Jeder wünscht sich, dass sein Unternehmen mit gut platzierten Botschaften Gehör findet. Der Erfolg von Pressemitteilungen und Firmen-Statements wird häufig daran gemessen, wie oft diese Mitteilungen von Medien aufgegriffen werden. Bei den meisten Unternehmen sind Pressemitteilungen auch über die eigene Webseite aufzufinden und werden über Agenturen und Pressedienste von Agenturen (wie zum Beispiel news aktuell) ausgespielt. Pressemitteilungen, die auf ein hohes öffentliches Interesse stoßen, werden dabei im Internet zum Teil hundertfach übernommen, insbesondere durch News-Aggregatoren, die die Inhalte automatisiert einfach in ihre Seite einbinden. Eine erfolgreiche Pressemitteilung kann allerdings auch erhebliche Schattenseiten haben. Das hat jüngst der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung (Az.: VI ZR 340/14, Urteil vom 28.07.2015) entschieden.
Das Urteil
Die Entscheidung ist von hoher Relevanz für Pressesprecher. Ihr Inhalt kurz gefasst: Wer Pressemitteilungen mit rechtswidrigen Inhalten verbreitet, muss diese Inhalte nicht nur auf der eigenen Seite entfernen (und gegebenenfalls, wenn er abgemahnt wird, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgeben), er muss die Pressemitteilung auch „einfangen“. Das kommunizierende Unternehmen muss sich also darum kümmern, dass auch auf völlig fremden Internetseiten, die die Mitteilung übernommen haben, der Inhalt verschwindet.
Auch wenn sich der Bundesgerichtshof in der konkreten Entscheidung dazu nicht geäußert hat, dürfte klar sein: Wer sich an diese Spielregeln nicht hält, macht sich gegenüber dem Betroffenen, der die Rechtswidrigkeit der Pressemitteilung gerügt hat, schadensersatzpflichtig.
Voraussetzung für diese knifflige Konstellation ist in erster Linie natürlich, dass in einer Pressemitteilung Behauptungen stehen, die rechtlich angreifbar sind. Das passiert – gerade im Bereich der Krisenkommunikation – gar nicht so selten.
Sei es, dass ein Konkurrenzunternehmen mit dem Inhalt nicht einverstanden ist, weil sich in dem Text unzulässige Werbung befindet; sei es, dass über andere Behauptungen aufgestellt werden, die falsch sind oder deren Wahrheit sich jedenfalls nicht beweisen lässt.
Dies kommt zum Beispiel in Betracht, wenn eine Nicht-Regierungsorganisation oder Medien Verdachtsmomente gegen das eigene Unternehmen verbreiten und man mit einer „Gegenmeldung“ den Sachverhalt klarstellen will – ohne allerdings die eigenen Aussagen genau belegen zu können.
In der presserechtlichen anwaltlichen Praxis ist es gar nicht so selten, dass Mandanten gegen Pressemitteilungen rechtliche Schritte wünschen. Es reicht dann nach der neuen Rechtsprechung eben nicht, lediglich den Inhalt auf der eigenen Seite zu entfernen. Das ist genau die Situation, die der Bundesgerichtshof nunmehr in dem beschriebenen Sinne gelöst hat.
Was ist also zu tun?
Selbstverständlich geht es erst einmal darum, zu verhindern, dass es überhaupt zu rechtswidrigen und angreifbaren Inhalten in Presse-Statements kommt. Eine solche juristische Kontrolle – gerade auch mit Blick auf die mögliche Angreifbarkeit durch Konkurrenten im Wettbewerbsverhältnis – sollte zum Standard-Prüfverfahren vor öffentlichen Äußerungen des Unternehmens gehören. Zumindest jedenfalls dann, wenn es sich um Krisenkommunikation oder eine Mitteilung mit Äußerungen über Dritte handelt.
Erhält man dann Kenntnis davon, dass der Inhalt der Presseerklärung beanstandet wird, empfiehlt es sich, vorbereitet zu sein. Es muss sichergestellt sein, dass im Fall einer (als berechtigt angesehenen) Beanstandung das Internet mit den üblichen Suchmaschinen sofort auf die Übernahme derartiger Meldungen hin geprüft wird. Sodann empfiehlt es sich, ein Anschreiben an die Betreiber derartiger Seiten bereits als Mustertext bereitzuhalten, damit sofort darauf hingewiesen werden kann, dass und warum der Artikel rechtlich angegriffen und aufgefordert wird, den Artikel aus den geschilderten Gründen vom Netz zu nehmen.
Dazu sollte dann auch eine Frist gesetzt werden, die sicherlich einige Tage betragen darf. Das Schreiben sollte man auf Deutsch und auf Englisch „in der Schublade“ haben, weil zahlreiche News-Aggregatoren ihren Sitz im Ausland haben und nicht sicher ist, dass die Verantwortlichen dort tatsächlich auch Deutsch sprechen.
Wohlgemerkt, der Bundesgerichtshof hat ausdrücklich festgestellt: Es geht nicht darum, dass der Ersteller der Pressemitteilung „Vollzug melden“, also tatsächlich erreichen muss, dass der Beitrag auf der Seite des oder der Dritten gelöscht wird. Das kann man ja auch gar nicht leisten, weil nur der Inhaber der Seite selbst darüber entscheidet, ob er Inhalte löscht oder online lässt.
Erforderlich ist allerdings der Versuch, den Beitrag zur Löschung zu bringen. Damit kann in der Praxis nichts anderes gemeint sein, als den Weiterverbreiter mindestens einmal aufzufordern, zu löschen. Und zwar mit der Information, dass und warum der Artikel beanstandet wird, dass man selbst den Inhalt gelöscht hat und dass man entsprechend auffordert, dem ebenfalls nachzukommen mit einer Fristsetzung.
Um sicherzugehen, empfiehlt es sich, die Durchführung der Löschung zu kontrollieren und gegebenenfalls einige Tage nach der Erstaufforderung noch einmal nachzufassen, wenn der Inhalt immer noch zu sehen ist. Die gesamte diesbezügliche Kommunikation sollte archiviert werden, um später bei einer rechtlichen Auseinandersetzung belegen zu können, dass man alles Erforderliche getan hat, um die Meldung „einzufangen“.
Fazit
Zugegeben: Die Kommunikation mittels Pressemitteilungen und andere Verlautbarungen wird durch diese Rechtsprechung nicht einfacher. Mit den wenigen beschriebenen Maßnahmen lassen sich die Risiken allerdings einhegen. Sie sind allerdings unbedingt zu empfehlen, wie eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln aus dem Jahr 2012 (Az. 15 U 115/12; Urteil vom 18.12.2012) zeigt: Das Gericht hatte bei genau der beschriebenen Konstellation eine Anwaltskanzlei, die eine rechtswidrige Pressemitteilung veröffentlicht hatte, zur Zahlung eines vierstelligen Schadensersatzes verurteilt.
Sie hatte versäumt, die übernehmenden Seiten auf die Rechtsverletzung aufmerksam zu machen und zur Löschung aufzufordern. Der von der rechtswidrigen Pressemitteilung Betroffene hatte zuvor der Kanzlei sogar noch eine Liste mit Links geschickt, aus der sich die übernehmenden Webseiten ergaben. Als nichts geschah, hat der Betroffene dann sein Recht in die Hand genommen und über seinen Anwalt die Arbeit selbst erledigt. Die dafür angefallenen Kosten konnte er zu Recht der kommunizierenden Anwaltskanzlei in Rechnung stellen.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Haltung – Das Gute kommunizieren. Das Heft können Sie hier bestellen.