Warum Technikjournalismus mehr Förderung verdient

Journalismus

Brauchen wir Fahrverbote in Innenstädten – oder sind die Schadstoff-Grenzwerte aus der Luft gegriffen? Was taugt Blockchain und, herrjeh, was ist das überhaupt? Individuelle und gesellschaftliche Entscheidungen hängen immer mehr mit Wissenschaft und Technik zusammen. Orientierung geben Journalistinnen und Journalisten, die komplexe Themen auf den Punkt bringen. Die Einsendungen für den Journalistenpreis PUNKT zeigen einen vitalen Journalismus, aber auch seinen tiefen Umbruch. Es wird Zeit für eine weitergehende Förderung, auch im gesunden Interesse von Pressesprecherinnen und Pressesprechern.

In zwei gemeinsamen Stellungnahmen haben es die deutschen Wissenschaftsakademien unterstrichen: Keine noch so gut gemeinte Wissenschafts- und Technikkommunikation kann einen einordnenden, kritischen, unabhängigen Journalismus ersetzen. Ganz ähnlich ist die Einschätzung bei forschenden Unternehmen, Wissenschaftsorganisationen und ihren Pressesprecherinnen und Pressesprechern. Sie unterstützen den Preis, über dessen Gewinner eine unabhängige Jury aus Journalismus und Wissenschaft entscheidet.

Die Themen der Einsendungen bilden einen aufschlussreichen Querschnitt der Entwicklung im Wissenschafts- und Technikjournalismus. Die Bewerbungen spiegeln Themenkonjunkturen im innerwissenschaftlichen und politischen Diskurs. Künstliche Intelligenz gelangte 2018 in die Top 5 der eingereichten Themen. Die Energiewende war 2015 noch auf Platz 1 der Einsendungen, im vergangenen Jahr fiel sie aus den Top 5.

Wo ist das Problem?

Generell steigen die Bewerberzahlen beim PUNKT – und mit ihnen auch Vielfalt und Qualität der Einsendungen. In den Kategorien Tageszeitung und Magazin gab es im vergangenen Jahr 156 Einsendungen. Gibt es also – allen Diskussionen um die Zukunft von Journalismus und Wissenschaftskommunikation zum Trotz – gar kein Problem?

Hört man den Preisträgerinnen und Preisträgern sowie den Jurymitgliedern zu, verhält es sich eher umgekehrt. Preisgelder und Auszeichnungen werden wichtiger, weil der Journalismus insgesamt in einer Geschäftsmodellkrise steckt. Eine Preisträgerin und freie Journalistin sagte im Berliner Konzerthaus vor den versammelten Spitzen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik: Wie viele ihrer freien Kolleginnen und Kollegen wisse sie nicht genau, wie lange sie sich den Beruf noch zumute. Eine andere Preisträgerin ordnete das ausgezeichnete Multimediaprojekt deutlich als redaktionellen Piloten und Prestigeprojekt ein – betriebswirtschaftlich rechne es sich in keiner Weise. Solche Aussagen müssen auch Pressesprecherinnen und Pressesprecher alarmieren.

Dass Jahr für Jahr Redaktionen schrumpfen oder ganz geschlossen werden, dass redaktionelle Medien einen tiefen Wandel und eine ernste Krise ihres Geschäftsmodells aufgrund neuer Medien und wegbrechender Anzeigen- und Abo-Erlöse durchmachen, wurde und wird vielfach beschrieben. Journalistenpreise würdigen eine durchaus systemrelevante Leistung, die unter immer schwierigeren, teils prekären Bedingungen erbracht wird. Insofern steigt ihre Bedeutung – gemessen an Bewerberzahlen, aber auch an der Unterstützung bei Kommunikationsverantwortlichen aus Wissenschaft und Wirtschaft.

Die Förderlandschaft ist karg

Preise fördern herausragende journalistische Leistungen. Sie fördern jedoch nicht die Breite im Journalismus und die Arbeit, die hinter diesen Leistungen steckt. Also die Recherchen, die Interviews und Hintergrundgespräche, die Ortsbesuche. Für Technikfotografie schreibt Acatech bereits ein Stipendium aus, weil Redaktionen kaum noch ambitionierte Fotoprojekte finanzieren und beauftragen können.

Noch ist die Förderlandschaft für wissenschafts- und technikjournalistische Arbeit bei weitem karger als die Förderung von Wissenschaft und Technik. Das Science Media Center als Intermediär im Wissenschaftsjournalismus und als Hilfestellung von und für Journalistinnen und Journalisten ist ein guter Anfang.

In Deutschland sollten darauf aufbauend strukturelle Fördermodelle für Qualitätsjournalismus über Wissenschaft und Technik entstehen. Das Bildungs- und Forschungsministerium prüft bereits, „inwiefern der Wissenschaftsjournalismus unterstützt werden kann, ohne dass die journalistische Unabhängigkeit oder der freie Wettbewerb im Medienbereich beeinflusst werden“. Unabhängige, gut informierte Journalistinnen und Journalisten sind unverzichtbar für eine belastbare demokratische Willensbildung über neue Technologien. Ihre Förderung ist deshalb im wohlverstandenen Interesse von Technologieunternehmen, Wissenschaftseinrichtungen und ihren Pressesprechern.

Mit dem PUNKT zeichnet Acatech hervorragenden Technikjournalismus aus. 2019 wird der Preis in den Kategorien Multimedia und Foto verliehen. Zusätzlich vergibt die Akademie ein Fotostipendium zum Thema künstliche Intelligenz und ihre Anwendung in der Praxis. Die Preise sind mit jeweils 5.000 Euro dotiert. Der Einsendeschluss in der Kategorie Multimedia ist der 13. Mai 2019. In der Kategorie Foto ist der 15. Juli 2019 der Einsendeschluss.

 

 

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