Brauchen Unternehmen noch die Kreativität von Agenturen?

Rezension zu "Kill your Agency"

„Kill your Agency“ ist natürlich missverständlich. Den Titel wählte Lukas-Pierre Bessis wahrscheinlich, weil er als Werber einfach nicht aus seiner Haut kann – und weiß, wie man Aufmerksamkeit erregt. Er meint mit seiner Anleitung zur Creative-Effectiveness-Methode jedoch keineswegs, dass Unternehmen ihre Agenturen absägen sollten. Es ist ein Appell an die Agenturen, sich wieder auf ihre Kernkompetenz zu besinnen. All dies unter dem Motto: Optimierung statt Innovation. „Das Urthema der Agentur – nämlich die Kreativität – hat die Branche inzwischen verlassen“, lautet Bessis’ Urteil.

Creative-Effectiveness

Den Prozess Creative-Effectiveness startete er 2009 in seiner eigenen Agentur BPPA Bessis Pink Pony Advertising. Sein Team sei somit fähig gewesen, bessere Ideen in kürzerer Zeit, bei gleichbleibend hoher Qualität zu produzieren. Denn das sei es, was Agenturen können müssen. Sie sollten keine Allrounder sein in Zeiten der Digitalisierung und Vernetzung, sondern mit Expertentum punkten; sie sollten die Experten der Kreativität und Einzigartigkeit sein. Die vielfältigen Aufgaben, die noch anfielen, müssten im Sinne der Share Economy durch ein Netzwerk an Spezialisten aufgefangen werden, jedoch nicht aus einer einzelnen Agentur kommen. Man könne nicht allein die Komplexität von Mobile, Big Data und  Social Web stemmen. Er hält es damit wie Amir Kassaei, Kreativchef der Werbeagentur DDB. Dieser rief 2012 auf dem Cannes Lions Festival die Ära „The Age of Brand Networks“ aus.

Eine Blaupause für Kreativität

Um dieses Ziel zu erreichen, standardisierte Bessis – ausgebildeter Industriekaufmann, ehemaliger Controlling Assistant bei Hewlett Packard und studierter Kommunikationspädagoge – den kreativen Prozess. Er präsentiert eine „Blaupause für jede Form von Idee“, das Triangle of Truth, und referiert auf die Erkenntnisse des Hirnforschers Hans-Georg Häusel. Alle Künstler und kreativen Wissensarbeiter schreien nun womöglich innerlich auf. Kreativität wird allgemein als individuell gehandelt. Bessis jedoch seziert überzeugend und pointiert die verschiedenen Stufen des Ideenfindungsprozesses und entlarvt die Denkfehler, die die meisten Menschen an kreativer Ideenfindung hindern. Wenn man beispielsweise über Veredelungstechniken diskutiert, ist das bereits ein Anzeichen für Ideenlosigkeit. Er untermalt dies eindrucksvoll und bildreich mit Beispielen aus seiner Kundenarbeit. Mit seinen Teams gewann er zahlreiche Branchenpreise im In- und Ausland – unter anderem zweimal den MoFilm Contest beim Cannes Lions Festivals und gleich dreimal den European Newspaper Award für herausragendes Design.

Briefing-Prozesse verbessern

Was bringt dieses Buch also Unternehmen? Es hilft den PR- und Marketingverantwortlichen, die Arbeit der Kreativagenturen  zu verstehen, und optimiert Briefing-Prozesse. Der Creative Brief sei oft zu lang und undefiniert, zu viel Geschwafel, urteilt Bessis. Außerdem sei man besser im Stande, Ideen von Agenturen einzuschätzen und zu prüfen. Für kleine Unternehmen, die sich keine Agentur leisten können, kann Bessis’ Methode helfen, eine Ideenkultur im Team zu etablieren, und damit zu einer innovationsfreudigen Organisation beitragen. Dafür müssen wir uns alle von unserem tradierten Richtig-falsch-Denken verabschieden. Denn Kreativität ist immer zuallererst ein Regelverstoß.

 

Lukas-Pierre Bessis. „Kill your Agency: Denn top kreativ kann jeder sein“. Haufe-Lexware, 34,95 Euro.

Lukas-Pierre Bessis. „Kill your Agency: Denn top kreativ kann jeder sein“. Haufe-Lexware, 34,95 Euro.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Humor. Treffen sich zwei…. Das Heft können Sie hier bestellen.

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