl ihrer Fördergebiete und Themen reduziert hatte, was die Kommunikation eigentlich vereinfachen sollten, stießen wir auf neue Herausforderungen: Insbesondere die komplexen Themen in unserem Fördergebiet „Globale Fragen“ lassen sich nur schwer kommunizieren. Die Mitarbeitenden in unseren Thementeams äußerten zugleich den Wunsch, möglichst aus allen Projekten zu berichten und dabei gerade auch die Projektpartner*innen – zum Beispiel aus der Sahelzone – zu Wort kommen zu lassen. Auf den Stiftungskanälen ist das angesichts der schieren Zahl von Projekten nicht sinnvoll. Andererseits haben längst nicht alle Teams eigene Kanäle zur Verfügung, um mit ihrer Fachcommunity in Austausch treten zu können. All diese Überlegungen mündeten in meinem Vorschlag, auf Corporate Influencer als Markenbotschafter*innen der Stiftung zu setzen. Wir hatten uns dabei klare Ziele gesetzt:
- Unsere Expert*innen positionieren und damit auch den neuen Themen der Stiftung ein Gesicht geben: Mitarbeitende sollen – zum Beispiel im Rahmen von Linkedin-Artikeln – zu ihren Themen der Stiftung veröffentlichen, auf diese Weise ihre Expertise zeigen und gleichzeitig Netzwerke schaffen und erweitern.
- Zusätzliche Außenwirkung erreichen: Corporate Influencer sind eine wichtige Ergänzung zu unseren Stiftungskanälen wie Twitter, Linkedin und Facebook, weil sie die Stiftung persönlich, authentisch, glaubwürdig und nahbar vermitteln.
- Reichweite ausbauen: Im Zusammenspiel von Stiftungs- und Themenkanälen sowie persönlichen Mitarbeitenden-Profilen besteht für beide Seiten die Möglichkeit, Netzwerke zu verzahnen, auszubauen und insgesamt die Sichtbarkeit zu erhöhen.
Die damalige Geschäftsführung war zunächst zurückhaltend: Ist es nicht zu riskant, wenn wir die Kontrolle darüber abgeben, was und wie über die Stiftung kommuniziert wird? Als Kompromiss schulten wir ab September 2021 zunächst nur interessierte Führungskräfte (Bereichs- und Teamleiter*innen). Im Rahmen von drei- bis sechsteiligen Online-Bootcamps vermittelte die Berliner Digital-Coachin Kathrin Koehler den Mitarbeitenden Wissen über Linkedin und Twitter sowie über aktuelle Trends und die Wirkweise von Plattform-Algorithmen. Sie beriet die Teilnehmenden beim Profilaufbau, führte sie in Analysetools, Content- und Netzwerkstrategien ein und ermutigte sie, einfach loszulegen.
Parallel boten wir auch unserer Geschäftsführung ein Training an. Seitdem postet diese sehr aktiv und signalisiert damit zugleich Rückendeckung für das Corporate Influencer Programm. In einer zweiten Runde öffneten wir zu Jahresbeginn die Bootcamps für unsere sogenannten Senior Experts und für jene Kolleg*innen, die in den Fördergebieten Kommunikationsmaßnahmen begleiten oder eigene Themenkanäle (wie z.B. den Linkedin-Kanal Demokratie und den Twitter-Kanal Peace) betreuen. Bislang wurden insgesamt 58 Kolleg*innen geschult.
Die Reaktionen der beteiligten Kolleg*innen waren sehr unterschiedlich. Auffällig waren die vielen Fragen zu den Erwartungen und roten Linien der Stiftung: „Darf ich auch künftig noch Privates auf meinen Kanälen teilen?“, „Was sagt die Geschäftsführung, wenn ich mich parteipolitisch äußere?“, „Werden jetzt all meine Posts von der Kommunikationsabteilung gescannt?“ Einige unterstellten uns, dass wir ihre privaten Netzwerke „kapern“ wollten.
Im Rückblick wäre ein Konzeptpapier hilfreich gewesen, mit dem wir alle Teilnehmenden vorab über den Sinn und Zweck des Programms informiert hätten. Auch der Aspekt der Freiwilligkeit sollte von Anfang an hervorgehoben werden. Mündlich haben wir immer wieder klar gemacht, dass es bei den Äußerungen der Corporate Influencer nicht um eine völlige Kongruenz mit den Positionen der Bosch-Stiftung geht.
Was wir als Kommunikationsabteilung bislang nie gemacht haben: dass wir einzelne Posts zum Thema gemacht hätten. Stattdessen habe ich in Gesprächen oder am Rande von Mitarbeiterversammlungen erwähnt, wie sehr uns das zunehmend aktive Posten und Kommentieren freut. Natürlich behalten wir aber die Wahrung der Stiftungsreputation im Blick und würden bei Bedarf ins persönliche Gespräch gehen.
Schlankes Community Building
Ein Treffpunkt ist der eigens eingerichtete Microsoft-Teams-Channel. Hier teilen wir regelmäßig Links zu aktuellen Inhalten auf der Stiftungswebsite und Social Media-Posts, verfügbares Bild- und Fotomaterial, Tipps und Tricks sowie von uns erstellte Leitfäden zu Bildrechten und Compliance-Fragen. Auch die Kolleg*innen haben schnell angefangen, im Teams-Channel auf neue Posts in ihren Themenkanälen hinzuweisen – in der Hoffnung, dass sie von anderen geteilt und gegebenenfalls kommentiert werden. Natürlich teilt die Kollegin aus dem Fördergebiet Gesundheit nicht unbedingt alle Beiträge zu klimabedingter Migration oder die Demokratieexpertin das Dossier zur Translation in der Medizin. Aber die fördergebietsübergreifende Bewerbung der jeweiligen Inhalte hat deutlich zugenommen.
Im gemeinsamen Teams-Channel und in monatlichen Click Cafés greifen wir Fragen auf, zeigen Best Practice oder holen auch mal von außen Input rein und fördern so den regelmäßigen Austausch. Außerdem steht unsere Kommunikationsabteilung für Beratung und Klärung von Rahmenbedingungen zur Verfügung, greift rechtliche Fragen auf und hat CD-konforme Headervorlagen und Leitfäden erstellt. Unter dem Stichwort Gamification haben wir uns für den Herbst vorgenommen, in den Click Cafés regelmäßig User des Monats zu küren.
Enttäuschungen und Lichtblicke
Im Rahmen der Klimakonferenz im Herbst 2021 hatten wir auf unserer Website ein Themendossier rund um die COP26 veröffentlicht. Gleichzeitig ermunterten wir unsere Expertinnen für Klimawandel, Migration und Ungleichheit, auf ihren Linkedin-Profilen englischsprachige Artikel zu speziellen Konferenzthemen zu veröffentlichen, die wir dann wiederum auf dem Stiftungskanal teilten. Die Reichweite enttäuschte uns alle. Gleichzeitig aber berichteten die drei Kolleginnen davon, dass sie während der Konferenz auf ihre Artikel angesprochen wurden. Wirkung muss also offensichtlich – wie generell im Stiftungsbereich – nicht nur unter quantitativen, sondern auch unter qualitativen Kriterien betrachtet werden.
Natürlich sind nicht alle, aber doch viele der Bootcamp-Teilnehmenden auf mindestens einem Kanal regelmäßig präsent. Insbesondere Linkedin erfreut sich großer Beliebtheit. Viele sind täglich auf den Plattformen unterwegs, posten durchschnittlich zwei Mal pro Woche eigene Inhalte und konnten auf diese Weise die Zahl ihrer Follower innerhalb eines halben Jahres verdoppeln bis verdreifachen. Gleichzeitig gelang es auf unseren Stiftungskanälen Linkedin und Twitter die Zahl der Follower im selben Zeitraum um einige Tausend steigern (was natürlich verschiedene Gründe hat).
Gewonnene Digitalkompetenz
In internen Umfragen haben die Kolleg*innen immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre gewonnene digitale Kompetenz als großen Gewinn betrachten. Sie verstünden nun besser, wie die Plattformen funktionierten und wie sich die Reichweite der eigenen Posts steigern und auch nachverfolgen lasse. Gleichzeitig erhielten sie wertvolle Infos zu aktuellen Trends, Veröffentlichungen und personellen Veränderungen in ihrem Sektor. Eine Kollegin schrieb: „Kaffeepausen-Gesprächspartner bei Veranstaltungen enden nicht mehr als verstaubende Visitenkarten, sondern bleiben Teil meines aktiven Netzwerks. Manche Persönlichkeiten, die sonst durch ihr Büro abgeschirmt werden würden (zum Beispiel MdBs), nehmen Vernetzungseinladungen direkt an, was mir einen zusätzlichen Kommunikationsweg zu ihnen eröffnet.
Auch für die Verbreitung von Ausschreibungen mit teils sehr speziellen Rollenprofilen spielen die Corporate Influencer inzwischen eine zentrale Rolle. Wie erhofft bilden sie eine wichtige Ergänzung zu unserer Stiftungskommunikation, weil unsere teils sehr spezifischen und komplexen Inhalte authentisch und nahbar vermitteln und sich dabei zugleich als Expert*innen im Feld positionieren. Und noch eines haben wir beobachtet: die Camps und die Click Cafés haben über Fachbereichsgrenzen hinweg zum engen Austausch beigetragen. Eine dritte Serie von Bootcamps – dann für alle interessierten Mitarbeitenden – ist in Vorbereitung.“
Über die Robert Bosch Stiftung:
Die Robert Bosch Stiftung (gegründet 1964) ist eine der großen unternehmensverbundenen Stiftungen in Europa. Sie arbeitet gemeinnützig, unabhängig und überparteilich in den Fördergebieten Gesundheit, Bildung und Globale Fragen. Als zivilgesellschaftliche Kraft stößt sie positive Veränderungen an. Aktuell beschäftigt sie rund 180 Mitarbeitende an den Standorten Stuttgart und Berlin. Seit ihrer Gründung 1964 hat die Stiftung rund 2 Mrd. € in gemeinnützige Arbeit investiert. Weitere Informationen unter www.bosch-stiftung.de