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Corona! Kaum ein Ereignis der letzten Jahrzehnte schlug so unerwartet und mit einer solchen Wucht in unseren Alltag ein. Umsätze auf null, Mitarbeiter:innen in Kurzarbeit, Lieferketten zusammengebrochen, Wettbewerber kurz vor dem Aus, die eigene Liquidität mühsam aufrechterhalten – der Ground Zero für Unternehmenslenker:innen und ihre lang ausgetüftelten Produkt-, Corporate-Development-, Kommunikations-, Public Affairs- und Positionierungsstrategien. Mehr Kontrollverlust war selten – in einer ohnehin schon dynamischen Zeit globaler Verflechtungen, geopolitischer Auseinandersetzungen, industrieller Umbrüche, digitaler Verwundbarkeit, neuer Arbeitswelten und gesellschaftlicher Polarisierungen.
Fest steht auch, dass wirtschaftliches Handeln noch nie unter größerer öffentlicher Beobachtung und gesellschaftlichem Legitimationsdruck stand als in den Monaten seit Beginn der Corona-Pandemie. Krisenresilienz ist eben nicht allein eine autopoietische Kategorie, sondern drückt sich vor allem in der Frage aus, welche Relevanz ein Akteur für die Stabilisierung seiner gesellschaftlichen Umwelt entfalten kann. Und das wird sich so schnell auch nicht mehr ändern. Hinzu kommt: Die „neue Normalität“ fühlt sich derzeit eher an wie eine „neue Unsicherheit“.
All das stellt völlig neue Herausforderungen an die Entwicklung und Umsetzung von Unternehmensstrategien, an die strategische Kommunikation von Unternehmen und die Reputation ihrer Führungskräfte. Mehr denn je müssen wir in einer Post-Corona-Welt davon ausgehen, dass klassische Strategieprozesse von der Realität überholt und Strategien obsolet werden, bevor sie überhaupt wirksam werden konnten. Entsprechend flexibel muss die Kommunikation auf all diese Unwägbarkeiten reagieren können. Es geht um neue Fähigkeiten eines agilen und adaptiven Strategiemanagements, um Anpassungsfähigkeit, ohne dabei beliebig zu werden.
Hinzu kommt, etwa wenn man sich die Debatten um Staatshilfen, Dividenden, nötige Restrukturierungen und Sparmaßnahmen anschaut: Längst sind nicht mehr alle Strategien, die unternehmerisch legal sind, auch gesellschaftlich legitim. Das hat einen entscheidenden Einfluss darauf, wie wir in den nächsten Monaten und Jahren kommunizieren: Mit und nach Corona muss Kommunikation noch viel stärker als zuvor mit gesellschaftlicher Akzeptanz legitimiert werden, um durchsetzbar zu sein. Diese gesellschaftliche Akzeptanz muss entweder aktiv gestärkt oder erst herbeigeführt werden, womit sich der Instrumentenkasten von Kommunikation und Public Affairs für Unternehmen und Verbände weiter Richtung öffentlicher Diskursfähigkeit verschiebt. Das gilt nicht zuletzt, weil Politik mit Blick auf das Wahljahr 2021 künftig alles auf Wahlkampftauglichkeit prüft. Je näher wir an die Wahl heranrücken, werden Corona- und Nicht-Corona-Maßnahmen öffentlich legitimiert werden müssen. Darauf gilt es sich mehr denn je inhaltlich, strukturell und instrumentell vorzubereiten.
Agiles Denken und Entscheiden auf Basis belastbarer Echtzeiterkenntnisse aus Politik und Gesellschaft werden damit essenziell. Es braucht unternehmerische und kommunikative Steuerungsinstrumente, die in der Lage sind, gesellschaftliche Stimmungen und Veränderungen seismographisch genau zu detektieren und deren Erkenntnisse in Echtzeit für die Entscheidungsfindung verwertbar zu machen. Durch einen solchen Prozess entsteht in Organisationen gewissermaßen eine gesellschaftspolitische Due Dilligence, die Entscheidungen vorbereitet und frühzeitig auf ihre Akzeptanz und Durchsetzbarkeit prüft. Außerdem braucht es eine permanente Rapid-Response-Fähigkeit von Organisationen in Richtung Öffentlichkeit und Teil-Öffentlichkeiten – mit entsprechenden Prozessen, eigenen Kanälen und mobilisierbaren Communities.
Ohne diesen Echtzeit-Legitimationsfilter und eine deutlich erhöhte kommunikative Reaktionsfähigkeit können unternehmerische Entscheidungen in der Post-Corona-Welt nicht mehr oder höchstens mit massiven Reputations- und Kostenrisiken getroffen und durchgesetzt werden. Die Balance aus wirtschaftlicher und politisch-gesellschaftlicher Intelligenz wird in der Welt nach Corona stärker denn je über Erfolg und Misserfolg von Organisationen sowie über deren langfristige gesellschaftliche Legitimierung entscheiden.