So viele Artikel über ChatGPT – und so viele Meinungen! Die einen glauben, dass dank KI nun alles besser wird, und die anderen sind überzeugt, dass das kreative Armageddon gekommen ist. Niemand möchte zugeben, wie schwer zu verstehen ist, worum es geht oder was als Nächstes passieren wird.
In der Trilogie „Per Anhalter durch die Galaxis“ wird die Geschichte eines Supercomputers erzählt, der die ultimative Antwort auf alles finden soll. Nach siebeneinhalb Millionen Jahren des Nachdenkens wacht der Computer auf und teilt lapidar mit, dass die Antwort „42“ sei. Als die menschliche Kundschaft sich über diese Antwort enttäuscht zeigt, erklärt er, dass man zunächst herausfinden müsse, wie die Frage laute. Dafür müsse man aber einen neuen, viel besseren Computer bauen.
Wenn generative künstliche Intelligenz (GenAI) die Antwort ist – wie lautet dann also die Frage? Versuchen wir es: Wie erstelle ich PR-Texte in Zukunft schneller? Wie kann ich PR billiger machen? Wie kann ich Personal einsparen? Klingt nicht überzeugend. Ist GenAI die Antwort auf eine Frage, die wir bislang nicht gestellt haben?
Annäherung an die unbekannte Frage
Um uns der Frage zu nähern, sollten wir uns vergegenwärtigen, wofür wir PR-Profis jeden Morgen aufstehen. Unsere Aufgabe ist es, die Geschichten unserer Kund*innen zu erzählen, sodass sie bei Menschen ankommen. Bei Menschen. Es gibt auf der Erde keine andere Kundschaft als den Menschen. Das gilt ohne Einschränkungen – alle Algorithmen zwischen Anbieter*innen und Kund*innen sind Filter. Der Mensch kauft im Supermarkt ein, der Mensch schaut Netflix, der Mensch liest Artikel. Diese menschliche Position wird in absehbarer Zeit auch nicht ersetzt. Natürlich hat man schon längst den Computer erschaffen, der mit Pantoffeln vor dem Fernseher sitzen könnte, Ihr Bier trinkt und Ihren Hund streichelt. Aber den braucht kein Mensch. Abnehmer für alle unsere Produkte und unsere Kommunikation ist der Mensch. Sogar für Katzenfutter. Die Katze würde immer das Filet kaufen.
Also lässt sich die Frage für die PR-Branche auch ohne Supercomputer stellen: Wie erzählen wir die Geschichten unserer Kund*innen so, dass sie beim Menschen ankommen? Jetzt wird klar, dass ChatGPT ein Teil der Antwort auf diese Frage sein kann – ein Teil, ein Werkzeug, ein ziemlich gutes. Es geht nicht um Ersatz. Es geht nicht um „Mensch oder Maschine“. Frei nach John F. Kennedy: „Frage nicht, was du für die Maschine tun kannst. Frage, was die Maschine für dich tun kann!“
Der Mensch entscheidet und hat die Macht. Das ist eine gute Nachricht, oder?
PR ist dann erfolgreich, wenn Geschichten unserer Kund*innen freiwillig weitergegeben werden, weil die Zielgruppe sie für relevant und authentisch hält. Relevant findet unser Publikum Inhalte, die spannende Fakten unterhaltsam vermitteln. Und die Gedankengänge des Autors oder der Autorin nachvollziehbar sind.
Dann schlägt jeder PR- den Werbeetat: PR verteilt sich von selbst weiter, weil der Mensch sie als relevant erachtet. Warum sind Influencer*innen so erfolgreich? Sie geben den vermittelten Informationen ein Gesicht und einen Charakter. Wir Konsument*innen können uns also entscheiden, für wie glaubwürdig wir Influencer*innen halten und wie wir ihre Inhalte interpretieren möchten.
GenAI braucht den Menschen
Viel zu oft wird der Erfolg von TikTok durch den Algorithmus erklärt. Der Algorithmus tanzt aber nicht für mich. Soziale Medien leben nicht davon, Menschen zu ersetzen, sondern mithilfe von Algorithmen möglichst viel (Geld) aus den Creator*innen zu machen, die erfolgreiche Inhalte für Menschen herstellen. Vielleicht hat der Mensch nie GenAI gebraucht, aber GenAI braucht garantiert den Menschen.
Ein solches Gesicht, einen solchen Charakter hat ChatGPT nicht – es hat keinen Standpunkt und keine Perspektive und es kann uns nicht sagen, wie es dazu kam, bestimmte Schlussfolgerungen aufzuschreiben. ChatGPT kann für uns Bücher in Sekunden zusammenfassen, Massen von Informationen vergleichen oder neue Szenarien entwickeln. ChatGPT kann in jede Richtung schreiben – und dies zu 100 Prozent dialektisch und beliebig. Wir Menschen wollen aber keine beliebigen Inhalte. GenAI kann also nicht den Menschen ersetzen. GenAI kann helfen, fundierter PR zu machen. Wenn KI sich so nutzen lässt, dass sie uns hilft, beim Menschen besser anzukommen, wird es wirklich spannend. Andernfalls ist ChatGPT als Antwort ähnlich sinnvoll wie 42.
Der fiktive Reiseführer „Per Anhalter durch die Galaxis“ erklärt außerdem, dass Erdbewohner durchschnittlich 2,4 Beine haben und einen Hund besitzen: ein wunderbares Beispiel für Algorithmen, die ohne ihr Herrchen nicht wissen, was falsch und richtig ist.