Fünf Versuchungen eines CEO

Rezension zum amerikanischen Undergroud-Bestseller

Sie lieben Ihren Status, haben unter Ihren Mitarbeitern Freunde gefunden, denken detailverliebt über Entscheidungen nach, werden nie kritisiert – und finden das gut? Reingefallen! Zumindest, wenn man den Gedanken des kalifornischen Beraters Patrick Lencioni folgt. Er hat aus unzähligen Gesprächen klassische Verhaltensweisen von Führungsspitzen destilliert und daraus fünf Versuchungen eines CEO abgeleitet; und das bereits vor siebzehn Jahren. 1998 galt „The Five Temptations of a CEO” in den USA als Underground-Bestseller. Nun ist die Erzählung auf dem deutschen Buchmarkt erschienen und macht damit auch hierzulande CEOs nachdenklich.

Die Sehnsüchte der Chefs

Lencionis Rezept ist einfach: Er packt die Führungskräfte bei ihren ureigenen Sehnsüchten, den grundlegenden Bedürfnissen jedes Charakters: Liebe mich, bewundere mich, streite nicht mit mir. Im privaten Raum kann letzteres, das Streben nach Harmonie, beispielsweise durchaus in Ordnung sein – im Job gehört es zu einer Versuchung, der es zu widerstehen gilt; Versuchung Nummer vier.

Doch der Reihe nach. Schließlich führt Lencioni seine Leser auch behutsam an die fünf Versuchungen heran. Statt im klassischen Stil der Management-Literatur Tipps als Anleitung in direkter Leseranrede vorzutragen, nutzt Lencioni zwei Kniffe, um den Leser zu locken und zu halten: Er präsentiert seine Botschaften leicht konsumierbar als (erzählte) Liste – es sind nur überschaubare fünf Versuchungen –, und personifiziert sie durch eine Erzählfigur. Sie fungiert als Prototyp für alle Führungskräfte dieser Welt, und bietet sich hervorragend als Projektionsfigur an.

Andrew O’Brian am Ende

Die fiktive Geschichte wird von Andrew O’Brian erzählt. Er ist Geschäftsführer bei Trinity Systems und wurde vor einem Jahr befördert. Es ist der Abend vor seiner ersten Vorstandssitzung, und Andrew hat Angst. Angst, dass der Vorstand ihn für seine schlechten Ergebnisse kritisiert, die Beförderung womöglich bereut. Als dann auch noch die Bay Bridge gesperrt ist, nimmt er die U-Bahn (seit zehn Jahren das erste Mal) und trifft dort auf Charlie. Dieser bringt ihm die fünf Versuchungen näher, indem er Fragen stellt und Andrews Antworten darauf hinterfragt. (Wieso  finden Sie Chef sein so kompliziert? Was war der beste Tag in Ihrer Karriere?  Wie sind Sie mit Ihrem Marketingleiter umgegangen, bevor Sie ihn gefeuert haben? …)

Andrew wird wütend, ungehalten, selbstgerecht – aber es entsteht langsam noch etwas Neues in dem Gespräch: ein Aufhorchen nach Innen. Andrew beginnt, sich selbst zu verstehen und versucht natürlich niederzuringen, was das mit ihm macht. Er wehrt sich gegen die entwaffnenden Worte. Doch Charlie ist resistent gegen Andrews überhebliche Versuche, die Diskussion zu „gewinnen“. Er ist einfach nie beleidigt, stellt Andrew fassungslos fest.

Entscheiden Sie selbst!

Patrick Lencionis erzählerisches Können verhilft ihm sicher nicht in die Riege der Edelfedern, aber das muss es auch gar nicht. Denn seine unauffällig formulierte kleine Erzählung erfüllt ihren Zweck: Sie liest sich lockerleicht, bietet erfrischende Anlässe zum Nachdenken, Grübeln, Prüfen… Wann habe ich zuletzt meinen eigenen Karrierestatus gesichert, statt dem Unternehmen zu guten Ergebnissen zu verhelfen? Habe ich mein Team nicht zur Verantwortung gezogen, weil ich Angst hatte, mich unbeliebt zu machen? Oder statt eine klare Entscheidung zu treffen, die Angelegenheit zeitraubend analysiert? Schlichtete ich Diskussionen zwischen Mitarbeitern, damit wir nicht streiten? Habe ich schon einmal vermieden, dass Mitarbeiter meine Arbeit beurteilen, um nicht kritisiert zu werden?

Man liest diese Parabel und kann nun selbst entscheiden: Gehe ich durch den kurzfristigen Schmerz und biete meiner Selbsttäuschung die Stirn? Oder ­bleibe ich in meiner Komfortzone, verdränge ­meine Führungsprobleme, und dulde damit ­latentes Leid?
Was würden Sie tun?

 

Patrick Lencioni. „Die fünf Versuchungen eines CEO“. Wiley-VCH. 19,99 Euro.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Strategie – wie man erfolgreich plant. Das Heft können Sie hier bestellen.

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