Galionsfiguren für Veränderung

Leadership

Vielfältigere Top-Etagen, ein breiter gesellschaftlicher Resonanzboden für Frauenkarrieren und veränderte Arbeitskulturen – all das führt dazu, dass das ehemals leicht verstaubte Thema „Frauenförderung“ an vielen Stellen einem neuen Narrativ gewichen ist. Weibliche Spitzenmanagerinnen stehen heute für Zukunftsthemen wie Digitalisierung, Mobilität sowie neue Führungs- und Unternehmenskulturen. Kurzum, sie sind die Galionsfiguren für Veränderung. In unsicheren und instabilen Zeiten braucht die Wirtschaft vor allem Leader*innen, an denen sich die Menschen orientieren können. Wie also organisieren Spitzenmanagerinnen ihre eigene öffentliche Wahrnehmung?

Wirft man einen Blick auf das Boston Consulting-Ranking der 100 einflussreichsten Wirtschaftsfrauen in Deutschland, wird schnell klar, dass nicht wenige der dort gelisteten Personen in erster Linie daran arbeiten, ihren „Personal Brand“ zu kommunizieren.

Konkret bedeutet das: Sie informieren ihre digitale Gefolgschaft über eigene öffentliche Auftritte, geführte Interviews oder den Sprung auf die Bestenliste. Darüber hinaus geben die Frauen persönliche Einschätzungen zu populären Themen wie New Work oder moderne Führung ab – dies allerdings häufig emotional und reflexhaft. Meist strapazieren sie immer dieselben rhetorischen Ableitungen. Geht es beispielsweise um das Thema Frauen in Führung, wird oft das Argument angeführt, gemischtere Teams seien produktiver. Was auf der Strecke bleibt: Sie nutzen ihre formale Macht zu wenig, um zu signalisieren, welche Verantwortung sie selbst konkret für ihr Unternehmen übernehmen.

Denn die Zeiten sind passé, in denen Spitzenfrauen automatisch in die „Gender Diversity-Schublade“ einsortiert wurden. In der Vergangenheit haben einzelne Top-Managerinnen Reputationsverluste erleiden müssen, weil es in der öffentlichen Wahrnehmung eine Abkopplung zwischen dem Personenkult um die Spitzenfrau als „natürliche“ Vertreterin von Diversity in der Führungsspitze und ihrer eigentlichen unternehmerischen Leistung gab – zum Missfallen der betroffenen Frauen, die nicht wie die Gesandten für die Quote wirken, sondern Anerkennung für ihren Unternehmensbeitrag, also die Fortschrittlichkeit ihrer Initiativen, ernten wollten.

Umso bedauerlicher ist es, dass anstatt den Positionierungs-Prozess richtig aufzusetzen und die persönlichen Eigenschaften und Neigungen mit der eigenen Business-Agenda zu koppeln, sich so manche Spitzenmanagerin beim digitalen Schaulaufen mit anderen weiblichen oder auch männlichen Führungskräften verliert. Allein auf den Diversity-Aspekt reduziert zu werden, will sicherlich keine von ihnen. Aber sie tun auch nichts oder zu wenig, um dieser Abkopplung entgegenzuwirken. Das Gefährliche daran: Diesen Frauen wird in der Öffentlichkeit nur allzu schnell der Heldinnen-Status angeheftet. So werden die Damen auf große Bühnen gebeten, kaum wurde der Führungsjob angetreten oder das erste interne Frauen-Netzwerk gegründet.

Unternehmensauftrag zum persönlichen Auftrag machen

Dabei ist es von entscheidender Bedeutung für Glaubwürdigkeit und Vertrauensaufbau, die öffentliche Rolle im Kontext eines modernen Leaderships je nach Debattenschwerpunkt immer wieder neu auszurichten und die unternehmerische Verantwortung von Anfang an ins Kalkül zu ziehen. Gerade das verantwortliche unternehmerische Handeln in puncto Nachhaltigkeit oder auch Gender Equality und Mensch/Maschine-Interaktion sind prädestinierte Profilierungsthemen. Zudem bringt erst das Zusammenspiel dieser Positionierungs-Facetten große Abstrahleffekte für die Arbeitgebermarke, die dann ebenfalls von der Reichweite und der thematischen Relevanz dieser Galionsfiguren profitiert.

Top-Führungsfrauen, die sich öffentlich beispielsweise als „Game Changer“ positionieren, aber letztlich nur über Digitalisierungsvorhaben reden, anstatt sie umzusetzen, deren Stern wird schnell verblassen. Und das Fatale: Dieses Verhalten wirkt sich entsprechend negativ auf die wahrgenommene Leistungsstärke ihres Arbeitgebers aus. Weibliche und männliche CEOs, die als echte Game Changer wahrgenommen werden wollen, sollten vor allem eines sein: empathische, authentische und nahbare Führungspersönlichkeiten, die es verstehen, eine zeitgemäße Corporate Culture zu verkörpern und vorzuleben, und dies gleichzeitig zu ihrer persönlichen Business-Agenda machen.

Eigenschaften, die in Zeiten großer Unsicherheiten, hoher technologischer Komplexität und Perspektivenlosigkeit bei Stakeholdern gut ankommen, sind: Empathie, soziale Kompetenz, Verantwortung, Durchsetzungsvermögen und klare Worte. Darüber sollten sich Frauen in ihrer Rolle als Chef-Kommunikatorinnen im Klaren sein.

Für ihre öffentliche Mission brauchen sie vor allem einen klar erkennbaren Auftrag, mit dem sie sich identifizieren und der sich stets in ihrem Themenspektrum mit unterschiedlichsten Stakeholdern wiederfindet. Die Diskussionen und Dialoge, die daraus entstehen, sollten eine stringente Richtung haben, ob im Gespräch mit der Geschäftsleitung oder in den sozialen Medien. Nur diejenigen, die es verstehen, jedem Stakeholder eine ganz eigene Perspektive auf ein Thema zu geben, genießen intern wie extern höchstes Vertrauen und prägen ihr Image maßgeblich dadurch, die Unternehmensagenda zu ihrer eigenen zu machen.

Allerdings ist die richtige Abstimmung dieses kommunikativen Instrumentariums im unwägbaren Gelände vielfältiger Medienwahrheiten alles andere als trivial. Denn öffentliche Debatten können über Nacht folgenreiche Wendungen nehmen, Echtzeitkommunikation erfordert eine schnellere Taktung der CEO-Aussagen und eigene Positionen brauchen heute mehr denn je eine Anschlussfähigkeit zu gesellschaftlichen Meinungen und Haltungen. Hinzu kommt: Komplexe Sachverhalte müssen ad-hoc in einfache Worte verwandelbar sein.

Social Media als Reflexionsfläche für die eigene Mission

Am besten entwickeln die modernen Vorreiterinnen gemeinsam mit ihren Kommunikatoren ihre „Master Narratives“ zu drei Top-Themen von unternehmerischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Tragweite. Deren Agenda-Setting-Prozess sollte anschließend über einen intelligent getakteten Mix aus klassischen, digitalen und firmeneigenen Medienplattformen angestoßen werden.

Und je mehr persönliche Relevanz und Betroffenheit in die Kommunikation einfließt, umso authentischer die Positionierungsbilanz. Insbesondere beim Dialog über die sozialen Netzwerke können die digitalen Protagonistinnen diese Karte ausspielen. Hier darf die Persönlichkeit sprechen und auch ein Stück Privatheit durchblitzen – aber immer im Dienste der Sache, um die es geht. Lediglich seine Befindlichkeiten zu populären Aufregerthemen kundzutun, erreicht kurzfristig die Follower, hat aber keinen nachhaltigen Effekt.

Da die sozialen Medien das Äquivalent zum Small Talk sind, schmelzen auch die Rangunterschiede zwischen Top-Frauen und ihren Followern schnell dahin und ein Wir-Gefühl kann entstehen. Eine perfekte Reflexionsfläche also, um persönliche und Business-Agenda wirkungsvoll zu integrieren. Die Mehrheit der Top-Frauen setzt diesen digitalen Werkzeugkasten der Augenhöhe-Kommunikation noch viel zu wenig für sich und den Arbeitgeber ein. Hier ist noch Luft nach oben.