Mitarbeiter-Apps: Geiseln der Klicks

Interne Kommunikation

Im aktuellen Hype um Content und immer neue digitale Möglichkeiten wird gern übersehen, dass Technologie zwar neue Wege eröffnen kann, nie aber der neue Weg ist. Ein Newsroom allein vernetzt keine Akteure, ein Redaktionssystem erstellt keine Inhalte und eine Mitarbeiter-App mobilisiert keine Belegschaft. Das Instrument ist nichts, Strategie, Idee und Umsetzung sind alles.

Viele Unternehmen machen im Falle von Mitarbeiter-Apps gerade ernüchternde Erfahrungen. Der anfänglichen Euphorie über hohe Registrierungsquoten und neue Chancen bezüglich Vernetzung, Erreichbarkeit, Aktualität und Dialog folgt oft nach wenigen Wochen eine unsanfte Landung auf dem Boden der Realität: Die Registrierungszahlen stagnieren, die Zahl der aktiven Nutzer liegt deutlich darunter, die meisten Zugriffe betreffen eher belanglose Inhalte wie Kantinenplan oder Urlaubsanträge. Nicht wenige Unternehmen sind auch überrascht, dass ihre App vor allem von Desktop-Mitarbeitern und weniger von mobil arbeitenden genutzt wird (für die sie eigentlich gemacht wurde). Kaum überraschend, aber trotzdem ärgerlich ist vielerorts, dass es schwerfällt, Protagonisten zu finden, die mit entweder intelligenten, unterhaltenden oder eben hilfreichen Beiträgen vorangehen und der App Leben einhauchen.

Klicktreiber Currywurst

Eine häufige Reaktion auf diese Entwicklung sind Ideen, um die App kurzfristig zu pushen. Weil substantiellere Inhalte fehlen, werden nun eher schnell produzierbare „nette“ Beiträge gesucht, vorzugsweise Bilder-Postings, um Likes zu motivieren. Es setzt sich eine qualitative Abwärtsspirale in Gang, in der die Zahl der Nutzer, Likes und Kommentare die einzig harte Währung ist. Steigen die Werte mit einem Currywurst-Foto aus der Kantine, ist alles gut.

An diesem Punkt angelangt ist die Abteilung Interne Kommunikation auf dem besten Wege, sich von ihrem eigentlichen Auftrag zu verabschieden. Strategie erklären zum Beispiel, Bereitschaft für unternehmerische Veränderung motivieren, Führungskräfte als Multiplikatoren unterstützen oder Akzeptanz für den Digitalisierungskurs schaffen – solch wichtige Handlungsfelder rücken in den Hintergrund. War die App eigentlich dazu gedacht, starken Content wirkungsvoller zu distribuieren, hat sich nun das Blatt gewendet: Jetzt ist der Content dazu da, die App zu pushen. Wie konnte es soweit kommen?

1.    Die Mitarbeiter-App ist kein Medium

Viele App-Projekte in Unternehmen starten mit der Überzeugung „Das Mitarbeitermagazin war gestern, die Zukunft gehört der App!“. Vom Start weg wird die App somit als Projekt der Internen Kommunikation gesehen, die ihre bisherigen Formate (vor allem die analogen) in Frage stellt und die App als die Zukunftslösung der internen Kommunikation sieht. Apps (engl. Applications) aber sind per Definition keine Medien, sondern eben Anwendungen. Ihr Sinn besteht darin, Nutzern zum Beispiel mit Dienstprogrammen, Spaßanwendungen oder ganzen Programm- oder Anwendungspaketen das Leben leichter, schöner, angenehmer zu machen. Je hilfreicher solche Anwendungen sind, desto mehr Erfolg haben sie.

Insofern ist es natürlich sinnvoll, zum Beispiel den Speiseplan der Kantine, den aktuellen Schichtplan, Urlaubsanträge und anderes in eine App zu integrieren. Je mehr solcher, möglichst täglich notwendiger Anwendungen integriert sind, umso wahrscheinlicher ist der Erfolg der App. Statt die Applikation als Ersatz-Medium für etablierte interne Medien misszuverstehen, sollte zunächst ihr eigentlicher Anwendungsnutzen im Fokus stehen, nicht ihre Kommunikationsaspekte.

2.     Die Community startet bei Null

Der Guru des Content Marketings hat es immer wieder betont: „Build the community first“, predigt Joe Pulizzi beinahe täglich. Was der Gründer des Content Marketing Institute damit sagen will: Bevor es im Content Marketing ans Verkaufen geht (oder analog in der Unternehmenskommunikation ans Vernetzen, ans Dialogische etc.) muss erstmal eine kritische Masse gewonnen werden. Und das gelingt nur mit nutzwertigem, hilfreichem, auch unterhaltendem Content und entsprechenden Anwendungen. Für die Mitarbeiter-App heißt das etwa: Der Zeitpunkt, die zweite Stufe zu zünden und die App auch als Kommunikationsmedium zu nutzen und etablierte interne Medien abzulösen, ist erst da, wenn sie durch sinnvolle Anwendungen einen Großteil der Mitarbeiter gewonnen hat.

Auch dann aber lauert immer noch die Substanzfalle: Wer bislang viermal im Jahr ein Mitarbeitermagazin produzierte (und auch dort nicht ausschließlich wertvolle Inhalte lieferte) tut sich schwer, der Erwartungshaltung in der digitalen Welt zu entsprechen und mehrmals wöchentlich zu publizieren. Die Flucht in lustige Beiträge, Regenbogenfotos und Fußballgewinnspiele ist naheliegend. Sie trifft möglicherweise auch einen Nerv der Menschen, die ja tatsächlich viel über Fußball und das Wetter reden. Aber der eigentliche Auftrag der internen Kommunikation ist ein anderer.

3.    Dicke Bretter

Die jüngste Gallup-Studie zum Engagement von Mitarbeitern im Unternehmen gibt einen wertvollen Hinweis: Nur 15 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland haben eine hohe emotionale Bindung an ihr Unternehmen. Es sind die 15 Prozent, von denen man sich erhoffen kann, dass sie mal ein Foto vom Weg zur Arbeit in der Firmen-App posten. Eine zweite Gruppe, etwas mehr als diese 15 Prozent, hat innerlich gekündigt, viele von ihnen suchen gerade einen anderen Job. Der große Rest? Eher gleichgültig, jedenfalls keine Masse, die begeistert losklickt oder frohlockt, weil der Kantinenplan jetzt nicht nur aushängt, sondern auch per Klick einzusehen ist. Auch diese Zahlen stehen am Anfang eines jeden Mitarbeiter-App-Projekts, das eine lebendige Unternehmenskultur boosten, flachere Hierarchien motivieren, Silos einreißen und Gewohnheiten aufbrechen soll. Die Technologie kann dabei sicher unterstützen, die Lösung ist sie nicht.

Mitarbeiter-Apps bieten eine Riesenchance für viele Unternehmen, die Vorzüge sind hinreichend bekannt und unbestritten. Voraussetzung für den Erfolg ist, dass die App nicht als Kommunikationsprojekt aufgesetzt, sondern als Gemeinschaftswerk für Kultur, Führung und Zusammenarbeit verstanden wird. Die Verantwortlichen der Internen Kommunikation haben in diesem Projekt einen wichtigen Platz. Sie sollten sich aber nicht zur Geisel der App machen lassen und ihren eigentlichen Auftrag aus dem Blick verlieren.

 

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