Worüber Betriebsräte öffentlich sprechen dürfen

Recht

Zu den zentralen Aufgaben für Betriebsräte als demokratisch gewählte und legitimierte Interessenvertretung gehört die Kommunikation mit der Belegschaft. Der „klassische“ Weg dafür ist die Betriebsversammlung, die der Betriebsrat pro Vierteljahr ein Mal einberufen muss. Er ist verplichtet, mithilfe eines Tätigkeitsberichts die Belegschaft über für sie relevante Themen zu unterrichten. Solche Versammlungen dienen darüber hinaus dazu, die Interessen der Belegschaft abzufragen und zu erkennen. So kann sich der Betriebsrat auch für einzelne Verhandlungen und Ziele die erneute Legitimation einholen.

Dem Arbeitgeber wird durch eine gelungene Betriebsversammlung gezeigt, dass der Betriebsrat von den Mitarbeitern unterstützt wird. Dies stärkt seine Position in Verhandlungen.

Mitglieder des Betriebsrats können auch das direkte Gespräch mit den Arbeitnehmern suchen, beispielsweise bei Betriebsrundgängen oder in regelmäßigen Sprechstunden. In vielen Unternehmen verlagert sich die Kommunikation der Betriebsräte mit den Beschäftigten immer mehr auf digitale Ebenen, beispielsweise ins Intranet oder in Newsletter.

Rechtliche Grenzen bei Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen

Es gibt allerdings rechtliche Grenzen, die Arbeitnehmervertreter bei ihrer internen Kommunikation zu beachten haben. Eine davon ist die gesetzlich geregelte Geheimhaltungspflicht von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Will der Arbeitgeber, dass über eine Angelegenheit Stillschweigen gewahrt wird, muss er durch ausdrückliche Erklärung darauf hinweisen, dass er sie als Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis ansieht. Für den Betriebsrat muss der Wille des Arbeitgebers über die Geheimhaltungsbedürftigkeit klar erkennbar sein. Mit dieser Erklärung bewirkt der Arbeitgeber ein Verbot für den Betriebsrat, die mitgeteilte Information zu verwerten oder zu offenbaren.

Eine Angelegenheit kann jedoch nicht willkürlich zum Geschäftsgeheimnis gemacht werden. Dafür ist ein objektives Geheimhaltungsinteresse erforderlich. Laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss dies Interesse legal und legitim sein. Zu den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen können Tatsachen, Erkenntnisse und Unterlagen gehören, die im Zusammenhang mit dem technischen Betrieb oder der wirtschaftlichen Betätigung des Unternehmens stehen und die nicht offenkundig sind. Der Arbeitgeber muss an deren Geheimhaltung ein berechtigtes Interesse haben. Das ist dann der Fall, wenn eine Bekanntgabe einen Nachteil gegenüber der Konkurrenz oder den Verlust eines Vorteils zur Folge hätte – wie etwa bei der Weitergabe von Kundenlisten, Fertigungsverfahren oder Rezepturen.

Kein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse des Arbeitgebers besteht hingegen beispielsweise bei unlauteren und gesetzwidrigen Vorgängen. Auch die Auswirkungen unternehmerischer Planungen und Maßnahmen auf die Arbeitnehmer fallen nicht darunter. Darüber darf der Betriebsrat also kommunizieren.

Eine weitere wichtige Grenze stellen persönliche Informationen und Daten von Beschäftigten dar, die der Betriebsrat beispielsweise im Rahmen von Beteiligungsrechten zu personellen Maßnahmen erhält. Hier würde eine Weitergabe das allgemeine Persönlichkeitsrecht des jeweiligen Arbeitnehmers verletzen, sodass darüber grundsätzlich keinerlei Kommunikation mit der Belegschaft erfolgen darf.

Wann muss der Betriebsrat in der Öffentlichkeit schweigen?

Geht es darum, in welchen Angelegenheiten sich der Betriebsrat in der Öffentlichkeit äußern darf, ist die Antwort der Juristen wie so oft: Es kommt darauf an. Grundsätzlich besteht kein betriebsverfassungsrechtlicher Anspruch eines Betriebsrats, Öffentlichkeitsarbeit über die Grenzen des Betriebs oder Unternehmens hinweg zu leisten. Das bedeutet jedoch nicht, dass er etwa im Rahmen eines Interviews mit der Presse nicht befugt wäre, sich zu äußern, denn jedem Betriebsratsmitglied steht die grundrechtlich geschützte Meinungsfreiheit aus Art. 5 GG zu. Diese Meinungsfreiheit gilt allerdings nicht uneingeschränkt.

Selbstverständlich darf ein Betriebsratsmitglied sich nicht – wie jeder andere auch – diffamierend äußern, sich wegen Beleidigung, Drohung oder Verleumdung strafbar machen. Er darf zudem ebenso wie bei interner Kommunikation keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nach außen offenbaren.

Öffentlich Kritik zu üben, ist Betriebsräten erlaubt

Der Betriebsrat ist nicht irgendjemand. Er steht in einem besonderen Verhältnis zum Arbeitgeber und muss dieses Loyalitätsverhältnis wahren. Beide Seiten sind daher verpflichtet, das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zu beachten.

Für die Praxis heißt das, es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Grenzen der Meinungsfreiheit in Äußerungen des Betriebsrats in der unternehmensexternen Öffentlichkeit überschritten worden sind. Dies geschieht durch eine Güterabwägung zwischen den Rechten des Arbeitgebers auf der einen und der Meinungsfreiheit unter Beachtung des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit der Betriebsratsmitglieder auf der anderen Seite.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hatte 2011 beispielsweise über eine außerordentliche Kündigung einer Betriebsratsvorsitzenden zu entscheiden. Diese hatte einem Journalisten in einem Fernsehinterview gesagt, in ihrem Unternehmen würden Arbeitspausen nicht eingehalten, obwohl sie von der Arbeitszeit abgezogen und nicht bezahlt würden. Der Arbeitgeber kündigte der Frau daraufhin, obwohl er den Vorwurf an sich nie bestritt.

Das Gericht entschied, dass der Betriebsrat selbst darüber zu entscheiden habe, in welchem Umfang er sich an die Öffentlichkeit wendet. Dabei darf er auch die Betriebsführung kritisieren – solange dadurch keine konkreten Gefahren für die Betriebsabläufe oder für die Außenwirkung des Unternehmens drohen.

Betriebsräte rücken oft dann in den Fokus der Presse, wenn es um geplante Standortschließungen geht, bei denen eine große Zahl Arbeitsplätze betroffen sind – wie bei Opel oder Kaiser’s Tengelmann. Die Öffentlichkeit hat in solchen Fällen ein gesteigertes Interesse an der Stellungnahme der Betriebsratsgremien. Nicht zuletzt deshalb, weil die Sicht der Arbeitnehmervertreter meist eine andere ist als die des Unternehmens. Man wird in solchen Situationen den Arbeitnehmervertretungen den Schritt an die Öffentlichkeit nicht verwehren können, denn dieser ist von der Meinungsfreiheit gedeckt – solange die bestehenden Einschränkungen beachtet werden.

Externe Kommunikation findet aber nicht nur bei kritischen Äußerungen gegenüber der Unternehmensführung statt, sondern auch um einen stetigen Kontakt und Austausch mit Gleichgesinnten, Gewerkschaften oder fremden Betriebsratsgremien zu halten. Dafür bieten sich als Plattform die Sozialen Medien an. Dabei sollten Arbeitnehmervertreter sich immer darüber bewusst sein, dass auch dort die Meinungsfreiheit nicht uneingeschränkt gilt und dass das, was gepostet wurde, nicht zurückgenommen werden kann.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe TEMPO. Das Heft können Sie hier bestellen.

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