Warum merkt niemand, wie gut ich bin?

Eigentlich läuft alles super: Das Projekt ist erfolgreich aus der Taufe gehoben, die neue Idee ist eingeschlagen wie eine Bombe. Nun könnte man sich freuen. Eigentlich. Aber: Kaum einer weiß, dass das Ganze ihre Idee war, dass Sie es waren, dem ein paar wohlverdiente Lorbeeren zufallen müssten. Aber woran liegt das? Der Coach Volker von Courbière weiß es.

Eigen-PR und Eigen-Lob nicht verwechseln

Wie kann es sein, dass der Chef immer nur die Kollegen auf dem Schirm hat, Ihre Leistungen dagegen nicht wahrgenommen werden? Sind die anderen einfach gut im Prahlen, drängen sie sich schlicht öfters in den Vordergrund? „Ganz so einfach ist es nicht“, sagt dazu Coaching-Experte Volker von Courbière.

„Man sollte Eigen-PR nicht mit penetrantem Eigenlob verwechseln.“ Jedem Vorbeigehenden auf die Nase zu binden: „Hey! Schon gehört? Ich bin super!“ bringt also leider nichts ein – außer vielleicht mitleidiges oder gar genervtes Kopfschütteln. Am Ende steht man sogar schlechter da als zuvor – denn wer findet schon jemanden sympathisch, der jede Gelegenheit nutzt, um sich selbst in den Himmel zu loben? „Viel wichtiger ist es, zunächst genau zu analysieren, wie ich zu der für mich ungünstigen Situation beigetragen habe“, erklärt von Courbière.. „Es gibt schließlich einen Grund, warum niemand bemerkt, was ich geleistet habe. Und den gilt es herauszufinden. Der erste Schritt fängt dabei immer bei mir selbst an. Je besser ich mich kenne, desto effektiver kann ich eine Situation auch steuern.“

Selbst- und Fremdwahrnehmung

Die Mission lautet also: Lerne dich selbst besser kennen. Erst wenn man sich die eigene Wirkung bewusst macht, kann man nachvollziehen, warum das Gegenüber auf eine bestimmte Art und Weise auf mich reagiert. Oder warum der Chef eben auch mal gar nicht reagiert, wenn man eigentlich auf ein anerkennendes Schulterklopfen eingestellt war. Leichter gesagt als getan – denn man kann sich nun einmal schlecht objektiv von außen betrachten. „Meistens ist meinen Kunden gar nicht bewusst, wie sie auf andere wirken. Die Selbstwahrnehmung unterscheidet sich von der Fremdwahrnehmung aber oft ganz erheblich“, rät von Courbière. Denn egal ob Mimik, Gestik, sprachliche Eigenheiten oder einfach bestimmte Verhaltensweisen: Was anderen sofort auffällt, realisiert man selbst meist gar nicht. Genau das, eben diese Außenwirkung, nimmt aber eine Schlüsselrolle in puncto Eigen-PR ein.

„Das kenne ich ja auch von mir: Ich war einmal zu Gast bei einer Theaterpremiere, eine Freundin von mir stand auf der Bühne. Nach der Vorstellung kam sie zu mir und fragte, woran es läge, dass mir das Stück nicht gefallen hätte. Ich war ganz erstaunt, weil ich es ganz im Gegenteil wirklich toll fand. Es hat sich dann herausgestellt, dass ich die ganze Zeit über wie ein überkritischer Casting-Agent geblickt hatte. Also mit herabhängenden Mundwinkeln, zusammengekniffenen Augenbrauen und grimmigem Gesichtsausdruck. Mir selbst war diese Außenwirkung bis dahin absolut nicht bewusst. Seitdem berücksichtige ich das und versuche – wenn es die Situation erfordert – daran zu arbeiten.“ 

Körpersignale bewusst senden

Wichtig ist eine möglichst objektive zweite Instanz, die ohne große Beschönigungen aufzeigt, wie man de facto auf andere wirkt. Ein probates Mittel dafür sind Video-Aufnahmen. Um ein besseres Gefühl für den eigenen Ausdruck zu bekommen, filmt von Courbière deshalb seine Kunden, etwa, wenn sie einen Vortrag halten. Danach wird das Material gemeinsam ausgewertet. Dem einen fällt dann plötzlich auf, dass er in jedem zweiten Satz ein „quasi“ einbaut, dem anderen, dass er unablässig mit den Fingern auf den Tisch trommelt. „Natürlich soll man sich dabei nicht komplett verstellen, denn Authentizität ist im Gegenteil elementar für erfolgreiches Selbstmarketing. Aber man kann das eigene Potenzial besser ausschöpfen, wenn man mit diesen Dingen bewusst umgeht“, so von Courbière. In gewisser Hinsicht würde also jedem ein kleines Schauspiel-Training ganz gut tun. Nicht, weil man dadurch lernt, sich zu verstellen, sondern, weil man die eigenen Signale bewusster wahrnimmt. Wer der Meinung ist, dass teatrum mundi aber nun mal nicht für jede Branche und jede Position von Bedeutung sei, dass fachliche Kompetenz trotz allem den Ausschlag gäbe, der sollte sich eine Studie des amerikanischen Sozialforschers Albert Mehrabian vergegenwärtigen. Der hat ermittelt, dass die Testpersonen bei Vorträgen 55 Prozent der positiven Wirkung allein durch den äußeren Eindruck erzielen konnten. Körperhaltung und Blickkontakt sind also nicht zu unterschätzen. 38 Prozent des Effekts waren auf die Stimmlage des Redners zurückzuführen. Auch daran kann und sollte man demnach arbeiten. Lediglich sieben Prozent machte der eigentliche Inhalt aus – damit ist Selbstmarketing von enormer Relevanz.

Die Reise ins Ich – alte Verhaltensmuster überwinden

Beherrscht man das ABC der Körpersprache, ist also schon viel gewonnen. Soll sich allerdings langfristig etwas verbessern, dann muss man weit tiefer blicken. Und zwar nach innen: Man muss sich dem eigenen Ich stellen. Von Courbière hat bei seiner Arbeit immer die gesamte Persönlichkeit des Kunden im Auge. In Einzelsitzungen lotet er auch den psychologischen Hintergrund seines Gegenübers aus. „Ehrlichkeit sich selbst gegenüber spielt dabei eine entscheidende Rolle. Manchmal muss man sich von dem Bild, das man bisher von sich hatte und gerne zeichnete, lösen. Das kann schon mal schmerzhaft sein.“ Von Courbière fördert Stück für Stück zutage, was seine Kunden geprägt hat und was sie beschäftigt „Wenn der Kunde plötzlich sagt: Ach, was mir dazu gerade einfällt, ist, dass ich schon immer …, dann merke ich: Jetzt bin ich am entscheidenden Punkt angelangt, jetzt haben wir das Kernproblem und damit den Schlüssel gefunden.“ Wenn man beispielsweise als Kind oft das Gefühl hatte, nicht ernst genommen zu werden, dann kann das auch noch Jahre später bestimmte Eigenheiten nach sich ziehen, die sich in der Berufswelt als Störfaktor erweisen können. Eventuell reagiert man überempfindlich auf Äußerungen, die eigentlich nicht persönlich gemeint waren und verbaut sich damit so manche Chancen.

Es gilt also zu erkennen, welche individuellen Mechanismen einen bisher behinderten.  „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und meist sind bestimmte Verhaltensweisen über die Jahre zu festen, automatisierten  Mustern geworden, die das Gehirn routinemäßig abspielt. Wenn man aber versteht, wie und aus welchen Beweggründen sie entstanden sind, dann kann man sie auch bewusst ändern. Jeder kann lernen, welche Knöpfe man drücken muss, um eben auch mal ein anderes, der Situation zuträglicheres Programm abspielen zu können. Das kostet zwar etwas Mühe, weil man sich im Vorfeld mit sich selbst auseinandersetzen muss und es zunächst ungewohnt ist, aber es macht sich bezahlt.“ Statt den Kollegen beispielsweise wie üblich beweisen zu wollen, dass man besonders fleißig ist, indem man stets als Letzter das Haus verlässt, sollte man vielleicht lieber ein lockeres Gespräch am Ende des Tages suchen. In ungezwungener Atmosphäre kommen Dinge zur Sprache, die einem nützlich sein können und man knüpft Kontakte, die vor lauter Arbeitswut bisher nicht zustande gekommen sind. „Wenn man die ausgetretenen Pfade einfach mal verlässt, werden plötzlich Dinge möglich, die man sich bis dahin selbst zunichte gemacht hatte.“

Ziele formulieren: Konkret und realistisch

Nicht zu unterschätzen ist die Bedeutung von Zielsetzungen. „Wichtig ist dabei, dass ich es erstens konkret formuliere und dass es zweitens auch realistisch ist. Wenn man sich also ganz allgemein vornimmt, Erfolg haben zu wollen, dann ist das zu schwammig, das führt zu nichts. Oder wenn eine Auszubildende plant, in zwei Jahren Bankdirektorin zu werden, dann ist das auch nicht zielführend, weil es schlicht an der Wirklichkeit vorbei gedacht ist“, erklärt von Courbière. Stattdessen sollte man also besser Schritt für Schritt überlegen, welche realistischen Teilziele konkret erfüllt werden müssen, damit das Hauptziel in absehbarer Zeit auch tatsächlich erreicht werden kann.

Eigeninitiative gesucht

„Von allein passiert gar nichts“, weiß von Courbière. „Das sollte man sich immer wieder vor Augen führen. Wenn ich also möchte, dass mein Chef meine Leistungen  wahrnimmt, dann bringt es nichts, dieses Vorhaben auf ein endloses Wartegleis zu verschieben und zu hoffen, dass es von selbst passiert. Ich muss einen Plan aufstellen, aus dem klar hervorgeht, wie ich das in die Tat umsetzen kann.“

Beispielsweise kann es hilfreich sein, von sich aus regelmäßig das Gespräch zu suchen. Indem man ausführt, wie weit ein Projekt sich entwickelt hat, welche Probleme aufgetreten sind, wie man sie lösen konnte und was in Zukunft noch ansteht, bindet man den Chef in die eigene Arbeit mit ein. Dass man viel Energie investiert und gute Ideen einbringt, bekommt er dann ganz nebenbei mit.

Sind regelmäßige Besprechungen nicht möglich, kann man es auch damit probieren, dass man sich bei passender Gelegenheit offenkundig über ein gelungenes Projekt freut. Etwa: „Ich bin wirklich froh, dass das alles so gut funktioniert hat. Ich musste zwar noch einmal alles überarbeiten, aber es hat sich letzten Endes doch gelohnt.“ Die eigene, aktive Beteiligung am Gelingen bringt man also eher im Subtext zum Ausdruck, im Vordergrund steht das Gesamtprodukt. Die Gefahr des Eigenlobes ist damit umschifft.

Zuhören und beobachten

Erfolgreiche Eigen-PR wird aber nicht nur durch gekonntes Selbst-Präsentieren erreicht. Wenn wir auf Dauer zu sehr mit uns selbst beschäftigt sind, entgehen uns manchmal sogar nützliche Informationen. Man sollte den Blick also immer auch nach außen richten. Durch einfaches Beobachten der Kollegen und aufmerksames Zuhören kann schon viel in Sachen Selbst-Marketing vorangetrieben werden. Nicht selten sind es nämlich die kleinen Nuancen, die Signale der anderen, die uns Aufschluss darüber geben können, worauf wir mehr achten sollten, um es in die Königsklasse  der Selbstvermarkter zu schaffen. Es ist bereits viel gewonnen, wenn man die eigenen Antennen für zwischenmenschliche Befindlichkeiten trainiert und sensibilisiert. Nach eingehender Selbstanalyse darf man den (nun geschärften) Blick also ruhig mal wieder auf seine Umgebung richten.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Kommunikations-Controlling, Evaluation und Eigen-PR. Das Heft können Sie hier bestellen.

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