Weiche Faktoren wichtiger als Gehalt

Arbeitsmarkt

In der Rubrik „Personalien“ auf der KOM-Website hat die Redaktion in den Monaten Januar und Februar dieses Jahres so viele Stellenwechsel publiziert wie seit 2019 nicht mehr. Aktuelle Zahlen des Statistischen Bundesamts und der Bundesagentur für Arbeit bestätigen, dass der Arbeitsmarkt sich wieder fast auf Vor-Coronaniveau befindet. Demnach stieg die Zahl der Erwerbstätigen seit Sommer 2021 kontinuierlich – auf rund 45 Millionen im Dezember. Die Zahl der Arbeitslosen liegt mit etwa 2,46 Millionen nur noch um 37.000 höher als im Januar 2020.

Auch die Wechselbereitschaft ist gestiegen, wie eine Xing-Studie vom Januar dieses Jahres belegt. 37 Prozent der Erwerbstätigen ziehen demnach einen Stellenwechsel in Betracht, unter den 30- bis 39-Jährigen ist es sogar fast jede*r Zweite (48 Prozent). Der Studie zufolge fallen weiche Faktoren wie Führungsverhalten, Work-Life-Balance oder ein attraktiveres Tätigkeitsfeld mehr ins Gewicht als das Gehalt.

Lassen sich diese Ergebnisse auch auf den PR-Arbeitsmarkt übertragen? Zwei Personalexperten geben Antwort. 

Herr Lüdeke, woran liegt die gestiegene Wechselbereitschaft auf dem PR-Arbeitsmarkt?

„In der Branche tut sich viel. Es wird umgebaut, neu ausgerichtet oder überhaupt erst professionalisiert. Wir sehen insbesondere bei Social Media und interner Kommunikation hohen Bedarf – ein Trend, der sich schon vor Corona abzeichnete und zuletzt verstärkte. Aber auch in den anderen Teilbereichen der Kommunikation gibt es derzeit eine Menge attraktive Jobs – und damit auch Wechsel.

Dazu kommt, dass viele hinterfragen, ob die aktuelle Position noch die richtige ist. Nachdem 2020 erstmal abgewartet wurde, sind nun viele offen für einen Wechsel. Und zwar besonders dann, wenn der Job ohnehin auf wackligen Füßen steht. Corona hat gezeigt, wo es gut läuft und wo nicht. Und damit meine ich nicht die Zahlen, sondern es geht um Faktoren wie Wertschätzung, Gestaltungsspielräume, die Erwartungshaltung, was Kommunikation leisten kann, und nicht zuletzt Flexibilität. Ein Arbeitgeber, der in zwei Jahren Pandemie nichts verändert hat, war entweder schon zuvor zeitgemäß aufgestellt – und hat damit eine geringere Fluktuation – oder ist einfach stehengeblieben.“

© privat
Thomas Lüdeke © privat

Thomas Lüdeke ist Managing Partner bei der PRCC-Personalberatung in Düsseldorf.

Frau Müller, welche Gruppen wechseln aktuell den Job? Und warum?

„Wir konnten zuletzt einen Wandel hin zu einem Bewerbermarkt beobachten. Dadurch sind die Erwartungen qualifizierter Kommunikatorinnen und Kommunikatoren an Arbeitgeber gestiegen. Weiche Faktoren wie Nachhaltigkeit, Flexibilität und Kultur scheinen heute oftmals ausschlaggebender zu sein als Gehälter. Die Wechselbereitschaft äußert sich besonders bei den unter 40-Jährigen. Viele unter ihnen legen Wert auf eine Tätigkeit, die zu ihren Lebensentwürfen passt und sind offen für neue Herausforderungen, wenn Sie sich mit Rolle und Arbeitgeber identifizieren können.

Thematisch sehe ich eine erhöhte Wechselwilligkeit insbesondere bei digitaler und interner Kommunikation. Gerade letzteres Thema hat während der Pandemie deutlich an Relevanz gewonnen und Expertinnen und Experten erhalten aufgrund der hohen Nachfrage attraktive Angebote. Digitalspezialistinnen und -spezialisten profitieren von der Flexibilität ihres Schwerpunktes und sind durch Remote-Lösungen geographisch ungebunden.“

© Nicci Kuhn
Jessica Müller © Nicci Kuhn

Jessica Müller ist Director bei der GK Unternehmens- und Personalberatung in Frankfurt/Main.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Leadership. Das Heft können Sie hier bestellen.

Weitere Artikel