Die WM der Verlierer

Kommentar

Einschränkung der Meinungsfreiheit, Verhaftung von Oppositionellen, die Annexion der Krim – sind das Themen für die Fußball-Weltmeisterschaft in Russland? Hätten Verbände, Trainer und Spieler nicht frühzeitig Missstände anprangern müssen? Nein, machte der Weltverband Fifa schon Monate vor Turnierbeginn klar. Dieses Event soll einzig und allein ein Fest des Fußballs sein. Für Misstöne ist kein Platz, die genannten Themen werden nicht einmal angesprochen.

Fifa-Chef Gianni Infantino und der russische Präsident Wladimir Putin nebeneinander auf der Ehrentribüne oder beim gemeinsamen Kicken – das sind die offiziellen Bilder, die aus Russland in die Welt gesendet werden. Die Botschaft: Alles ist in bester Ordnung, wir haben Spaß. Profiteur dieser Realität ist einzig und allein das Gastgeberland selbst. Vier Jahre nach den Olympischen Winterspielen in Sotschi kann Russland erneut die Gelegenheit nutzen, vermeintliche Stärke und Weltoffenheit zu demonstrieren. Die WM als Prestigeobjekt, darum geht es ja. Gewinner: Putin.

Daneben gibt es nur Verlierer, allen voran die Fifa. Mit ihrem selbst auferlegten Schweigegelübde macht sie klar, dass sich der Verband um das Thema Menschenrechte nicht schert. Dass es den Funktionären einzig und allein darum geht, sich mit den Mächtigen auf diesem Planeten gut zu stellen. Auf dass sie etwas abbekommen vom Scheinwerferlicht einer WM. Das war unter Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter so, und daran hat sich auch durch Infantinos Amtsübernahme nichts geändert.

Doch dem Verband kehren immer mehr Geldgeber aus dem Westen den Rücken. Für die Russland-WM etwa fand die Fifa für zahlreiche Sponsorenpakete keinen Abnehmer – und damit keine Einnahmequelle. Durch WM-Vergaben wie jener für 2018 und die zahlreichen Korruptionsskandale der Vergangenheit ist das Image der Fifa in vielen Ländern katastrophal.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB), ohnehin in einer Glaubwürdigkeitskrise, gehört am Ende – unabhängig vom unrühmlichen sportlichen Abschneiden der eigenen Nationalelf – ebenfalls zu den WM-Verlierern. Auch unter den DFB-Granden gibt es niemanden, der ernsthaft auf Unrechtmäßigkeiten hinweist. Die Kritik an Russland nahm vor WM-Start international immer weiter zu. Und der DFB? Stand ratlos daneben.

Hoffnung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Die nächste WM findet 2022 in Katar statt – in einer Diktatur, in der Sklaven die WM-Stadien bauen. Eine hervorragende Gelegenheit, zu protestieren. Oder: wieder als Verlierer dazustehen.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe ALLES AUF ANFANG. Das Heft können Sie hier bestellen.

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