Wie man Frames erkennt

Eine Frage der Deutung

Die meisten Menschen glauben, dass es bei einer guten Pointe um humorvolle Unterhaltung geht. Tatsächlich ist der Witz oft nur ein Vehikel, um das psychische Immunsystem von Menschen zu unterlaufen und eine gezielte Botschaft leichter zu platzieren. Humor hebelt das psychische Immunsystem durch starke Emotionen aus, die ein Lachen hervorrufen. Am Ende vermittelt uns jede gute Pointe eine neue Bedeutung und eine neue Sichtweise auf Vertrautes. 

Beispiel: Zwei Kinder streiten. Das eine sagt: „Du wurdest ja adoptiert!“ Antwortet das andere: „Na und? Mich wollten sie wenigstens.“ Diese Pointe des deutschen Comedians Markus Krebs veranschaulicht, wie das Konzept Framing funktioniert. Der erste Satz ruft in uns ein Klischee hervor, einen erlernten Frame. Denn alles, was wir über die Welt wissen, wurde in solch kleinen Informationseinheiten im Gehirn abgespeichert.

Der Frame „adoptiert“ etwa dürfte bei den meisten von uns als problembehaftetes Thema abgespeichert sein. Diese Aussage gibt also eine Richtung vor, ruft beim Zuhörer eine gewisse Erwartungshaltung ab. Der zweite Satz beinhaltet eine Umdeutung dieser Erwartung – professionelle Comedians bezeichnen das als Punchline. Das schwierige Thema wird von einer neuen und im vorliegenden Fall sogar positiven Perspektive aus betrachtet. 

Es gilt allerdings zu bedenken, dass nicht jedes Framing automatisch gelungen ist: Je weiter die Pointe – der neue Frame – von der bisherigen Erwartungshaltung entfernt ist, desto stärker fällt die emotionale Reaktion aus. Und genau darum geht es bei einer guten Pointe und auch beim Framing. Humor ist ein wunderbares Mittel, um kreativ zu sein, und Framing der Königsweg dorthin.

Alles nur Manipulation?

Der Framing-Effekt besitzt das Potenzial, vertrauten Dingen eine neue Bedeutung zu geben. Das kann unsere subjektive Wirklichkeit auf erstaunliche Weise beeinflussen. In Bereichen wie Psychologie, Werbung oder Public Relations wird Framing bereits seit Jahrzehnten mehr oder weniger bewusst eingesetzt, um Menschen neue Sichtweisen zu eröffnen. Dabei wird immer wieder Kritik laut, die das Konzept des Framing in die Nähe manipulativer Techniken rückt. So auch in Politik und Medien.

Mit dem Framing-Effekt verhält es sich wie mit einem Messer: Man kann es nutzen, um Gutes zu tun oder um schwere Verletzungen zu verursachen. Gerade in den Bereichen Medien und Politik ist eine wilde Schlacht um die Deutungshoheit durch Framing entbrannt. Politische Akteure machen aus berechtigter Kritik schnell eine „Schmutzkübel-Kampagne“ oder aus Asylsuchenden eine „Flüchtlingswelle“. Und Medien verwandeln den Klimawandel kurzerhand in eine „Klimakrise“, eine „Klimalüge“ oder in einen „Klimanotfall“.

Mit jedem dieser Begriffe ändert sich unser Blickwinkel auf subtile Weise und in der Folge auch unsere Einstellung zu diesen Themen. Und je mehr die Menschen über Framing erfahren, desto häufiger taucht der Verdacht gezielter Manipulation auf. Die Kontroverse rund um das sogenannte Framing-Manual der ARD ist hierfür ein Beispiel. Dieses sollte Mitarbeitern der Sendeanstalt eine moralische Argumentationshilfe an die Hand geben, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk positiver dargestellt werden kann. 

Kommunikation ist niemals unschuldig. Wer versteht, wie Framing funktioniert, kann sich die Deutungshoheit über die Wirklichkeit sichern und hält somit eines der wirkungsvollsten Kommunikationsinstrumente unserer Zeit in den Händen. 

Framing als innovatives Werkzeug

Ohne die Fähigkeit, Dinge umzudeuten, sprich zu framen, gibt es keine Innovationen und keine Zukunftsvisionen. 

Machen wir es mal konkret: Der Bau des Eurotunnels unter dem Ärmelkanal verschlang rund sechs Milliarden Pfund. Das Ergebnis: Die Reisezeit von London nach Paris hat sich für diese gigantische Summe um magere 40 Minuten verkürzt. Vielleicht wurde ja zu Beginn des Projektes die falsche Frage gestellt. Denn anstatt zu fragen, wie sich 40 Minuten Fahrtzeit einsparen lassen, hätte man sich überlegen sollen, wie diese 40 Minuten für die Fahrgäste zur wertvollsten Zeit des Tages werden können. 

Als Ideen hierfür seien genannt: Wohnzimmeratmosphäre, Entertainment Center, kostenlose Massage, Meeting-Abteile, persönlicher Service für jeden Fahrgast oder gratis Essen. Die Aufwendungen für all diese Maßnahmen würden lediglich einen winzigen Bruchteil der tatsächlichen Baukosten ausmachen. 

Wie bei einer guten Pointe zählt auch in diesem Fall ein gelungenes Framing zum entscheidenden mentalen Werkzeug, um einen Sachverhalt aus einer neuen Perspektive betrachten zu können. Denn nur wenn es gelingt, den Standpunkt zu ändern, verändert sich der Blickwinkel auf eine Sache und somit auch die Bedeutung. 

Weiter kann man durch Framing Innovationen entwickeln, indem man gut gelernte Frames bewusst „bedeutungsoffen“ gestaltet. Beispielsweise hat fast jeder eine Vorstellung davon, was eine Coca-Cola-Flasche aus Glas ist. Sobald Sie dies lesen, wurde bereits der entsprechende Frame in der Vorstellung aktiviert. Nun könnte man bewusst an die „Zerstörung“ dieses Frames gehen und fragen, was die Flasche sonst noch alles sein könnte. Steckt man eine Blume in die Öffnung, wird sie zur Vase, füllt man sie mit Sand vom Strand, wird sie zur Urlaubserinnerung, gerät man mit ihr in einen Straßenkampf, wird sie eventuell zur Waffe. 

Etablierte Frames zu „knacken“ ist ein bewusster Vorgang und passiert in unserem Kopf nicht einfach so. Wer mit Frames auf diese Weise spielt, findet neue Geschäftsfelder, neue Anwendungsmöglichkeiten, neue Produktkategorien oder vielleicht sogar neue Wege, um Kunden zu gewinnen. 

Der Unternehmer Elon Musk hat mit der von ihm 2013 vorgestellten Innovation „Hyperloop“ der alten Idee der Rohrpost einen neuen Frame gegeben. Er übertrug sie vom Bereich der „Hauspost“ in den Bereich „Mobilität“. Ein Reframing einer alten Idee, um eine bahnbrechende Innovation zu entwickeln. Worum es geht? Menschen werden in Kapseln in einem Rohrsystem durch Unterdruck auf über 800 Stundenkilometer beschleunigt, um sie von A nach B zu transportieren. 

Der gesamte Innovationsbereich beruht auf der Fähigkeit, Altbekanntes neu zu interpretieren und in einem neuen Kontext zu nutzen – also von einem Frame in einen anderen zu wechseln. Framing erweist sich als eine Schlüsselfähigkeit unseres Denkens, die noch zu wenig angewendet wird.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe KRISE. Das Heft können Sie hier bestellen.

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