Marketing unterm Veggie-Dach

sprecherspitze

Eine gute Bekannte steht nicht unbedingt im Verdacht, sich vegan zu ernähren. Erstes Indiz: Sie ist Bayerin. Zweites Indiz: Sie setzt auch Vegetariern konsequent allerlei Hausmannskost vor, die zwar oberflächlich betrachtet als fleischfrei durchgeht, sich aber auf Nachfrage als „in a bisserl Gänseschmalz“ ausgebacken herausstellt. Dennoch entdeckte ich kürzlich in ihrem Konserven-Reservoir eine Dose mit der Aufschrift „Chili sin Carne“. Erst nach einer von mir angeregten Inspektion erkannte sie den Fehlgriff im kleinen grünen „Veggie“-V auf dem Etikett: Soja statt Hack. Trotz der korrekten Angabe (wenn sie auch das spanische Wörtchen „sin“ nicht als „ohne“ zu übersetzen vermochte) fühlte sie sich vom Hersteller betrogen. Sakrament, Deifiszeig!

Perspektivwechsel: Als bekennende Vegetarierin ist mir zuweilen unwohl dabei, das Fleischregal nach Ersatzprodukten zu durchforsten, die dann zu allem Übel auch noch „Schinken“ im Namen tragen und neben den „Gemüse-Frikadellen“ liegen – die wiederum bei näherer Betrachtung Geflügel enthalten. (Warum, Edeka?)

Und nun kommt endlich die gute Nachricht: Mit dem Marketingschwindel könnte es bald vorbei sein! Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Sojamilch und Veggie-Cheese? Das war einmal. Die Bezeichnung „Milch“ ist demnach künftig nur noch für Produkte zulässig, die aus der „normalen Eutersekretion“ von Tieren gewonnen werden. Mal davon abgesehen, dass vermutlich 50 Prozent der deutschen Veganer erst auf tierische Produkte verzichten, seit sie zum ersten Mal das Wort „Eutersekretion“ gehört haben, ist die Entscheidung zweifellos ein Meilenstein in der Essensbenennung.

Alle Witze, die es nach der Urteilsverkündung über mögliche Konsequenzen für „Sonnenmilch“, „Scheuermilch“ und Co. zu reißen gab, wurden auf Twitter schon gerissen. Aber wie geht es weiter mit der Tofubutter, die nun nicht mehr so heißen darf? Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt rät dazu, eine eigene Kennzeichnung für Produkte zu schaffen, die tierischen Erzeugnissen nachempfunden sind. Das würde dann also auch „Fleisch“ und „Wurst“ betreffen. Für das Vegan-Food-Marketing brechen düstere Zeiten an. Wie wäre es also mit einem – minimal vom Gender-Stern inspirierten – Veggie-Dach, um die Kunden schonend umzugewöhnen? In diesem Sinne: frohes Grillfest mit Tofuw^rst und Sojam^lchshake!

 

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe EHRLICHKEIT. Das Heft können Sie hier bestellen.

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