Flaut der Newsroom-Hype ab, Eckhard Klockhaus?

Agile Kommunikation

Eckhard Klockhaus (c) privat Eckhard Klockhaus gilt als einer der renommiertesten deutschen Experten für digitale Organisationsformen in der Unternehmenskommunikation. Im Interview erklärt er, was einen Newsroom wirklich ausmacht (und was nicht), warum der Begriff “Newsroom” seinen Zenit wahrscheinlich überschritten hat (nicht aber das Newsroom-Prinzip) und warum gerade in Corona-Zeiten Unternehmen mit dem Newsroom-Prinzip anfangen sollten.

Herr Klockhaus, warum lohnt es sich für Unternehmen, gerade jetzt auf einen Newsroom zu setzen?

Eckhard Klockhaus: Weitermachen wie bisher ist keine Option. Kommunikationsabteilungen stehen vor neuen Herausforderungen. Dies betrifft sowohl die internen Methoden Zusammenarbeit, die Spezifikation und Produktion neuer Kommunikationsinhalte und in vielen Fällen auch die Berücksichtigung neuer Geschäftssituationen und -modelle.

Auch das Vertrauen der Menschen gegenüber Unternehmenskommunikatoren nimmt weiter ab und es wird immer schwieriger, Zielgruppen zu erreichen. Es gibt eine Menge Dinge, bei denen wir eine andere Leistungsfähigkeit benötigen. Das schreit nach Veränderung. Intern muss sich ebenfalls etwas verändern, weil wir viel zu viele Silos haben. Kommunikationsabteilungen arbeiten oft unkoordiniert, sowohl was die einzelnen Kanäle – Presse arbeitet anders als Social Media ist der Klassiker – als auch, was einzelne Unternehmensbereiche angeht. Worüber kommuniziert die externe Kommunikation jetzt, worüber die interne, worüber PR, worüber Marketing? Aus diesen externen und internen Anforderungen erwächst die Notwendigkeit einer transparenten und agilen Zusammenarbeit. Vielfach beeinflusst von der Situation Remote Work. Zudem müssen aufgrund der notwendigen Kommunikationsgeschwindigkeit mehr Mitarbeiter dezentral befähigt werden, Entscheidungen zu treffen.

Was glauben Sie, wie viele Unternehmen in Deutschland bereits Newsrooms betreiben?

Es gibt unterschiedliche Studien. Die meisten kommen zu dem Ergebnis, dass zwischen 30 und 50 Prozent der Unternehmen angeben, nach einem Newsroom-Modell zu arbeiten. Hinterfragt man die Zahlen, stellt man sehr schnell fest, dass der Begriff Newsroom immer noch sehr frei interpretiert wird. Professor René Seidenglanz von der Quadriga Hochschule Berlin kommt dagegen zu dem Ergebnis, dass nur vier Prozent der Unternehmen tatsächlich die Kriterien eines Newsrooms erfüllen. In der Studie werden aber nur die Basics abgefragt. Ich gehe also davon aus, dass mehr als 90 Prozent der Unternehmen im Kontext Newsroom entweder einen Auf- oder Ausbaubedarf haben.

Denken Sie, dass die Unternehmer das auch so wahrnehmen, also künftig verstärkt Newsrooms einrichten werden? Oder flaut der Hype eher ab?

Ich glaube, dass der Hype des Begriffes Newsroom langsam abflacht, weil eben der Begriff Newsroom sehr oft falsch interpretiert wurde. Oft wird es mit einem Zimmer, in dem ein paar moderne Möbel stehen, verglichen und nicht mit einer neuen Struktur der Arbeitsmethode. Insofern hat der Begriff den Zenit wahrscheinlich überschritten. Aber die Notwendigkeit, zwischen Themen- und Zielgruppenverantwortung eine agile Zusammenarbeit aufzubauen, wird Kommunikationsabteilungen die nächsten Jahre weiter beschäftigen.

Was für Kriterien muss ein guter Newsroom erfüllen?

Das wichtigste Kriterium ist, Silos der einzelnen Verantwortlichkeiten einzureißen. Ich schaffe es nicht mehr, eine Aufgabenverteilung in einer hierarchischen Linienorganisation durchzuführen, weil ich so die Komplexität zwischen Themen, Botschaften und Zielgruppen nicht abbilden kann. Die erste Aufgabe eines Newsrooms ist es, sich zu überlegen, mit welcher Methode eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der Mitarbeiter etabliert werden kann, die agil und transparent ist. Momentan wird ganz oft von agilen Methoden und Teams gesprochen, ohne sich sehr genau zu überlegen, welchen Einfluss das auf das gesamte Management der Aufgaben und des Teams hat. Agilität setzt viel mehr Disziplin und neue Führungsstrukturen voraus als das Gros der Unternehmen erwartet.

Welche Fehler werden bei dieser Transformation gemacht?

Man darf es nicht zu statisch machen und in einem alten Wasserfall-Projekt-Verfahren einen Newsroom aufbauen wollen. Ein Newsroom-Projekt hat viel mit Lernen, Experimentieren und Gewöhnen zu tun. Das funktioniert nicht mit tradierten Projektmethoden. Erfolgreich sind die Unternehmen, die einen pragmatischen Ansatz verfolgen. Meine wichtigste Empfehlung für die Transformation ist es, in vielen kleinen Schritten vorzugehen. Versteht man das Konzept Newsroom wie eine Best Practice können sich Unternehmen einzelne Themen für die Umsetzung vornehmen. Schon die Einführung einer redaktionellen Meeting-Struktur, der Aufbau eines zentralen Themenpools oder die Priorisierung der Aufgaben nach redaktionellen Kriterien helfen vielen Unternehmen schnelle Erfolge zu erzielen. Erst einmal ein Großraumbüro mit Stehmöbeln einzurichten und die Mitarbeiter*innen dort zu verorten ist der falsche Weg.

Wie lange dauert es, den Wandel bis hin zu einem modernen Newsroom abzuschließen?

Da gibt es – auch in normalen Zeiten – völlig unterschiedliche Empfehlungen am Markt. Ich weiß, dass ich da mit meiner Vorgehensweise manchmal anecke. Newsroom hat ganz viel mit „einfach mal machen“ zu tun. Auch – oder gerade – in der Zeit von Covid-19 und Remote Work empfehle ich, mit dem Newsroom anzufangen. Wir führen jetzt jeden Morgen ein kleines Daily durch, damit die eine Hand weiß, was die andere macht. Alle sechs Wochen machen wir ein Redaktionsmeeting, damit wir eine saubere Themenstruktur haben und Redaktionskalender ernst nehmen. Das sind Dinge, wo ich jedem Unternehmen empfehle, startet doch schon mal. Fangt morgen mit dem Newsroom an. Dann entwickelt ihr euch aus dieser Best Practice Schritt für Schritt weiter.


Die Deutsche Presseakademie depak veranstaltet am 12. Mai 2020 die digitale Corporate Newsroom Konferenz unter anderem zum Thema, wie Unternehmen gerade in der Corona-Krise das Newsroom-Prinzip umsetzen können. Anmeldungen sind hier möglich.

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