Der Fluch der Kommunikation

Warum Journalisten und PRler keine Freunde sind – Teil 2/5

Dass sich die Menschen und die Medien zunehmend für Wirtschaftsthemen interessieren, ist für die Pressesprecher zunächst einmal mal von großem Vorteil.  Denn in den Urzeiten der Unternehmenskommunikation fungierte der Leiter der Pressestelle – Frauen gab es in dem Metier nur wenige – noch mehr oder weniger nur als Frühstücksdirektor, der die Kontakte zu ausgewählten Journalisten pflegte. Heute ist der Pressesprecher längst zum Head of Communications avanciert, der sich keineswegs nur auf das Verschicken von Pressemitteilungen beschränkt. Kommunikationsmanagement heißt das Gebot der Stunde – das reicht vom Coachen der Führungskräfte über das Veranstalten von Messen und Events bis hin zur strategischen Beratung des Vorstandsvorsitzenden. Der Umgang mit der Presse aber bleibt das tägliche Brot. Und der wird immer schwieriger.

Pressesprecher unter Statementdruck

Eine beliebte Masche von Journalisten ist der Anruf am späten Freitagnachmittag, gefolgt von einem mehrseitigen Fragenkatalog zu einem Vorgang, der dem Pressesprecher meist noch gar nicht bekannt ist. Das kann ein abseitiger Schadenfall sein, aber auch der bisher unbekannte Wechsel an der Unternehmensspitze. Auf jeden Fall bitte sofort, spätestens in zwei Stunden, eine Antwort zu den 20 Fragen. Viele Journalisten verlangen juristische Detailkenntnisse und einen tiefen Blick in das Zahlenwerk des Unternehmens. Dummerweise befinden sich alle firmeninternen Experten längst im Wochenende oder auf dem Sprung dahin. Und der Vorstandschef ist gerade in der Weltgeschichte unterwegs und aufgrund der Zeitverschiebung nicht ansprechbar. Das bedeutet: Der Pressesprecher ist von Anfang an in der Defensive, er kann dem knallhart gesetzten Abgabetermin  („Das bringen wir in unserer Montags-Ausgabe“) nur noch hinterherhecheln und bringt im besten Fall gerade mal ein dürres Statement zusammen.

Pro forma hat der Journalist dem Unternehmen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben und damit seine journalistische Sorgfaltspflicht erfüllt. Wenn das Unternehmen dann nicht oder nur unvollständig reagiert, ist es selbst schuld. Tatsächlich aber hat der Pressesprecher kaum eine Chance, sein Unternehmen ins rechte Licht zu rücken. Denn während sich der Reporter wochenlang mit allen Facetten des Falls beschäftigt hat und sein Beitrag eigentlich schon fertig ist, kann das Unternehmen die Vorwürfe in der Kürze der Zeit kaum prüfen, geschweige denn entkräften.

Fairness sieht anders aus. Das gilt auch für einen anderen Trick – die raffinierte Auswahl und Montage von Zitaten und O-Tönen. Wer so einen Vorgang schon einmal erlebt hat, wehrt sich dann häufig mit den Worten: „Mein Zitat wurde aus dem Zusammenhang gerissen.“ Der mediale Laie wundert sich: Gesagt ist doch schließlich gesagt. Doch ist es oft so, dass aus einem einstündigen Interview am Ende gerade einmal 40 Sekunden herausgeschnitten oder nur wenige Sätze abgedruckt werden. Und das sind dann oft die, in denen der Pressesprecher nach zahlreichen provokativen Fragen aus der Rolle fällt, aggressiv wird und womöglich etwas Falsches sagt.

Konzernlenker abfangen, Experten einbringen

Stark zugenommen hat in den letzten Jahren auch die Methode, einen nichtsahnenden Konzernlenker am Rande einer x-beliebigen Veranstaltung abzufangen und ihn vor laufender Kamera zu einem Streit mit einem Kunden zu befragen – zu einem Fall, den dieser nicht einmal vom Hörensagen kennt und auf den er erst nach stundenlangem Aktenstudium qualifiziert antworten könnte. Sollte der Unternehmenschef oder der Pressesprecher trotz widriger Umstände erstaunlicherweise etwas Aussagekräftiges zustande bringen, wird das entweder gar nicht gesendet oder aber mit der sogenannten Keule der Abmoderation erschlagen. Auch das ist nicht schwer: Das Zitat wird einfach direkt im Anschluss vom Journalisten negativ kommentiert oder von einem Experten als falsch oder moralisch fragwürdig dargestellt. Für diese Rolle eignen sich besonders gut Wissenschaftler (eine Gegenmeinung gibt es schließlich immer), Betroffene (gegen ein Opfer sieht ein Unternehmen immer schlecht aus) und Verbraucherschützer.

Insbesondere letztere können das inzwischen virtuos. Sie haben einfaches Spiel: Denn für die Verbraucherschützer ist stets die Rolle der Guten vorgesehen. Sie sind die heldenhaften Davids, die mutig gegen eine allmächtige „Koalition der Bösen“ aus Wirtschaft und Politik ankämpfen. Dass auch Verbraucherschützer keineswegs immer uneigennützig unterwegs sind, wird ausgeblendet – wen interessiert schon, dass diese gleichzeitig um ihre häufig befristeten Arbeitsplätze und bedrohte Fördergelder ringen sowie den Verkauf ihrer Zeitschriften, Prüfsiegel und Mitgliedschaften ankurbeln wollen? Ein paar positive Schlagzeilen und hohes Aufsehen sind da natürlich hilfreich. Außerdem lässt sich die persönliche Eitelkeit von einigen mit Auftritten als Gutmensch und wackerer Kämpfer für Verbraucherrechte auf angenehme Weise befriedigen.

Die Rolle als Bösewicht

Die Manager aus der Wirtschaft wären für einen Rollentausch dankbar. Denn wer lässt sich schon gerne vor einem Millionenpublikum als Bösewicht vorführen oder als unprofessioneller Dilettant entlarven? Wehren können sich die Unternehmen gegen die zugewiesene Rolle und die dabei verwendeten Methoden kaum. Die Auswahl von Themen, Darstellungsformen und der Zeitpunkt von Veröffentlichungen – all das fällt zu Recht unter die Pressefreiheit. Das Gestalten von Überschriften, das Verkürzen und Weglassen – auch das sind absolut notwendige und sehr sinnvolle journalistische Verfahren, die selbst medienkritische Unternehmer nicht ernsthaft in Frage stellen – es sei denn, der Beitrag betrifft sie selbst oder ihr Unternehmen. Dieses Spiel mit den Zusammenhängen, das verbale Mäandern zwischen Tatsachen und Meinungen, das geschickte Arrangieren der Argumente – das ist keine Frage des Presserechts, sondern der journalistischen Fairness. Und mit der ist es leider nicht immer weit her.

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