Herbert Diess ist nicht mehr Social-CEO

Volkswagen

Herbert Diess ist nicht mehr Volkswagen-Chef. Der Österreicher hat den CEO-Posten an Oliver Blume übergeben. Die Kommunikationsszene beobachtete vor allem die Social-Media-Aktivitäten von Diess sehr genau. Er verlässt den Konzern bei einem Stand von circa 290.000 Followern auf Linkedin und rund 51.000 Followern auf Twitter. Das Ende von Diess als Vorstandsvorsitzender wollten Konzern und Noch-CEO dann doch ein bisschen zelebrieren. Likes und positive Kommentare kann man immer gebrauchen. Zu den obligatorischen Abschiedsposts gab es also noch ein Kurzvideo von seiner Rede bei der Verabschiedung in einem Restaurant am Mittellandkanal. Dazu ein rund 40-minütiges Gespräch, in dem Diess auf die vergangenen Jahre zurückblickte.

Der 63-Jährige und sein Team aus der Unternehmenskommunikation haben in Sachen Social Media in den vergangenen Jahren hervorragende Arbeit geleistet. In der CEO-Kommunikation kann das Beurteilungskriterium niemals sein, ob jemand möglichst viele Follower ansammelt oder sein eigenes Profil schärft. Bekanntheit ist kein Wert an sich. Der Volkswagen-Kommunikation ist es dagegen gelungen, mithilfe von Social Media den Eindruck zu verstärken, dass sich das Unternehmen grundlegend gewandelt hat und besser werden will.

Der Konzern steckte nach dem Dieselskandal in einer tiefen Krise, die bis heute nachwirkt. Einige Top-Manager brachten eine gehörige Portion kriminelle Energie mit, was sie teilweise vor Gericht und in einigen Fällen im Gefängnis landen ließ. Volkswagen und die anderen Marken produzieren außerdem weiterhin Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor mit den entsprechenden CO2-Emissionen, was Kritik an Automobilunternehmen die Tür öffnet. Trotzdem hat sich Volkswagen als der deutsche Automobilhersteller positioniert, der am nachdrücklichsten an die Überlegenheit von Elektromobilität glaubt und bereit ist, sich mit dem technologisch übermächtigen Konkurrenten Tesla zu messen.

Begeisterung für Technologie

Elektromobilität wird sich in der breiten Masse nur durchsetzen, wenn die Infrastruktur gegeben ist und der Preis der Fahrzeuge stimmt. Die zweite Voraussetzung ist allerdings, dass die Menschen überhaupt Lust haben, mit den E-Autos zu fahren. Dafür muss Begeisterung für die Technologie entstehen. Emotionalität. Ein CEO, der diese Begeisterung überzeugend nach außen vertritt und als eine Art Über-Influencer fungiert, ist dann ein großes Plus.

Diess konnte hier in den Social Media einige Akzente setzen, beispielsweise als er mit seiner Tochter in einem Elektrofahrzeug nach Italien fuhr und diese Reise mit Fotos selbst dokumentierte. Oder als er mit Tesla-Chef Elon Musk auf dem Flughafen Braunschweig-Wolfsburg eine Spritztour im ID.3 unternahm. Die Botschaft: Wir haben Fahrzeuge, die Spaß machen und funktionieren. Auch der Ritt mit einem E-Surfboard am Firmengelände in Wolfsburg symbolisierte Technologiebegeisterung. Nebenbei zahlte die Aktion positiv auf das Image des Konzernchefs als „the friendly one“ ein.

Anders als beim ehemaligen Siemens-CEO Joe Kaeser, dessen politische Posts ihm zwar reichlich Aufmerksamkeit brachten, aber überwiegend seiner eigenen moralischen Selbstverortung dienten, wirkte die Kommunikation von Diess deutlich durchdachter und strategischer.

Für Volkswagen sind China und die USA wichtige Märkte. Insbesondere in den USA, wo der Dieselskandal seinen Anfang nahm, hat der Konzern Nachholbedarf in Sachen Reputation. US-Medien wie die Nachrichtensender Bloomberg und CNN schauen genau, wie Unternehmen und deren führende Repräsentanten in den Social Media agieren. Häufig nutzen sie Äußerungen von CEOs auf Twitter oder Linkedin als Aufhänger für ihre Berichterstattung, was einen direkten Einfluss auf die Meinungsbildung von Investoren und Multiplikatoren hat. Unter diesem Gesichtspunkt war der Schritt, Diess auch auf Twitter kommunizieren zu lassen, absolut richtig.

In der internen Kommunikation übernimmt Linkedin immer mehr die Funktion eines Intranets. Die Angestellten von Volkswagen konnten so ebenfalls sehen, was ihr CEO erlebt, und erfahren, was ihm wichtig ist. Vor allem über Videos und Bilder entsteht eine Nahbarkeit, die Textbeiträge nur schwer herstellen können. Volkswagen etablierte hier neue Formate für seinen CEO. Der Konzern, der bisher als verschlossen und hierarchisch galt, wurde ein Stück weit transparenter.

Klar ist auch: Kommunikation, die eine Person derart ins Zentrum rückt, wie es bei Diess der Fall war, gefällt nicht allen im Unternehmen. Deshalb verwundert es nicht, dass Wirtschaftsmedien zum Abschied von Diess über Kritik an seiner Überpräsenz berichteten. Insbesondere dem Aufsichtsrat und Vorstand war das alles offenbar „too much“, was immer dann zum Problem wird, wenn es auf geschäftlicher Ebene berechtigte Angriffspunkte gibt. Von außen betrachtet ist Volkswagen in den vergangenen Jahren in den Social Media ohne größere Fehler unterwegs gewesen. Shitstorms gab es nicht, wenn man von der dummen Idee absieht, so zu tun, als ob man sich in den USA in Voltswagen umbenennen will. Außerhalb von Social Media agierte Diess dagegen nicht immer glücklich. Beispielsweise äußerte er sich gegenüber der BBC einmal völlig unglaubwürdig zu eindeutig belegten Menschenrechtsverletzungen in China.

Wie der neue Volkswagen-CEO Oliver Blume Social Media nutzen will, ist bisher nicht bekannt. Blume besitzt weder einen eigenen Twitter- noch einen Linkedin-Account. Kommunikationschef Sebastian Rudolph, der die Funktion zusätzlich zu seinem Job bei Porsche übernommen hat, pflegt auf seinem eigenen Linkedin-Profil jedenfalls einen sehr offenen Stil. Es ist also nicht auszuschließen, dass Blume an dem anknüpfen wird, was Diess angefangen hat, und in die häufig einschläfernde CEO-Kommunikation in Deutschland ein kleines bisschen Action bringt.

Update: In einem “Handelsblatt“-Interview antwortete der neue Volkswagen-CEO Oliver Blume am 1. September auf die Frage “Werden Sie demnächst vielleicht doch einen LinkedIn-Auftritt starten?” mit “Für die Zukunft will ich das nicht kategorisch ausschließen. Wichtig ist mir, dass es um unser Unternehmen, unsere Marken, Produkte und Menschen geht”.


 

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