Diskussion um Pressesprecher in Varel

Behördenkommunikation

Rund 25.000 Menschen wohnen in Varel. Die am Jadebusen in Friesland gelegene Stadt ist aufgrund der Nordseenähe für Touristen interessant. Sie bietet mit Schwimmbädern, diversen Schulen und einer Bibliothek eine intakte Infrastruktur. Veranstaltungen gibt es ebenfalls regelmäßig. Bürgermeister Gerd-Christian Wagner (SPD) hielt es deshalb für überfällig, dass eine Stadt dieser Größe eine zentrale Stelle für Öffentlichkeitsarbeit, Information und Kommunikation bekommt. Seit dem 1. September arbeitet Michael Tietz als Pressesprecher.

Tietz soll nach Aussage des Bürgermeisters dazu beitragen, die Außenwirkung der Stadt zu verbessern, die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen und die Kommunikation mit anderen Gruppen und Institutionen in der Stadt zu erleichtern. Wie es aber nun einmal so ist: Ein hauptamtlicher Pressesprecher kostet Geld – Steuergeld. Nach Amtsantritt von Tietz entwickelte sich in der Lokalpolitik und in der regionalen Presse eine Diskussion, ob die Stelle denn wirklich notwendig sei. Die Energiekrise zwingt Städte zusätzlich zum Sparen.

Die Kritik kommt hauptsächlich von einer lokalen Wählergemeinschaft, die sich “Zukunft Varel” nennt und deren bekanntester Politiker der frühere niedersächsische Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke ist. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Gesche Wittkowski von “Zukunft Varel” meldete sich jedenfalls via “Nordwest-Zeitung” zum Pressesprecher zu Wort. Sie vertritt die Meinung, man solle Aufgaben wie Bürgerbeteiligung und Bürgernähe sowie die Zusammenarbeit mit regionalen Medien nicht an eine zentrale Stelle im Rathaus abgeben. Das sei Aufgabe des Bürgermeisters sowie der gewählten Ratsfrauen und Ratsherren. Damit sei die Pressesprecherstelle überflüssig. Sie verschwende zudem rund 60.000 Euro im Jahr, womit Wittkowski auf das Jahresgehalt des Sprechers anspielen dürfte.

Zudem wirft Wittkowski dem Rathaus der Stadt Klüngelei vor, denn Tietz war zuvor Redaktionsleiter der Regionalzeitung “Friesländer Bote”, bei der auch die jetzige SPD-Ratsfrau Anke Kück als Redakteurin gearbeitet hat. Es sei “interessant”, dass diese nun dazu beigetragen habe, ihren ehemaligen Chef als Pressesprecher einzustellen, raunt sie.

Zukunft Varel” bezeichnet sich auf ihrer Website als Wählergemeinschaft ohne Partei- und Fraktionszwang. Bereits 2017 hat die Wählergemeinschaft den vermeintlich zu sorglosen Umgang der Stadt mit Steuergeldern kritisiert und als Lösung unter anderem einen Stellenabbau im Rathaus vorgeschlagen – klassische Oppositionspolitik.

Im Stadtrat von Varel ist eine weitere Wählergemeinschaft vertreten. Diese nennt sich “Klare Kante”. Uwe Cassens vertritt die Gruppe im Stadtrat. Er schloss sich einem weiteren Bericht der “Nordwest-Zeitung” zufolge der Position von “Zukunft Varel” an und beklagte ebenfalls, dass die Stelle des Pressesprechers ein nicht nachvollziehbarer Kostenfaktor sei, der nicht zu der angespannten Haushaltslage der Stadt passe. Es bestehe die Gefahr, dass die Bürgerinnen und Bürger dadurch das Vertrauen in die Demokratie verlieren würden, holte er weit aus. Dass Tietz zuvor beim “Friesländer Boten” tätig war, sieht Cassens allerdings nicht als Problem. Soweit er informiert sei, sei die Planung und Besetzung der Stelle juristisch korrekt abgelaufen. Tietz selbst sei kein Vorwurf zu machen.

Mehr Bürgerbeteiligung als Ziel

Was sagt der Bürgermeister? Wenig überraschend kann Gerd-Christian Wagner die Kritik von “Zukunft Varel“ und “Klare Kante” nicht nachvollziehen.

Auf KOM-Anfrage erklärt er, für ihn sei insbesondere die Professionalisierung im Bereich Bürgerbeteiligung ein wichtiger Grund gewesen, die neue Stelle im Rathaus zu schaffen. Mehr Transparenz und eine bessere Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger an regionalpolitischen Prozessen seien Wagner zufolge von allen Fraktionen im Wahlkampf noch hochgehalten worden. Die Kommunikation zwischen Verwaltung und den Bürgerinnen und Bürgern sei vorher immer wieder bemängelt worden, ob zurecht oder zu Unrecht mögen die Betrachtenden selbst entscheiden. Mit Michael Tietz hätten die Bürgerinnen und Bürger nun endlich einen zentralen Ansprechpartner für ihre Belange, wodurch ihre Möglichkeit zur Teilhabe steigen sollte. So der Bürgermeister.

Wagner betont außerdem, dass die Stadt Varel sich beispielhaft für ein Bürgerbeteiligungsprojekt beworben habe und neben neun anderen Kommunen bundesweit ausgewählt wurde, einen Bürgerratsprozess mit professioneller Unterstützung und finanzieller Förderung zu durchlaufen. “Ferner ist offenkundig eine Transformation der Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung zu beobachten, die eine Veränderung veralteter Strukturen erfordert”, sagt Wagner. Eine Professionalisierung der Presse- und Medienarbeit gehöre seiner Meinung nach auf jeden Fall dazu.

Wie ist das Ganze zu bewerten?

Das Schaffen einer Pressesprecherstelle in einer Kleinstadt ist in der Regel ein langwieriger Prozess, weil dafür Geld im Haushalt bereitgestellt werden muss. Das Geld gilt es, dafür meist woanders einzusparen.

Eine Sprecherstelle bringt es mit sich, dass die Verwaltung und der Bürgermeister professionelle Unterstützung bekommen, um ihre Politik zu erklären und sich öffentlich darzustellen. Bei Oppositionsparteien, die in Kleinstädten nur begrenzt finanzielle Mittel besitzen und sich einen hauptberuflichen Kommunikationsverantwortlichen nicht leisten können, macht sich deshalb schnell das Gefühl breit, sie würden ins Hintertreffen geraten. Wer regiert, bekommt mehr Raum in der Berichterstattung in den wenigen lokalen Medien. Einer Opposition kann das nicht gefallen. Warum die Wählergemeinschaften in Varel Kritik an der Stelle des Pressesprechers anbringen, nachdem dieser gerade sein Amt angetreten hat, erschließt sich von außen betrachtet nicht. Was ist denn die Hoffnung? Dass der Pressesprecher sofort wieder entlassen wird?

Über dem Thema schwebt die sich verändernde Medienlandschaft. Bürgerinnen und Bürger von Kleinstädten erwarten von Kommunen, über grundlegende Sachverhalte in den Lokalmedien, aber auch über Social Media informiert zu werden. Dieser Herausforderung müssen sich alle Kleinstädte stellen – nicht nur Varel.

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