Und wen kennst Du?

Netzwerken

Herr Sattler, Sie sind freiberuflicher Politik- und Strategie­berater und verantworten ­zudem das neu geschaffene ­Referat ­Netzwerkmanagement der Friedrich-Naumann-­Stiftung für die Freiheit (FNF). Was beabsichtigen Sie, was bauen Sie dort auf?

Hilmar Sattler: Die Friedrich-Naumann-Stiftung hat acht Regionalbüros in Deutschland, arbeitet in rund 70 Ländern weltweit mit insgesamt mehr als 200 Mitarbeitern. Diese befassen sich mit diversen Themen, sei es Bildung, digitale Entwicklung, soziale Marktwirtschaft. Jeder dieser Mitarbeiter verfügt über ein eigenes Netzwerk mit wertvollen Kontakten aus seinem Bereich. Aufgabe ist es nun, mal genauer hinzusehen, wo wir über persönliche Verbindungen der Mitarbeiter Zugang zu Rednern, Forschern, Kooperationspartnern für Veranstaltungen et cetera finden. Und zwar passend zu unseren Kernthemen.

Es geht um Erstkontakte sowie darum, Daten zusammenzuführen und Kontakte nach Themenbereichen zu sortieren. Ziel ist es, einen Wissenstransfer zu etablieren. Die Stiftung soll einfacher von externem Know-how profitieren. Das Wissen der Experten von außerhalb soll die Ideen, die in der Stiftung entstehen, anreichern.

Gefragt sind auch Leute, die konträr denken, die Kritik äußern, so dass ein ergebnis­offener Austausch stattfindet. Wir wollen mit ihnen diskutieren und eine bestimmte Materie inhaltlich fundiert ausarbeiten, um die Erkenntnisse später zu publizieren. Des Weiteren müssen wir natürlich herausfinden, welche Kontakte der Stiftung generell noch fehlen.

Bieten sich dafür nicht Linked­in und Xing an, oder sind die Menschen, die Sie ansprechen wollen, dort gar nicht präsent?

Diese Plattformen sind sicherlich auch für uns interessant. Dennoch ist es eine Herausforderung, über die Business-Plattformen nachhaltig für solch eine große Organisation wie die Friedrich-Naumann-Stiftung Netzwerkmanagement zu betreiben.

Und wie stellen Sie es an, dass Mitarbeiter ihr kostbares Gut „Kontakte“ herausgeben? Noch dazu ist der ­Umgang mit Daten eine ­sensible ­Angelegenheit …

Richtig. Deshalb handhaben wir das umsichtig. Als erstes suche ich das Gespräch mit den Regionalbüroleitern und den Bereichen der Stiftung, um ihnen die Idee nahe zu bringen und mir deren Vorschläge dazu anzuhören. Außerdem werden die Kollegen natürlich informiert, sobald ihre Kontakte angesprochen werden sollen.

Um zu zeigen, dass sie Bescheid wissen und um die Beziehung zu stärken, bietet es sich etwa bei Einladungen an, diese mit einer persönlichen Note zu versehen. Meist ist es aber ohnehin besser, die Mitarbeiter stellen selbst das Gespräch her. Sie sitzen jedenfalls die ganze Zeit mit im Boot und sollten bei Veranstaltungen mit ihren Kontakten dabei sein.

Es ist sicher nicht ganz einfach, von allen Mitarbeitern die interessanten Kontakte zu bekommen. Es wird peu à peu geschehen. Ein Prozess, bei dem wir stets überlegen müssen, welche Themen und Veranstaltungen demnächst anstehen, und wer aufgrund seiner Aufgaben in der Stiftung Zugänge zu profilierten Personen hat.

Nutzen Sie eine bestimmte ­Datenbank?

Opal, aber die Datenbanken sind sich allesamt ähnlich. Man muss sie nur regelmäßig pflegen, damit die Daten aktuell bleiben. Die Stiftung hat früher andere Themen abgesteckt als heute. Deshalb wollen wir die Daten für die gegenwärtigen ergänzen.

Zurück zu den Mitarbeitern. Ist die Einladung zu ­einer ­Veranstaltung, zu der ihr ­Kontakt eingeladen ist, das einzige Schmankerl, das Sie ­offerieren? Erwarten sie keine andere ­Gegenleistung?

Eine Gegenleistung wollen sie nicht, das zeigt zumindest meine vorherige Erfahrung bei einer Agentur. Jeder Kollege hat gerne mitgemacht, weil er wusste, wofür er dies tat, jeder wusste, dass da nicht seine Kontakte abgegriffen werden sollen, um ein anderes Adressbuch zu pols­tern. Und weil alles transparent, ehrlich und fair zuging.

Aus der Liste ist auch immer ersichtlich, wer den Kontakt beisteuerte. Es eröffnet den Kollegen zudem die Möglichkeit, ihr Netzwerk zu erweitern. Letztlich müssen sie aber sicherlich Vertrauen haben. Machen sie dicht, erreiche ich nichts. Es wird niemand gezwungen, Daten herauszugeben. Sondern ich werbe für die Idee einer besseren Organisation von Kontakten und werde hierzu anlassbezogen mögliche Kontakte erbitten.

Was es sicher auch zu ­beachten gilt, ist, dass die ­Kontakte nicht mit ungewollten ­Informationen oder für sie ­irrelevanten News­lettern, ­womöglich noch Anrufen, zugeschüttet werden…

Fühlen sie sich genervt, schadet das dem Unternehmen. Deswegen erstellen wir spezifische Listen, die, nachdem das jeweilige Thema abgehandelt wurde, später nicht mehr zur Verfügung stehen. Diese Kontakte landen keinesfalls auf einem allgemeinen Verteiler.

Ließe sich Ihre Art des Netzwerkmanagements in ­einer Stiftung oder NGO auf ein Wirtschaftsunternehmen ­übertragen?

Ja, es ist ähnlich. Allerdings haben Unternehmen klare wirtschaftliche Interessen und orientieren auch ihre Netzwerkarbeit an diesen. Es bedarf eines Verantwortlichen, der sich um die Netzwerkmanagementaufgaben kümmert. Er muss die strategischen Interessen des Unternehmens im Auge haben, die verschiedenen Verdrahtungen der Mitarbeiter kennen und den Gesamtüberblick über Kontakte und Belange besitzen.

Er muss eine ­Stakeholder-Analyse durchführen, die sich an den ­gewünschten ­strategischen Zielen des Unternehmens orientiert. Anhand der Zielsetzung des Unternehmens weiß er, welche Akteure und möglichen Kooperationspartner für eine Ansprache infrage kämen.

Es lassen sich marktorientierte Netzwerke aufbauen, etwa Produktions- oder Zuliefernetzwerke oder eines für die Realisierung eines bestimmen Projekts. Projektnetzwerke werden unter anderem bei großen Bauvorhaben ins Leben gerufen. Andererseits können Unternehmen oder Verbände sich zusammenschließen, wenn politische Fragestellungen einer Lösung bedürfen. Hier kann ein Akteursnetzwerk gegründet werden, um mehr Gehör in der politischen Arena zu finden.

Was sind denn so die Hürden und Tücken?

Zu gründende Netzwerke benötigen eine abgestimmte Leitidee. Die Netzwerkpartner einigen sich auf ein gemeinsames Verständnis, einen Handlungsrahmen, auf Kommunikationsstrukturen, Entscheidungskompetenzen und die Qualitätskriterien.

Das Leitbild schafft die Grundlage für die Netzwerkidentität und ein Wir-Gefühl. Die Erarbeitung kann ein langwieriger Prozess sein, da sich alle Partner damit identifizieren sollen. Ein Problem kann nun sein, dass sich die Intentionen der einzelnen Teilnehmer ändern, und sie sagen: „Das bringt uns nichts mehr, das dauert uns zu lange, das ist zu teuer“, und sich aus dem Netzwerk verabschieden.

Deshalb ist eine Moderation sehr wichtig, die weiß, wie die Stimmung unter den Beteiligten ist, und ob sie noch immer an dieselbe Leitidee glauben und weiterhin mitmachen wollen, oder ob die Leit­idee angepasst werden muss, damit die Partner dabei bleiben. Oder ob gar neue Partner gesucht werden sollten.

Ist Wissenstransfer ­eigentlich der einzige Mehrwert fürs ­Unternehmen?

Bei Unternehmen geht es auch um klare wirtschaftliche Vorteile, etwa Kosteneinsparungen, wenn man gemeinsam Forschung betreibt, von deren Ergebnissen alle Partner profitieren. So lassen sich Ressourcen einsparen. Man kann mit Hilfe von Netzwerkpartnern auch das eigene Produktportfolio erweitern, gemeinsames Marketing – beispielsweise für Produkte aus einer Region – betreiben oder zusammen versuchen, neue Märkte zu erschließen. Der Nutzen kann im strategischen, marktorientierten und organisatorischen Bereich liegen.

Gewinnt ein ­Unternehmen über ein derartiges ­Netzwerkmanagement einen Wettbewerbsvorsprung?

Setzt man die Netzwerke strategisch schlau ein, sind sie vorteilhaft für ein Unternehmen. Sind die wesentlichen Kontakte zusammengeführt, dann fängt man nicht immer wieder bei Null an und hat kürzere Wege. Zudem entsteht Vertrauen, und gute Netzwerke basieren natürlich auf gegenseitigem Vertrauen.

Wenn ich beispielsweise mit anderen Partnern gemeinsam forsche, haben später alle einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den nicht beteiligten Mitbewerbern. Bezieht eine Firma zusätzlich Intranetlösungen ein, über die man ebenfalls weltweit Kontakte, Ideen und Lösungen austauschen kann, vergrößert sich der Vorteil sogar; nicht zuletzt lassen sich auch hier Kosten einsparen.

So können zentrale Lösungen für das Wissensmanagement unabhängig von Ort und Zeit miteinander geteilt werden.

Wissen Sie, wie viele Kontakte Sie haben?

Nein. Um die 750 bei Xing, deutlich weniger bei Linkedin, viele im Smartphone. Zudem zahlreiche Visitenkarten. Darauf schreibe ich Notizen, um mich später an die Person zu erinnern und Anknüpfungspunkte für die weitere Kommunikation zu haben.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Zukunft. Das Heft können Sie hier bestellen.

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