Relevante Geschichten statt Firlefanz

Beratung

Es gibt Dinge, um die sich Kommunikationschefs besser selbst kümmern. Der persönliche Kontakt und regelmäßige Dialog, ja, manchmal auch der kontroverse Schlagabtausch mit dem eigenen CEO gehören ebenso dazu wie eine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung mit strategischen Unternehmensthemen. Vielleicht sind diese Dinge aber auch die Grundvoraussetzung, dass die Kommunikation nach innen wie nach außen wirken und auch unternehmerisch einen Wertbeitrag leisten kann. Manche Kollegen sprechen von „Basics“ – elementare Dinge, die sie niemals aus der Hand geben würden. Ich halte diese Kollegen für schlau – sehr sogar. Denn sie wissen, wo sie selbst sichtbar werden und Präsenz zeigen müssen und an welchen Stellen ihnen gute Kommunikationsberatungen zu noch mehr Power, noch mehr Durchsetzungskraft und noch mehr Macht im Sinne von Relevanz und Budget verhelfen können.

Eine gute Idee und ein cooles Pitchdeck reichen nicht aus

In rund 20 Jahren, in denen ich kommunikative Verantwortung in Unternehmen tragen durfte, habe ich höchstens mit einer Handvoll Beratungen und Agenturen zusammengearbeitet. Das war eine bewusste Entscheidung. Die Zusammenarbeit war immer nur projekt- oder anlassbezogen, niemals dauerhaft.

Meine reservierte Haltung gegenüber Agenturen und Beratern war recht simpel motiviert. Die Arbeit mit ihnen hat uns zu selten weitergeholfen und nicht substanziell besser gemacht. Weil sie unsere Organisationen und deren Besonderheiten nicht gut genug verstanden haben. Weil sie zu Beginn schlau dahergeredet, am Ende aber zu wenig ins Ziel gebracht haben. Kurzum: weil sie oft zu wenig Ahnung davon hatten, worauf es in Unternehmen tatsächlich ankommt. Denn zur Wahrheit gehört auch: Eine gute kommunikative Idee und ein cooles Pitchdeck reichen nicht aus. Zu einer Idee und einem Deck gehören genauso gute Taktik und Strategie, vor allem aber ein exzellentes Gespür für Menschen, Befindlichkeiten und situative Entscheidungswege in ­Unternehmen.

Über die Jahre habe ich gelernt, an welchen Stellen gute Beratung zu besserer Kommunikation führen kann. Und wo es zielführender ist, auf die eigene Expertise und die eigene Mannschaft zu vertrauen. Dieses Gespür und mehr als 20 Jahre praktische Erfahrung in Dax-Unternehmen und großen Organisationen waren mitentscheidend dafür, dass ich mich Anfang 2023 bewusst für den Seitenwechsel in die strategische Beratung entschieden habe. Den klassischen Weg andersrum zu gehen, der ja üblicherweise von der Agentur ins Unternehmen führt.

Warum? Weil ich davon überzeugt bin, dass dies der bessere Weg ist. Seit meinem Einstieg ins Berufsleben habe ich in verschiedenen Organisationen gelernt, wie Unternehmen, Marken und Menschen funktionieren, was sie für eine effektive Kommunikation, erfolgreiche Positionierung und vor allem in Veränderungssituationen brauchen. Ich habe Verantwortung übernommen, Menschen und Teams geführt, mit ihnen Krisen durchlitten und gemeinsame Erfolge gefeiert. Diese Erfahrung und Expertise ermöglichen es mir heute als Berater, Kommunikation intelligent zu gestalten, Themen und Projekte erfolgreich ins Ziel zu bringen und echten Mehrwert für Unternehmen zu liefern.

Fünf Grundsätze für gute Beratung

In die Platte meines Schreibtischs auf der „anderen“ Seite sind einige „Glaubenssätze“ eingraviert, die mich in der Beratung leiten und von denen ich überzeugt bin, dass sie etwas bewirken.

1. Verstehen du musst.

Mehr zuhören, weniger senden. Erst mal eine Aufgabenstellung verstehen, statt direkt das Blaue vom Himmel zu versprechen. Generell Verständnis für andere haben. Viele Agenturen und Beratungsunternehmen scheinen Schwierigkeiten zu haben, sich in ein Unternehmen hineinzuversetzen und ihre (potenziellen) Kunden individuell zu verstehen. Stattdessen gibt es zu oft 08/15-Konzepte und Standardlösungen, die nicht zur Aufgabenstellung, zur Unternehmenskultur oder den strategischen Zielen passen. Mir fehlen echte Empathie und der Wille, wirklich maßgeschneiderte Lösungen zu ­entwickeln.

2. Think about it – twice.

Neben „Purpose“ wird wohl kaum ein Begriff in unserem Business so strapaziert wie „Kreativität“. Auch ich hatte als Kommunikationschef immer das Ziel, aus der grauen PR-Masse hervorzustechen und mit innovativen, überraschenden Formaten, Maßnahmen und Geschichten zu glänzen. Wer sollte mir dabei besser helfen können als eine kreative Agentur, die sich selbst, aber auch mein Team und mich immer wieder challenged? Auch hier zeigt sich mir zu oft dasselbe Bild: ­lieber auf funktionierende Ideen nach erprobter Methode zurückgreifen, anstatt neue Ansätze zu entwickeln und mutig zu verfolgen. Was am Ende bleibt: uninspirierte Kampagnen ohne Impact, Botschaft und Durchschlagskraft.

3. Kommunikation sitzt mit am Tisch.

Du bist der König, ich bin dein Dienstleister. Ich setze das um, was du von mir haben möchtest. Diese Denke – egal ob auf Unternehmens- oder Agenturseite – verstehe ich bis heute nicht. Ich will als Kommunikationsprofi nicht als Dienstleister wahrgenommen und behandelt werden, als der Typ aus der dritten Reihe. Ich möchte ein respektierter Partner sein, dessen Rat, Meinung und Expertise gewünscht und wertgeschätzt wird. Der mit am Tisch sitzt, wenn die Diskussionen laut werden, es ans Eingemachte geht und Entscheidungen getroffen werden. Der gehört wird, weil er einen klaren Blick auf Zusammenhänge hat, Wahrheiten ausspricht und klar sagt, was kommunikativ erfolgversprechend ist oder nach hinten losgehen kann. Logo, diesen Platz am Tisch müssen wir uns erarbeiten. Mit Fleiß, Performance, Rückgrat, einem gesunden Selbstbewusstsein und einem wachen Geist.

4. Relevanz statt Firlefanz.

„Wenn es nicht hart ist, ist es nicht das Projekt.“ So simpel wie diese Deutschrap-Zeile der Band Rödelheim Hartreim Projekt aus den 90ern ist es auch in der Kommunikation: Wenn dein Thema niemanden interessiert, ist es keine Geschichte. An mangelnder Relevanz in der Zielgruppe scheitern viele Kommunikationsverantwortliche. Niemand hört ihnen zu. Die überbordende Kakofonie der Stimmen, die auf immer mehr Kanälen immer lauter nach Aufmerksamkeit schreien, tut ein Übriges. Was hilft? Statt über die Ungerechtigkeit zu lamentieren, dass Journalisten und andere relevante Multiplikatoren die Segnungen des a) unglaublichen Produkts, b) der bahnbrechend neuen Strategie oder c) eines just auf der Bildfläche erschienenen Heilsbringers einfach nicht verstehen wollen, am besten zurück auf „Los“ beziehungsweise zu den Punkten 1 und 2 gehen. Heißt: Erst mal die Geschichte finden, die Menschen interessiert und begeistert. Und genau überlegen, wie sie neu, anders und überraschend erzählt werden kann.

5. Vom Marketing lernen heißt siegen lernen.

Von Beginn an lese und höre ich von der Rivalität zwischen PR und Marketing. Ich glaube, das ist Quatsch. Die Marketing-Leute waren uns Kommunikatoren lange Zeit ein gutes Stück voraus. Nicht nur wegen der größeren Budgets und Etats, sondern weil sie es verstanden haben, anhand von Kennzahlen den unternehmerischen Wertbeitrag, sprich ihren Anteil am Erfolg der Company, sichtbar zu machen. Während in Pressestellen noch Tonnen an Papier für einen möglichst dicken Pressespiegel ausgedruckt wurden, haben CMOs längst in Vorstandssitzungen ihren Markterfolg sichtbar gemacht. Jahrelang ging das so. Bis Kommunikation vor einigen Jahren Content-Marketing für sich entdeckt hat. Da haben auf einmal etliche Unternehmen festgestellt, dass die glaubwürdigeren Geschichtenerzähler gar nicht im Marketing, sondern in „Comms“ sitzen. Die in der richtigen Tonlage kontextualisieren können, anstatt möglichst laut „Kauf mich!“ zu rufen. Insbesondere digitale Kanäle machen es für Kommunikatoren deutlich leichter und bieten neue Möglichkeiten für intelligentes Storytelling. Und das Beste ist: Digitale Kanäle stellen Metriken, Algorithmen und Datensätze bereit, mit denen Kommunikation jederzeit messbar wird. Gleichzeitig lässt sich so der unternehmerische Wertbeitrag transparent machen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe #Beratung. Das Heft können Sie hier bestellen.