Mehrheit sorgt sich um gesellschaftliche Auswirkungen von Desinformation

Studie zu Fake News

Für 84 Prozent der Menschen in Deutschland stellen vorsätzlich verbreitete Falschinformationen im Internet ein großes beziehungsweise sehr großes Problem für die Gesellschaft dar. Der Aussage „Desinformation ist ein reales Problem und stellt eine Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie dar“ stimmen 81 Prozent zu

Grafik zur Frage: Desinformation als reales Problem oder Kampfbegriff in Deutschland und den USA, welcher Sichtweise stimmen Sie eher zu?

Desinformation als reales Problem oder Kampfbegriff in Deutschland und den USA © Bertelsmann Stiftung

Die Bertelsmann-Stiftung hat im Rahmen der Studie „Verunsicherte Öffentlichkeit“ 5.055 Personen ab 16 Jahren in Deutschland sowie 2.018 Personen in den USA befragt. Die Befragung wurde im Zeitraum vom 4. bis 17. Oktober 2023 online durchgeführt. Die Daten wurden nach Angaben der Studienautoren repräsentativ gewichtet, mit einer Fehlertoleranz von 1,4 (Deutschland) bzw. 2,2 (USA).

Politische Einflussnahme durch Desinformation

Welche Motive gibt es für die Veröffentlichung und Verbreitung von Desinformation? Die Mehrheit glaubt, dass damit die politischen Ansichten der Bevölkerung beeinflusst werden sollen (90 Prozent) beziehungsweise der Ausgang von Wahlen (86 Prozent). Aus der Sicht von 84 Prozent der Befragten sollen Desinformationen zur Spaltung der Gesellschaft beitragen.

Die Themen, die am häufigsten im Zusammenhang mit Desinformation wahrgenommen werden, sind Einwanderung, Gesundheit, Krieg und Klimakrise.

Als Hauptquelle von Desinformationen macht die Mehrheit Akteur*innen im politischen Raum aus. Diese können im In- als auch im Ausland verortet sein, dem linken oder rechten Spektrum entstammen. Die meisten nehmen Falschinformationen in den sozialen Medien wahr. Daneben spielen auch Nachrichtenseiten, Blogs und Messenger-Dienste eine Rolle.

US-Amerikaner nehmen Desinformation bewusster wahr

Im direkten Ländervergleich fällt auf: Die Wahrnehmung von Desinformation ist in den USA ausgeprägter als in Deutschland. 35 Prozent in Deutschland, die gezielte Desinformationen im Internet wahrgenommen haben, stehen 61 Prozent in den USA gegenüber.

Wahrnehmung von Desinformatio in Deutschland und den USA. Wie häufig sind Ihnen in den letzten Monaten im Internet falsche Informationen begegnet, die absichtlich verbreitet wurde, um jemanden zu schaden oder für Verunsicherung zu sorgen?

Wahrnehmung von Desinformation, Deutschland und USA im Vergleich © Bertelsmann Stiftung

Gleichzeitig ist die Einordnung der Begriffsverwendung zum Teil eine andere. 25 Prozent der US-Amerikaner stimmen im Gegensatz zu 13 Prozent in Deutschland der Aussage „Desinformation ist nur ein Begriff, der genutzt wird, um alternative Meinungen schlechtzumachen und als unglaubwürdig darzustellen” zu.

„Die Befragten aus den USA machen häufiger Politiker*innen und Parteien für Desinformation verantwortlich und betrachten das jeweils andere politische Lager als Absender. Darin zeigt sich die Polarisierung in den USA, die nicht zuletzt auch in den Wahlkämpfen immer wieder zutage tritt“, sagt Kai Unzicker, Sozialforscher und Senior Project Manager bei der Bertelsmann Stiftung sowie Co-Autor der Studie.

Ein weiterer signifikanter Unterschied im Ländervergleich zeigt sich bei der Frage, für wen Desinformation ein Problem darstelle. Während in Deutschland nur 16 Prozent das Thema Desinformation als Risiko für sich selbst wahrnehmen, sind es in den USA 39 Prozent.

Schutz vor Desinformation versus Schutz der Meinungsfreiheit

„Den meisten Menschen ist inzwischen bewusst, dass Desinformation eine Gefahr für die demokratische Gesellschaft darstellt. Mit Falschinformationen wird beispielsweise versucht, Wahlen zu beeinflussen und das Vertrauen in Politik, Parteien und Medien zu untergraben. Diese Entwicklung ist besonders mit Blick auf das laufende Superwahljahr eine Herausforderung, die gelöst werden muss, um unsere liberale Demokratie zu schützen“, sagt Daniela Schwarzer, Vorständin der Bertelsmann Stiftung.

Doch welche Lösungsansätze gibt es? „Wir brauchen bessere Vorgaben. Die sozialen Netzwerke sollten verpflichtet sein, Faktenchecks und Vertrauensbewertungen einzubinden“, so Cathleen Berger, Digitalexpertin der Bertelsmann Stiftung und Co-Autorin der Studie. Nutzer*innen sollten Informationen leichter prüfen und melden können. Darüber hinaus sei ein unabhängiges Monitoring digitaler Inhalte durch mehrere, nicht staatliche Akteure notwendig. Das Spannungsverhältnis zwischen dem Schutz der Öffentlichkeit vor Desinformation und dem Schutz der Meinungsfreiheit sollte dabei immer wieder ausgelotet werden. Dafür sei ein breiter gesellschaftlicher Diskurs erforderlich.

Hier geht’s zur vollständigen Studie.

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