Virtuelles Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom

Suchmaschinenoptimierung

Akt 1, Szene 1

Irgendwo in den unendlichen Weiten des WWW

Webseite: Hallooo…?? Ist da wer …??

Nutzer: —————————————-

Stille.

Betretenes Schweigen.

Nichts.

Der Vorhang schließt sich.

– Ende – 

 

Wenn Ihnen diese kurze Szene vertraut vorkommt, dann sollten Sie jetzt weiterlesen. Denn nichts ist frustrierender als eine mühsam erstellte Webseite, die niemanden interessiert oder – vielleicht noch schlimmer – die niemand wahrnimmt. Null Besucher, null Klicks. Profitabel geht anders. Denn ein Großteil der Umsätze vieler Unternehmen wird heutzutage bekanntlich über das Netz generiert und abgewickelt – schlecht, wenn niemand den Weg zur Homepage findet … Und leider: Selbst wenn sich jemand auf Ihre Online-Präsenz verirrt hat, ist das noch lange kein Grund, die Korken knallen zu lassen. Denn spricht die ­Webseite den Besucher nicht an, ist er schneller wieder weg, als Sie „Halt“ rufen können. Die Aufmerksamkeit der User im Netz ist in etwa vergleichbar mit der eines Goldfischs – sie hält nur wenige Sekunden an.

 

Wie man diesem virtuellen Aufmerksamkeitsdefizit professionell entgegenwirkt, wie man Nutzer auf die Firmen-Homepage lockt, sie dort hält und schließlich sogar in kaufkräftige Kunden verwandelt, das verrät Steven Broschart, Online-Experte und Autor des Buchs „Suchmaschinenoptimierung und Usability“. KLICKEN SIE JETZT ALSO BITTE NICHT WEG!
 

Herr Broschart, warum ist es wichtig, unter den ­ersten ­Ergebnissen der ­Suchmaschinen aufgeführt zu werden?
Steven Broschart: Wer nicht in den Such­ergebnissen erscheint, der existiert online nicht. Er gibt diesen Kanal einfach für seine Mitbewerber frei. Es geht aber noch um mehr: Hohe Platzierungen werden zunehmend als Reputationssignal verstanden. Die Präsenz in den Suchergebnissen wird also mit der Markenstärke gleichgesetzt und hat damit maßgeblichen Einfluss auf das Image. Damit ist das Ranking der Suchmaschinen von immenser Bedeutung.
 

Was kann man als Webseiten-­Betreiber falsch machen?
Zwar hat sich die Suchmaschinenoptimierung (SEO) im Marketing-Mix vieler Unternehmen inzwischen etablieren können. Allerdings entwickelt sie sich ständig weiter, viele Verantwortliche vergessen das: SEO ist ­heute nicht mehr das, was es vor drei, sechs oder neun Jahren einmal war. Ein Beispiel: Früher lautete das Grundprinzip: „Überzeuge die Suchmaschine“, es wurde viel getrickst. Heute hingegen: „überzeuge den Menschen und die Suchmaschine.“ Suchmaschinenoptimierung ist damit deutlich anspruchsvoller geworden. Nach wie vor spielen dagegen Keywords eine Rolle: Auf dem Weg von der ­Suchmaschine zu einer Webseite navigieren die Suchenden über konkrete Suchanfragen, über Schlagwörter. Aus diesem Grund ist es zu empfehlen, sich im Vorfeld darüber Gedanken zu machen, über welche Begriffe die eigene Domain gefunden werden sollte. Solche Begriffe sollten sich dann in wichtigen Elementen der eigenen Webseite wiederfinden.

Was ist in Bezug auf ­Multimedia-Inhalte zu ­beachten?
Suchmaschinen tun sich immer noch schwer, wenn es um die sichere Erfassung multimedialer Inhalte geht – egal ob Bildmaterial, Videos oder Audiodateien. Solche Elemente sollten für eine leichtere Indexierung deshalb in jedem Fall mit einer sogenannten schematischen Auszeichnung versehen werden.
 

Oft hört man: „Content is King“– wie sehen Sie das?
Damit wären wir tatsächlich bei einem zentralen Thema. Der Content, die Inhalte einer Webseite, entscheiden. Sie sind der Grund für den Besuch einer Seite. Sie sind der Grund für die Auseinandersetzung mit einem Angebot. Je höher die Qualität der Inhalte und je passender für die Zielgruppe, desto besser das Ranking.
 

Okay, nehmen wir also an, die Inhalte stimmen. Wo können weitere Probleme liegen?
Nur weil die Inhalte einer zu optimierenden Webseite in Ordnung sind, heißt das leider noch lange nicht, dass der Wert des Inhalts von den Nutzern auch erfasst werden kann. Über eine virtuelle Aufmerksamkeitsanalyse lässt sich schnell ermitteln, welche Anteile einer Webseite innerhalb der ersten Sekunden von einem Besucher gut erfasst werden können. Dafür gibt es spezielle Software. Sie ist ein wichtiger Bestandteil im Rahmen einer Suchmaschinenoptimierung, da sie aufdeckt, wo die Schwächen der Webseite liegen. Mouse­tracking kann beispielsweise sehr gute Dienste leisten, wenn es darum geht, herauszufinden, was geht und was nicht. Dabei blickt man dem User quasi über die Schulter, man kann mitverfolgen, wo er innehält, welche Pfade er einschlägt und wo er dann eventuell auch wieder abspringt. Ein weiterer Schritt zur Aufdeckung von Defiziten bei der Nutzerfreundlichkeit wäre auch ein sogenannter Rapid User Test. Bei einer solchen Untersuchung werden etwa fünf bis zehn Tester aufgefordert, konkrete Aufgaben auf Ihrer Webseite abzuarbeiten. Dabei sind sie zum „lauten Denken“ aufgefordert. Stimme und Bildschirm­interaktionen können dann in Form eines ­Videos ­ausgewertet werden.

Steven Broschart ist Online-Experte und Autor des Ratgebers „Suchmaschinenoptimierung und Usability“ sowie diverser Fachartikel. Foto: Foto Sessner (c) Karin Schalk

Damit wären wir beim Thema „Usability“– worauf sollte man hier noch achten?
Der Aspekt der Kontinuität spielt eine große Rolle. Er dient einer besseren Orientierung auf der gesamten Webseite – ohne ausreichende Orientierung klicken die User schnell wieder weg. Dafür muss es Elemente geben, die auf jeder Seite in identischer Form ausgespielt werden. Grundsätzlich gilt hier: Das Rad sollte nicht neu erfunden werden. Nutzer aus einem gemeinsamen Kulturkreis haben sich an bestimmte Strukturen und Elemente gewöhnt, die sie nicht immer wieder aufs Neue erlernen möchten; alles, was zu sehr verwirrt, sollte man besser entfernen.
 

Was muss man bei ­Formularen auf der Webseite ­berücksichtigen?
Formulare stellen immer eine zu überwindende Hürde beim Erreichen der ­Webseitenziele dar. Es sollte dringend darauf geachtet werden, dass die Validierung der ­einzelnen Eingabefelder bereits während der Eingabe erfolgt. Außerdem sollten so wenig Daten wie möglich abgefragt werden. In ­keinem Fall dürfen die Anwender von der großen Anzahl abgeschreckt werden. Sind mehrere Felder unbedingt notwendig, könnte man überlegen, diese auf mehrere Eingabe­seiten zu verteilen.
 

Nennen Sie bitte drei Tipps, wie ich die Benutzerfreundlichkeit meiner Webseite ­konkret ­optimieren kann.
Eine Webseite sollte drei konkrete ­Anforderungen erfüllen:
1. Sie muss relevant sein. Und das sollte leicht erkennbar sein.
2. Sie sollte Resonanz erzeugen können. Kann das Angebot den Besucher nicht „mitschwingen“ lassen, ist sie nicht in der Lage zu überzeugen.
3. Abschließend sollte sie eine ­Reaktion einfordern. Eine solche – egal ob ein Einkauf, eine Kontaktanfrage oder ein ­Newsletter-Abo – muss unmissverständlich, eindeutig und ohne Fragen und Zweifel daherkommen.
Webseiten sind dann erfolgreich, wenn die Besucher genau diese drei Phasen ­durchlaufen können. Wir sprechen hier auch gerne von den drei „Re“-Phasen: Relevanz, Resonanz und ­Reaktion.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Digitalisierung. Das Heft können Sie hier bestellen.

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