Debattenkultur zum Thema Altersdiversität

Diversity Insights

Im Rahmen unser Kolumnenserie „Diversity Insights“ beleuchten unsere Autor*innen die unterschiedlichen Dimensionen der Diversität und stellen die sich daraus ableitenden kommunikativen Herausforderungen und Lösungen vor.

„Eine vielfältige Mischung von Stimmen führt zu besseren Diskussionen, Entscheidungen und Ergebnissen für alle“, sagt der aktuelle CEO von Google, Sundar Pichai, zum Thema Diversität in Unternehmen.

In Zeiten des demografischen Wandels sowie des resultierenden Fachkräftemangels ist schon länger eine öffentliche Debatte über das Thema Altersdiversität fällig. Nur so können wir die Altersdiskriminierung, die sich bei älteren Menschen vor allem im Rahmen der Jobsuche zeigt, überwinden. 

Vorteile für Unternehmen 

Das beliebte Kindermädchen Mary Poppins sagte einmal: „Man ist immer so alt, wie man sich fühlt, denn das Alter ist nur eine Zahl.” Tatsächlich scheinen immer mehr Unternehmen es wie Mary Poppins zu sehen: die Beschäftigungsquote der 55- bis 64-Jährigen stieg im Zeitraum von 2013 bis 2022 von 64 auf 73 Prozent. Jedoch bleibt sie im Vergleich zu anderen Ländern wie Estland (74 Prozent) und Schweden (77 Prozent) noch zu niedrig. Grund genug, uns die Vorteile der Altersdiversität für Unternehmen mal genauer anzuschauen. 

Laut einem Bericht des Handelsblatts bleiben aktuell über zwei Millionen Stellen in Deutschland unbesetzt. Für die Wirtschaft bedeutet das einen jährlichen Umsatzverlust von rund 100 Millionen Euro. Die größten Probleme bestehen hierbei im Industrie- und Baugewerbe, wo viele Unternehmen die Generation Z nicht mehr für eine Teilhabe begeistern können. Doch auch in anderen Bereichen wie der Bildung werden händeringend Fachkräfte gesucht. Für mögliche Lösungen wären Diskussionen und Debatten über bessere Arbeitsbedingungen sowie die Inklusion von älteren Mitarbeitenden im Ruhestand und deren steuerfreier Zuverdienst zur Rente hilfreiche Maßnahmen.

Altersgemischte Teams leisten mehr

Laut einer Studie mit dem Titel „The Benefits of Age Diversity in the Workplace: An Organizational Perspective” (Rui Yao und Corinne Post) sind altersgemischte Teams oft leistungsstärker und innovationsfähiger. Weitere Untersuchungen ergaben, dass bei Unternehmen mit unterschiedlicher Altersstruktur die Wahrscheinlichkeit, Kundenerwartungen zu übertreffen, um 45 Prozent höher ist als bei Unternehmen mit ähnlicher Altersstruktur.

Ältere Mitarbeitende bringen häufig mehr Berufserfahrung mit und verfügen daher über ein umfangreiches Fachwissen und Erfahrungen im Umgang mit verschiedenen Situationen. Jüngere Mitarbeitende können von diesem Erfahrungsschatz profitieren und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse erweitern. Außerdem haben Mitarbeitende mit zunehmendem Alter ein wachsendes berufliches Netzwerk, in das Jüngere einbezogen werden können. Jüngere Kolleg*innen können durch die Zusammenarbeit mit älteren Mitarbeitenden lernen, wie man Herausforderungen effektiv angeht und schwierige Situationen bewältigt. 

Auf der anderen Seite sind jüngere Mitarbeitende häufiger mit den neuesten Technologien und digitalen Trends vertraut, sodass sie ältere Mitarbeitende an ihrem Know-how teilhaben lassen können. Mit der zunehmenden Bedeutung von virtueller Kommunikation können ältere Kolleg*innen zudem von jüngeren Kollegen lernen, wie man effektiv digitale Plattformen für Kommunikation und Zusammenarbeit nutzt. Dies kann den Austausch und die Verarbeitung von Informationen im Team verbessern. 

Offenheit praktizieren

Der Philosophie-Professor Christian Bermes stellte in einem Interview in der Zeitschrift Neuland Digital die wichtigsten Faktoren für eine gute und ausgewogene Debatte vor. Er sagt: „Es benötigt eine gewisse Offenheit; nicht nur dem anderen gegenüber, sondern auch – und dies verwundert vielleicht einige – gegenüber sich selbst“. Eine gute Debatte sei ergebnisorientiert, es gehe darum, Klarheit über die eigene Position im Austausch mit dem Anderen zu bekommen.

Gerade im Hinblick auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen liegen die Generation Z und die Baby-Boomer-Generation sehr weit auseinander. Während die Gen Z eine Vier-Tage-Woche und mehr Homeoffice fordert, beklagen sich die Baby-Boomer über die mangelnde Arbeitsbereitschaft der jüngeren Generation. Falls wir eine gute Debatte über Altersdiversität möchten, müssen wir alle Stimmen und vor allem konkurrierende Positionen anhören, sonst ist die Debatte tot, bevor sie begonnen hat. Für eine gute Debatte über Altersdiversität sollten die Positionen zwar geschärft, aber nicht in Stein gemeißelt sein. Die ältere Generation muss offen genug sein, um sich die Vorschläge und Innovationen der jüngeren Generation anzuhören, die jüngere Generation sollte die Älteren nicht von vornherein als rückwärtsgewandt und inkompetent einstufen.

Initiativen zur Förderung der Altersdiversität

Zwei Beispiele von deutschen Unternehmen, die Kommunikation und Debattenkultur im Bereich Altersdiversität fördern, sind die Zeppelin Group mit ihrer Aktion Generation Day und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) mit dem interaktiven Veranstaltungsformat Wissensforum Vielfalt. Die Unternehmen haben Foren und Plattformen geschaffen, in denen Mitarbeitende unterschiedlicher Altersgruppen aktiv in den Dialog treten können. Durch gezielte Schulungen, Diskussionsforen und Sensibilisierungsmaßnahmen setzen die Unternehmen darauf, das Bewusstsein für die Vielfalt der Erfahrungen und Kompetenzen in verschiedenen Lebens– und Arbeitsphasen zu stärken. Initiierung von (Reverse-) Mentoring-Programmen und die Integration von altersgemischten Teams unterstreichen das Engagement der Unternehmen für einen integrativen Ansatz zur Altersdiversität. Dies fördert eine offene Debattenkultur und trägt dazu bei, dass die unterschiedlichen Perspektiven geschätzt und genutzt werden. 

Weitere Informationen zum Thema Altersdiversität liefert Irène Kilubi in ihrem Buch „Du bist mehr als eine Zahl. Warum das Alter keine Rolle spielt”, das Ende Februar im Murmann Verlag erschienen ist.

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