Von der Vision zur Pflicht

Nachhaltigkeitskommunikation

Die Voraussetzung, das Thema Nachhaltigkeit in der Unternehmenskommunikation aufzugreifen, ist, dass ein Unternehmen nachhaltig(er) wirtschaften möchte. Alles andere ist Greenwashing. Dazu gehört der erklärte Wille der Geschäftsführung, Nachhaltigkeit als Führungsaufgabe zu verstehen, umzusetzen und zu kommunizieren. Wird dieser Wille zur Tat, gilt es, sie Schritt für Schritt anzugehen.

Vor über 20 Jahren stellte die Duales System Deutschland AG („Der Grüne Punkt“) auf der Expo 2000 in Hannover ihre Vision einer Kreislaufwirtschaft im Pavillon „Cyclebowl“ vor. Die Weltausstellung stand unter dem Motto „Mensch, Natur, Technik“ und interpretierte damit das Dreieck der Nachhaltigkeit aus Sozialem, Ökologie und Ökonomie. Nachhaltigkeit war damals noch ein Nischenthema in der Kommunikation. Gleichzeitig erlebte die DSD AG mit der Ausstellung eine Sympathiewelle wie nie zuvor. Unter anderem berichtete das ZDF zum Auftakt der Expo live im „Heute Journal“ aus der „Cyclebowl“. Der einzigartige Pavillon gab der Vision einer „Circular Economy“ Strahlkraft und stach in der Weltausstellung heraus.

Damals noch ein Nischenthema, ist die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit unserer Lebens- und Wirtschaftsweise heute in allen Industrieländern präsent. Globale Erderwärmung und dramatisch wachsende Abfallmengen haben zu einem Bewusstseinswandel geführt. Eine ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft und die Reduktion von Treibhausgasen stehen im Fokus der Forderungen. Dafür werden, neben Politik und Regierungen, auch Unternehmen in die Pflicht genommen.

Wie nachhaltig ein Unternehmen ist, wird vor allem anhand der Produkte und Dienstleistungen bewertet. So haben Automobilhersteller es schwer, mit dem Vertrieb von Verbrennungsmotoren als nachhaltig wahrgenommen zu werden. Auch Lebensmittelproduzenten, Bekleidungsindustrie, Logistik-, Chemie-, Pharmaunternehmen und viele mehr sind zunehmend mit einer kritischen Betrachtung ihrer Produkte und deren Produktion konfrontiert. Für Unternehmen ist der Weg zu einer nachhaltigeren Wirtschaftsweise ein Transformationsprozess. Für die Kommunikation ergeben sich aus den Erwartungen der Stakeholder einerseits und dem Transformationsprozess andererseits gleich mehrere Fallstricke – und eine Chance.

Welche Themen wie kommunizieren?

Die häufigsten Fehler in der Nachhaltigkeitskommunikation sind eine unpassende Themenauswahl, Übertreibungen und Schönwetter-Texte. Wie kann das passieren?

Unpassende Nachhaltigkeitskommunikation ist oft das Ergebnis einer nicht oder mangelhaft durchgeführten Wesentlichkeitsanalyse. So sollten Handlungsfelder für Nachhaltigkeit nicht einfach auf Führungsebene festgelegt werden. Um aus der Fülle von Nachhaltigkeitsthemen die richtigen Handlungsfelder im Unternehmen zu identifizieren, sollten seine Stakeholder befragt werden. Beispielsweise haben Investoren eine andere Erwartung an die Nachhaltigkeit des Unternehmens als Mitarbeitende oder Kund*innen. Die Handlungsfelder, und damit die zukünftigen Themen für die Nachhaltigkeitskommunikation, sollten die Erwartungen der Stakeholder spiegeln. Gleichermaßen sind unkonkrete Ziele und Nachhaltigkeitsphrasen wie „Wir wollen eine bessere Welt“ aus kommunikativer Sicht kritisch zu sehen.

Mit einer konsequent durchgeführten Wesentlichkeitsanalyse werden die in ihrer Auswirkung für Stakeholder-Gruppen relevanten Themen identifiziert und entsprechende Nachhaltigkeitsziele verbindlich formuliert. So können Nachhaltigkeitsthemen zielgruppengenau kommuniziert werden.

Wer zu schnell und zu viel über Erfolge auf dem Weg zur Nachhaltigkeit des Unternehmens berichtet und übertreibt, riskiert Angriffe kritischer Stakeholder auf die Reputation des Unternehmens. Nachhaltigkeit ist kein Status, sondern ein Prozess. Entsprechend finden sich in Unternehmen zu jedem Zeitpunkt Verbesserungspotenziale. Etwas Demut gegenüber dieser Mammutaufgabe ist daher auch in der Kommunikation geboten. Der fortwährende unternehmerische Prozess, wirtschaftliche Interessen und Nachhaltigkeitsziele abzuwägen und auszugleichen, sollte ebenfalls mitkommuniziert werden.

Auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit entstehen neue Kommunikationsanlässe. Die für die Stakeholder relevanten Entwicklungen werden im Zeitverlauf zielgruppenspezifisch über unterschiedliche Kanäle/Medien kommuniziert. In diesem Sinne kann Nachhaltigkeit zur Renaissance einer authentischen Unternehmenskommunikation führen, abseits von reinen PR- oder Marketingaktivitäten. Interne und externe Kommunikation konzentrieren sich im Transformationsprozess auf originäre Herausforderungen und Erfolge der Unternehmensentwicklung. Daher sollten die für die Unternehmenskommunikation Verantwortlichen von Beginn an und auf allen Unternehmensebenen den Nachhaltigkeitsprozess begleiten.

Es gibt kein Unternehmen, das beim Thema Nachhaltigkeit bei null anfängt. Unternehmen im Wettbewerb haben seit jeher den wirtschaftlichen Drang zur Effizienz und Kosteneinsparung – und Ressourcenschonung ist ein Nachhaltigkeitsthema. Mehr Nachhaltigkeit erhöht die Resilienz eines Unternehmens. Darum leistet auch die Nachhaltigkeitskommunikation einen wesentlichen Beitrag zum Unternehmenserfolg.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Nachhaltigkeit. Das Heft können Sie hier bestellen.