Pressefreiheit macht PR erst möglich

„Raus aus der Komfortzone“

„Im Moment bin ich verstummt“. Am 10. August kündigte der Blogger Heinrich Schmitz an, keine politischen Texte mehr zu schreiben – nach einer erneuten rechtsextremistischen Bedrohung. Bis dahin hatte er zwei Jahre Machenschaften von Neonazis beschrieben. Er hoffte, viele Menschen zu erreichen, er hoffte, auf einen „Aufstand der Anständigen“. Mitten in Deutschland!

Mitten in Deutschland ist er nicht der einzige, der bedroht wird. Mehr als nur ein paar einzelne Journalisten – ob in Freital oder Dortmund – halten einem täglichen Druck stand, weil es Neonazis nicht passt, dass über sie berichtet wird. Mitten in Deutschland, das nach dem Index von „Reporter ohne Grenzen“ immerhin zu dem kleinen Siebtel der Welt gehört, in dem Pressefreiheit weitgehend unbeschränkt ausgelebt werden kann. Mitten in Deutschland mit einer lebendigen Zivilgesellschaft und einer intakten Justiz.

Weniger Pressefreiheit war weltweit schon lange nicht mehr. Ging es bei Konflikten früher darum, Journalisten zu beeinflussen, geht es heute oft nur noch darum, sie mundtot zu machen. „Was geht`s mich an?“, so aber scheint die Haltung gerade in unserem (derzeit noch?) außerordentlich prosperierendem Land zu sein. Während sich Journalisten und Medien das Thema seit den Anschlägen auf „Charlie Hebdo“ und in Kopenhagen auf die wehenden Fahnen geschrieben haben, ist bei den Unternehmen und ihren Verbänden Windstille zu beobachten! Kein Vergleich zum September 2001, als sich nach dem Anschlag auf das World Trade Center Unternehmen und ihre Verbände klar positionierten.

Gleichgültigkeit oder Bequemlichkeit in Sachen Pressefreiheit schadet aber auch der eigenen Sache, dem unternehmerischen Handeln. Denn Pressefreiheit ist keine nette Nebenerscheinung unserer Gesellschaft, sie ist deren politische und auch wirtschaftliche Bedingung. Wer die Weltkarten zur Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“, zur Korruption von „Transparency International“ und zum wirtschaftlichen Erfolg von Ländern nebeneinanderlegt, dem fällt es wie Schuppen von den Augen: Viel Pressefreiheit=wenig Korruption=hohe Prosperität!

Meinungs-, Presse-, Kunst- oder Religionsfreiheit sind nicht garantiert, sie verlangen Bekenntnis und Einsatz: Je mehr Schultern sie tragen, je mehr Mutige oder Anständige sich einsetzen, desto weniger müssen Menschen wie Heinrich Schmitz aufgeben. Und: Recherche und Aufklärung liefern nicht technologische Plattformen, hier wird kein Journalist beschäftigt, der für vier Wochen in der Ukraine-Krise vor Ort recherchiert. „Wenn Sie sich wirklich informieren wollen, einen Rundumblick haben und behalten wollen, dann hören Sie nicht auf, den „Spiegel“ oder „Die Zeit“ zu lesen“, sagte jüngst Chris Cox, Produktionschef von Facebook!

Wie wäre es mit raus aus der Komfortzone – wie wär es mit Bekenntnis und Engagement? – „Ich bin Pressefreiheit!“

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Storytelling – Marken machen ohne Märchen. Das Heft können Sie hier bestellen.

Weitere Artikel