Frank Mastiaux über den Fluch der leeren Flure

Kommunikationskongress 2017

Vor fünf Jahren stand Frank Mastiaux in einem langen Flur, blickte auf eine Reihe geschlossener Türen, wartete drei Minuten. Nichts geschah. Es war acht Uhr, und pünktlich zu seinem ersten Arbeitstag als Vorstandsvorsitzender des Energieunternehmens EnBW wusste der heute 53-Jährige: Kommunikation sieht anders aus.

Mastiaux steht auf der Bühne des heutigen Kommunikationskongresses, weißes Hemd, Jackett: „Ich will hier nicht dozieren. Ich erzähle einfach, was wir gemacht haben.“ Und das tut er auch, er läuft auf und ab und berichtet vom herausfordernden Totalumbau des Konzerns und der Einsicht, dass Kommunikation überlebenswichtig für ihn war, als 2011 das gesamte Geschäftsmodell einer Branche infrage gestellt wurde. Er zieht einen Philosophen zurate, um das zu verdeutlichen, wie er ankündigt. Ein Bild von Boxer Mike Tyson erscheint, das Publikum lacht auf. „Everybody has a plan until they get punched in the face.“ Es war ein Schlag ins Gesicht: Nach hundert Jahren erfolgreichen Wirtschaftens musste der „Tanker nun gedreht werden“.

100 Tage auf Reisen

Mastiaux trat damals vor die EnBW-Führungsriege und wollte nicht über Schuld oder Schwächen reden, sondern nur darüber, was fortan getan werden muss, um aus der Misere herauszukommen. „Das löse nicht ich für euch“, mahnte er. „Ihr macht euch jetzt Gedanken und in 100 Tagen komme ich wieder und schaue, was ich beobachten konnte.“

Er reiste an alle Standorte, sprach mit unzähligen Mitarbeitern, vom Pförtner bis zum Elternzeitrückkehrer. „Über die üblichen Wege könnte Kommunikation vollständig sein …“, sagt er und wartet kurz: „… muss sie aber nicht.“ Lachen im Saal. Nach 100 Tagen war er wieder da und präsentierte das altehrwürdige Organigramm: plakativ auf einer acht Meter langen Tapetenrolle. So ging es nicht weiter. Die neue Strategie sollte aus den eigenen Reihen kommen: Ein 20-köpfiges Team setzte er darauf an.

Eine glasklare Story

Ganz wichtig sei eine glasklare Story, und diese vor allem immer wieder zu wiederholen. Das sei kräftezehrend, aber die Leute bräuchten Klarheit – und offene Türen. Die Vorstandsetage war bislang für die Mitarbeiter verschlossen, nur per Handscan kam man dort hinein. Auf den Führungskräfteveranstaltungen stand der Vorstand dann vor den Managern und dozierte. Mastiaux verschränkt die Arme. „Sie warteten darauf, was der Vorstand ihnen sagte, und das war es dann.“ Mastiaux setzte sich deshalb bei der nächsten Veranstaltung demonstrativ in die erste Reihe und die Bühne blieb leer. „Stehe an der Spitze, nicht um zu herrschen, sondern um zu dienen“, zitiert er ein altes chinesisches Sprichwort.

Dann blickt er zu Jens Schreiber. „Jens, steh mal kurz auf!“ Sein Kommunikationschef erhebt sich zaghaft, der Saal klatscht. „Wir kennen uns so viele Jahre, wir sind wie ein Ehepaar.“ Kommunikation muss von Anfang an einbezogen werden, betont der Vorstandschef und bemüht damit ein vielgefordertes Credo. Und: Kommunikation ist Chefsache. Er blickt zu seinem Kommunikationschef: „Die gute Nachricht ist: Der CEO interessiert sich für Kommunikation. Die schlechte Nachricht ist: Der CEO interessiert sich für Kommunikation.“ Lachen.

Mastiaux beantwortet E-Mails der Mitarbeiter sofort. „Wenn einer innerhalb von 90 Sekunden eine Antwort kriegt, da reden die Leute monatelang drüber.“ Schmunzeln im Saal. „Ist so.“ Zum Abschluss hat Mastiaux noch fünf „Vs“ für die Kommunikatoren im Saal mitgebracht: Er zählt an der Hand ab: „Erstens Verständnis, zweitens Verantwortung, drittens Vertrauen, viertens Verlässlichkeit … und dann wollte ich Schnelligkeit nehmen“, sagt er und tritt näher an das Publikum heran. „Aber ich brauchte ein V. Ich habe lange überlegt: verzugslos.“ Es wird geklatscht. „Und denken Sie daran, der Absender muss verstehen, was Sie sagen. Denken Sie an den Nutzen der Worte. Ihre Botschaften sollte auch ein elfjähriger Schäferhund verstehen.“


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